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1562 Karlsruhe, 2. Jul. In der heutigen Sitzung der zweiten Kam mer berichtete Aba. Zittel mündlich über die Beschlüsse der ersten Kam mer, bezüglich auf die Gehalte der VolkSschullchrcr. Da der Beschluß, die Gehalte der ersten und zweiten Klasse auf 20« und 230 Fl. zu setzen, in der ersten Kammer verwürfen wurde,-so stellt die Commis- sion den Antrag, das Gehalt für beide Klassen auf 200 Fl. festzuschcn. Abg. Bissing drückt sein Bedauern darüber aus, daß cs dirscm Landtage nicht möglich sei, die gerechten Erwartungen der Lehrer so weit zu befrie digen, als diese Kammer gewünscht hat. Er erwartet, daß ein späterer Landtag mehr thun werde, und stimmt für jetzt mit dem Anträge der Commission. Abg. Junghanns trägt auf unveränderte Annahme der Be schlüsse der ersten Kammer an, weil sonst die Schullehrer auf diesem Land tage gar nichts erhalten würden. Die Kammer beschließt, nach dem An träge der Commission, mit allen gegen 3 Stimmen, das Gehalt auf 200 Fl. fcstzusctzcn, und nimmt das Gesetz mit dieser Acndcrung mit allen gegen 2 Stimmen an. (Bad. Bl.) — Aus Heidelberg vom 29. Jun. theilt die Karlsruher Zeitung Folgendes mit: „In der verstossenen Nacht hat sich hier ein höchst be dauerlicher Vorfall ereignet, von welchem wir vorläufig Folgen des berichten: Gegen 1 Uhr in der Nacht standen zwei Studircnde nebst zwei andern Bekannten vor dem Postgcbäudc und unterhielten sich noch. Bald darauf kam ein einzelner Mensch an denselben vorüber, welcher mit dem einen der Studirenden dadurch in einen Wortwechsel ver wickelt wurde, daß solche an einander rannten. Auf die Frage der Stu direnden, ob dieser ihnen Unbekannte ein Student sei, erwiderte solcher, dies würde sich gleich zeigen, ging in das Postgcbäudc, aus welchem er in ganz kurzer Zeit wieder zuruckkehrtc und mit einer Waffe, wahrschein lich einem scharf geschliffenen Hirschfänger, auf die Ucbrigcn hincinschlug, sodaß drei derselben bedeutende Wunden am Kopf und der Eine noch überdies in die Hand erhielt, worauf sich der Thäter wieder in das Post gebäude zurückzog. Die Verwundungen find zwar zur Zeit nicht lebens gefährlich, jedoch dürfte einer der Verwundeten eine Verstümmelung da- vontragcn. Die Untersuchung wurde sofort cingcleitet, und man wünscht und hofft, daß cs der Thatigkcit und Umsicht des Untersuchungsrich ters gelingen möge, den zur Zeit noch unbekannten Thäter ausfindig zu machen." — Der ebcnerwähnte Vorfall wird von der Mannheimer Abend zeitung folgendermaßen erzählt: „Vier aus einer nicht fern vom Post- gebäude liegenden Bicrwirthschaft hcimkehrendc Studenten hatten cs in ihrer Laune auf das Postkärrchcn abgesehen und mit diesem ihr ungeeig netes Spiel versucht, kamen aber dadurch mit der Dicnstobliegenheit und dem Selbstgefühle des vom Postillon hcrbeigerufenen Postofsiciantcn in Conflict. Die Studenten mochten durch die Abwehr der Postbedienten sich gekränkt glauben und selbst zu weit gegangen sein; kurz, cs entstand ein starker Wortwechsel, und diesem folgte die arge That. Der Postoffi- ciant holte einen Hirschfänger aus dem Postgebäude, wo dieser zum Si cherheitsdienste bereit liegt, eiligst herbei und hieb scharf ein. Zwei der Studirenden sind von schweren Wunden an Kopf und Hals getroffen, ein dritter hat leichtere Wunden am Kopf und verlor zwei Finger. Der Thäter selbst verletzte sich ziemlich stark am Knie und machte alsbald am andern Morgen gerichtliche Selbstanzeige. Die Untersuchung gegen die Betheiligten ist trotz der schweren Verwundungen in vollem Gange." — Wie die Allgemeine Preußische Zeitung vom 7. Jul. berichtet, ist in Braunschweig die Frage über das Bestehen der Lotterie ent schieden. Die lausende 17. Lotterie soll die letzte sein. Mreußen. N Berlin, 5. Jul. Die Combination, daß Hr. v. Patow die überaus wichtige Stellung als Director im Ministerium des Innern erhält (Nr. 186), möchte ihrer Erfüllung entgegcngchen. Bei der strengen Gewissenhaftig keit, mit welcher Hr. v. Arnim bekanntlich bei der Besetzung von Stellen in dem seiner Obhut anvertrautcn Ministerium zu Werke geht, kann cs nicht fehlen, daß er nur nach reiflichem und nach allen Seiten hin erwo genem Nachdenken verfährt. — Die Franzosen machen sich doch mit ihren tugendhaften Expektorationen über das bei ihnen zu Lande ckc jur« und kacto heilig gehaltene Briefgeheimniß etwas sehr lächerlich. Es ist eine historische Thatsache, daß alle französischen Regierungen seit Er findung der geheimen Polizei Briefe geöffnet. Unter Ludwig XV. sing diese Proccdur systematisch an, und zwar zum bloßen Amüsement dcS blasirten Königs. Es handelte sich darum, für den Monarchen pikante Klatsch- und namentlich Liebesgeschichten zusammenzustellen. Dieses ehr bare Geschäft besorgte der Chef der Post, der mit seinem Portefeuille unterm Arm zur Dubarry kam und dort beim Könige geheime Audienzen hatte. Damals wurden die Briefe durch heiße Platten und durch Ab drücke der Siegel in Quecksilber geöffnet, und es ist wiederum eineThat- sachc, daß die Franzosen von jeher in dieser Kunst Virtuosen gewesen, indessen die Deutschen — Dank ihrer ehrlichen Natur! — sich darin als Stümper benahmen. Ein zuverlässiger Mcmoirenschrciber aus jener Zeit erzählt die Historien ausführlich, und er sagt geradezu: „Immer, wenn ich den Chef der Post ankommcn sah, der mit dem Könige Geschäfte hatte, war cs mir, als ob ich den Henker erblickte; der Zufall wollte cs, daß er oft, ehe er seine Relationen abstattetc, grade aus der — Messe kam." Die Äffairc blieb aber bei Hofe kein Geheimniß, und man be nutzte die „unschuldige Liebhaberei" des Königs, um fingirte Briefe an bestimmte Personen auf die Post zu geben und sic durch diesen Kanal zu verdächtigen. Erst in Folge dieses Moments kam die Polizei ins Spiel, und die Privatliebhabcrci wurde eine Staatsliebhabcrei. Welch eine Lehre liegt in diesem Wink, in dieser Entstehungsgeschichte! Unter Napoleon bestand eine förmliche Postpolizei, obgleich die Chefs der Poft sich' geakr» Fouche und Duroe, welche die Landes- und die Privatpolizei dcS Kai sers hatten, lange sträubten, und diese Conflictc zwischen der Post und der Polizei sind überhaupt ein intcgrirendcS Moment sogenannter höherer Partien. Napoleon erhielt tagtäglich Berichte, excerpirt au- geöffneten Briefen, und hatte sich so gestellt, daß ihm selbst Auszüge aus Briefen zu Gebote standen, welche im Auslande circulirten. So ist es eine histori sche Thatsache, daß der Fürst Wittgenstein nahe daran war, in Hamburg sei nen Kopf zu verlieren, weil man einen Bries der Oberhofmcisterin Gräfin v. Voß geöffnet hatte, worin der Passuö vorkam: der Fürstwollte Napoleon vergiften lassen. Bourricnne theilte Wittgenstein die mörderische Historie mit, und der gute Fürst erklärte den geöffneten Brief als eine lediglich zu sei nem Ruin geschmiedete Hinterlist. Gegen dergleichen verbriefte Thatsachen läßt sich doch nicht mit Phrasen remonstrircn; und Napoleon wie Fouche wurden Jeden eine genannt haben, der nur daran zweifelte, daß sie Briefe öffnen ließen. Unter der Restauration ließen Ludwig XVIIl. und der Thronfolger, Letzterer als Chef der Contre-Regierung, Briefe ösftien, wo und wie cs ihnen beliebte; die Häupter der Conaregation bedienten sich dieses superben Mittels, und wer die Verhältnisse der Welt kennt/ weiß, daß es bis auf den heutigen Tag in Paris von kunstvollen Hän den geübt wird. Ueber die geheimen Postvcrhältnisse deutscher Staaten fühlen wir uns vor der Hand nicht berufen, uns auszusprechen; es hat da oft sehr ernste Conflictc zwischen der hohen Polizei und den Chefs der Hofvcrwaltung gegeben; die lehtern gingen ihren eignen Weg und meinten: sie verständen das Kunststück allein und brauchten sich nicht erst instruiren zu lassen. Laut der vorgestern angekommenen Staffelte ist die Großfürstin Alexandra von einem tobten Kind entbunden und hatte die letzte Oe- lung bekommen.— Da derStaatsrath Faber Jahr aus Jahr ein über die Cultur des Weinbaues an den Grafen Nesselrode und noch höher hin auf correspondirt, so möchte die conservative Zeitung, die er beabsichtigt, wol auch den Weinbau betreffen. Scherz bei Seite! Eine derartige Ver tretung der conservative» Bahn von dieser Seite wäre das beste Mittel, das Werk ruhmgekrönt zu vollenden, was die Allgemeine Preußische Zei tung so glorreich begonnen. — Der Prinz Waldemar gedenkt in Be gleitung der HH. v. Oriola und v. Gröben eine Reise nach Ostindien und China anzutrcten, und zwar auf dem Landwege. Möge sic von eben so gedeihlichen Folgen begleitet sein, wie die Reise des Prinzen Adalbert es gewesen ist. — Man erzählt uns, cs sei beschlossen worden, statt der Staatszeitung cineArtvon officiellemMoniteur erscheinen zu lassen, der Beförderungen, Verordnungen und Ernennungen enthalte; Berichtigungen sollen in Zukunft nur an diejenigen Zeitungen -gesendet werden, welche die Entstellungen enthalten.— Der König wird sich, wie es heißt, am 2-1. Aug. nach Erdmannsdorf begeben, von dort Exkursionen nach Böh men machen und vielleicht den Fürsten v. Metternich sehen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der König Wien besucht. ** Berlin, 5. Jul. Da der Schwancnorden in jüngster Zeit, nach längerer Ruhe, wieder Gegenstand der öffentlichen Besprechung, so gar mit der Bemerkung, daß er nicht ins Leben treten werde, geworden ist, so möchte es interessant sein, die nachstehende Cabinctsordre zu le sen, die, um sechs Wochen älter als das Patent zur Wiederbelebung jcnct Ordcnsgcsellschaft, erst heute auf amtlichem Wege zur öffentlichen Kennt- niß gebracht worden. Die Ordre ist am Geburtstage der Königin erlas sen und lautet also: „Ach habe wahrgcnommen, daß den verwahrlosten oder der nöthigen Auf sicht entbehrenden Kindern, den durch Krankheit oder andere Unglücksfälle in Hülfsbedürftigkcit gerathenen Armen, den entlassenen, der Besserung fähigen Verbrechern rc- an sehr vielen Orten nicht diejenige Fürsorge gewidmet wird, welche dringend nothwendig ist, um den großen Uebeln zu steuern, welche auß der Vernachlässigung der Jugend in den nieder» VolkSklassen, dem Pau perismus und der Hülflosigkeit entlassener Sträflinge rc- hervorgehen. Ab hülfe ist hier nur durch Vereinigung vieler, aus innerm Antriebe wirkender Kräfte zu beschaffen, und es ist daher mein Wille, daß die mit der Verwal tung und Beaufsichtigung des Armenwesens beauftragten Behörden die För derung und Unterstützung von Vereinen, die zu jenen Zwecken freiwillig zu sammentreten, auf alle Weise sich angelegen sein lassen und dieses hinführo als eine ihrer Amtspflichten erkennen. In welcher Weise die Bildung solcher Vereine am wirksamsten durch die Behörden zu fördern und deren Thätigkeit mit sicherm Erfolg auf diesen Zweck hinzuleiten ist, darüber will ich Ihre gutachtlichen Vorschläge möglichst bald erwarten. Inzwischen haben Sic die Chefs der Provinzialbehördcn von meiner Willensmcinung vorläufig in Kennt- niß zu setzen und dieselben aufzufodern, diese Angelegenheit zum besonder» Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit und Bestellungen zu machen, und kräftigst dahin zu wirken, daß dort, wo es an dergleichen Vereinen jetzt noch man gelt, solche baldigst durch ihr Beispiel und ihre Ermunterung ins Leben ge rufen werden. Sanssouci, am 13. Nov- 1813. Friedrich Wilhelm. An die Staatsminister Eichhorn und Grafen v. Arnim." Zu dieser Ordre ist, unterm 15. Febr. d. I., also über drei Mo nate nach deren Erlaß, eine Verfügung der Minister Eichhorn und Grafei» Arnim an sämmtliche Oberpräfidcntcn ergangen; sie betrifft „die Bil dung, Förderung und Unterstützung mild- und wohlthätiger Vereine" und beginnt folgendermaßen: „Ew. rc. werden aus der rc- Ordre vom 13. Nov. v. I. erseht», wie Sc. Maj. die auS freiem Willen, nur durch die Kraft eines menschlich from men und staatsbürgerlichen GemeingcfühlS zu Stande gekommenen Vereine, welche die Minderung ober Abwehr deö aus dem Pauperismus oder aus der sittlichen Roheit der nieder» Volksklasse in der gegenwärtigen Zeit, wie es scheint, immer reichlicher hervorgehenden physischen, socialen und sittlichen Verderbens sich zum Zwecke stellen, zu einem Gegenstand allerhöchstihrcr be sonder» Aufmerksamkeit und Fürsorge gemacht haben."