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Freitag Nr. 194 — 12. Julius 1841. ^eipllg. Zeitung «rgbeinrlägUW Abend«. Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslände«. Deutsche Allgemeine Zeitung Preis für das BierUl- jahr 2 Tbir. — . Jnserlionsgebuvr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» U-b-rblick. Deutschland. ffAus Vbersachsen. Die schlesischen Borgänge und die Presse-— Landtagswahl der Universität Heidelberg. *Mai»s. Die Ad- vocatenvcrsammlung. ** Altenburg- Der Herzog. Gepfändete Prinzes sinnen. Das Militair- Die Mordthat. Neue Ausgabe der Stadtcommune. Kreutzen. **Verlin. Das Verfahren in Ehesachen. ***Äertin. Die Grundsteinlegung der neuen Kirche in der Luisenstadt. Äerlin. Die phi losophische Facuität. — Daß Cartel mit Rußland- Oesterreich- *Wien. Die Arbeiterunruhcn- — Bertheidigung dcr smichvwer Fabrikanten. Spanien. * Paris. Die Staatslage. Graf Bresson. Sevilla- Marokko. Grotzvritannien. Die Brieferöffnung in England und Frankreich- * Lon don- Die Getreidegesetzdebatte. Frankreich. Der Constitutionnel über den Dotationsartikel. Der Ver fasser dieses Artikels im Constitutionnel. Gefährlicher Handel. Nordamerika. ^Neuyork. Der Consul Mark. Personalnachrichten. Wissenschaft und ^unst. ffteipftg. Der Charivari und die augsbur- ger Allgemeine Zeitung. Handel und Industrie. Das sächsische Eisenbahnwesen. *Äus Preus sen. Die landwirthschaftlichen Zustände und Bedürfnisse der preußischen Monarchie. * Augsburg. Die Staatsbahnen. — Aufhebung des Brief- trägergeldcs in Kaiern- — Berlin. Neueste Nachrichten. Paris- Abd - el - Kader. Stnkündigungen. Deutschland. ff Aus Obersachsen, s. Jul. (Vcrgl. Nr. l89.) Manche wol len der Presse die Schuld der schlesischen Vorgänge geben. Gewiß mit demselben Ungrundc, mit welchem man die französische Revolution von den Schriftstellern herleitete. Die wäre ganz eben so vor sich ge gangen, wenn auch SicycS niemals sein berühmtes Pamphlet geschrieben hätte, und was etwa ein oder der andere Schriftsteller den schlesischen Webern erzählt hat, das hat er selbst erst von ihnen gehört, und sie ha ben cs längst auf den Bicrbänken breit getreten, ehe es gedruckt war. Die Schriften über Socialismus und Communismus sind schwerlich zu schlesischen Webern gedrungen, und es findet sich auch in den Auslassun gen der Letzter», auch in dem samoscn Gedichte, nichts von communistl- schcr Theorie, sondern lediglich uralter Neid, uralte Roheit, uralte Be gierde, die uralte Beschwerde Armer über Reiche, Dienender über Brot herren. Nur der Irrwahn, als seien die Lohnsätze von willkürlicher Hab sucht der Fabrikherren normirt und ließen sich, wenn man nur wollte, an ders fixircn; der Irrwahn, als lasse sich überhaupt dieses ganze Verhält- niß einrichten, wie man eine Behörde kinrichtet, eine Armee ordnet, ist — nicht aus dem Communismus — aber ist auch in dem Communismus. Allerdings sind Schriften und Aufsätze vorgckömmen, welche die kor rupten Vorurtheile und niedrigen Anschauungen jener Proletarier, mit di rekter Beziehung auf Personen und Fälle, Wiedergaben, und das mag seinen Schaden gebracht haben. Aber haben etwa die Arbeiter in Prag und Smichow auch dergleichen gelesen? Und würden jene Schriften ge schadet haben, wenn nicht die korrupten Vorstellungen, die geistigen und sittlichen Gebrechen bestanden hätten? Und wird man nicht erst dann erfolg reich dem Uebel gesteuert haben, wenn man gesorgt hat, daß richtigere Vorstellungen über Verhältniß der Stände, Vcrthcilüng der Glücksgüter, Bedingungen menschlicher Zufriedenheit, Grundlagen echter Menschen würde, Quellen des Arbeitslohns, Antheil der Arbeit an dem Erfolg, Einfluß des Maschinenwesens rc. sich verbreiten? Ucbrigcns soll sich die Presse, wenn sie obige Angriffe zurückwcist, doch nicht allzu breit machen. Ohne Schuld ist auch sic nicht, wie vie les Andere nicht ohne Schuld ist. Hat sie das Ihre gethan, an der Ver breitung jener richtiger» Vorstellungen, an der Entkräftung jener schädli chen Vorurtheile zu arbeiten? Hat sie in ihren gerechten und ungerechten Kämpfen sich stets so bewacht, daß niemals ein übertriebenes oder mis- verstandencs Wort in Kreise gedrungen, die es nicht würdigen können, niemals ein Wort, das den Jrrthum nähren, den Geist der Auflehnung und Zuchtlosigkeit fördern konnte? Und ist zuletzt nicht das Alles, was dazu beitrug, daß der Sinn der Ehrfurcht, des Vertrauens, des Rechts und der Zucht im Volke sich minderte, auch in diesen Nachwirkungen er kennbar? Ehre dem Büracrthüme, wo es das Rechte und Gute auf rech tem-Wege, mit fester, ruhiger Kraft und Einsicht sich zu erwirken wußte und sich zu wahren weiß! Ehre der Presse, die cs mannhaft und geist voll dabei unterstützt! Aber was in solchen Kämpfen über die Grenzen ging und was zur Lockerung der Autorität, zur Auflösung inner» Ver bandes, zur Verbreitung von Mistrauen, Ueberhebung, Dunkel und Frech ¬ heit, Geringschätzung gegen Obrigkeit und Gesetz, Haß und Feindschaft . beitrug, das Alles findet seinen schlimmen Nachhall in Vorgängen wie die schlesischen. Das conservative Interesse ist ein solidarisches Aller, die etwas sind und besitzen, voni Monarchen des Staats bis zum geringsten . Hausherrn und Hausvater herab; Niemand kann zu der Bewegung, die , er selbst geschürt, sagen: Bis hierher und nicht weiter, und die Auflösung an dem einen Punkte verbreitet sich wie eine fressende Säure über kurz oder lang durch das Ganze. Das Bürgerthum hat an vielen Orten die Proletarier auch in seinen politischen Kämpfen als rohes Werkzeug ge braucht, ohne Nutzen für sic; die Meinung hat solches Gebühren beschö nigt, wo nicht gepriesen; die systematische Revolution hat begeisterte Lob- redncr und Sänger gefunden. Und man wundert sich noch, wenn die Proletarier auch einmal für sich und wider das Bürgerthum handeln wollen? Ist nicht ferner die Gleichmacherei nur zu oft in einer Weise betrieben und gepredigt worden, deren Consequcnzcn ganz direct und na turgemäß auf das Alles führten, was jene Leute beanspruchten und be zweckten? An dem Allen hat auch die Presse ihren Theil, aber lange nicht den alleinigen, den hauptsächlichen: der Staat selbst mit Unterlas- sungs- und Bcgchungssündcn, mit verzögerter und mit verfehlter Re form, mit falschem Beharren und falscher Nachgiebigkeit, die höhern Stände mit bornirtem Starrsinn und mit schwächlicher Popularitätssucht oder mit kleinlichen Rancunen, nur zu Viele in allen Kreisen des Volks mit der Schadenfreude bei der Gefahr des Nächsten, mit der Kurzsichtig keit, die nur auf den Augenblick sah und der Folgen nicht dachte, mit der Rücksichtslosigkeit im Tone der Rede und der Schrift, der Geist der Zeit in seinen mannichfaltigsten Regungen und Verflechtungen hat die Gewit ter gesammelt, die da und dort jetzt niederzuckcn. Und nicht starre Sta bilität, nicht blinder Autoritätsglaube, nicht fl^eaction und Verfinsterung, nicht Zwang und Verbot mögen hier helfen, eine dauernde Zukunft sichern: sondern ein aufrichtiges, kräftiges und freundliches Ancinanderschlicßen, ein festes Scharen um die großen Grundlagen öffentlicher Ordnungen, ein williges Anerkennen begründeten Rechts, verdienter Ehren; ein Ausrot ten des Neides und der Misgunst, des Mistrauens und der Verdächti gung; ein gründliches Suchen nach den rechten Mitteln des wahrhaften Vorschritts, ein cinmüthiges Arbeiten für seine treue Verwirklichung, ohne Eigensinn, ohne Leidenschaft, maßvoll, jede bessere Einsicht ehrend; wahre politische Bildung, Lie etwas Anderes ist als der bloße in ein System gebrachte Oppositionsgeist; ein lebendiger, allumfassender Gcmeinsinn; vor Allem die Uebcrzeugung: daß der wahre und höchste Vvrschrilt lediglich in der immer weitern Verbreitung und tiefer» Befestigung wahrer Bil dung, Sittlichkeit und Religiosität liegt. Man sagt uns täglich: nur wo Kampf, sei Leben. Wir verwerfen den Kampf nicht, der mit ehrlichen Waffen geführt wird. Aber verwechsele man nur nicht Leben und Lärm; bedenke man nur, daß Kriege gegen Feinde und Bürgerkriege zwei sehr verschiedene Dinge sind. Unb jedenfalls halten wir den alten niederlän dischen Spruch für den sichersten und bewährtesten: Eintracht gibt Macht. — Die badischen Universitäten sind bei ihren Landtagswahlen nicht an das Gremium der Universität gebunden. Heidelberg wurde zeither in der ersten Kammer durch den Ministerialdirektor Eichrodt vertreten, und da dieser seine Stelle in der Kammer niedcrlegte, so ist am 7. Jul. der Hofgerichtspräsident Obkirchcr in Rastatt, wie es heißt, nach dem auf die vorliegenden juristischen Gesetzentwürfe berechneten Wunsche der Regie rung gewählt. * Mainz, 8. Jul. In der Mitte der Vorbereitungen zur deut schen Advocatenversamml u ng, welche am 18. Jul. eröffnet werde» sollte, überraschte diese Woche nicht wenig die durch die Mainzer Zeitung veröffentlichte Erklärung der hiesigen Anwaltcommission, daß die Versamm lung gar nicht stattfinden werde. (Nr. tSI.) Es ward in dieser Erklä rung von Hindernissen gesprochen, welche mit jedem Tage mehr sich dem Unternehmen cntgegenstellten, und durch diese Hindernisse wird das Verzich ten auf das Project motivirt. Von welcher Art waren sie aber? Einige Nachbarblättcr geben darüber auf eine ungenügende Art Auskunft: sie sagen, es hätte ein Nichtjurist nicht Zutritt zur Versammlung haben, und selbst Ncchtsmänncr im Amte, die aber nicht mehr dem Advocatenstand angehören, hätten ausgeschlossen werden sollen; außerdem sei noch ein Com- missar von der Negierung ernannt gewesen, der die Sitzungen leiten und sein Veto einlegen sollte, wenn Gegenstände zur Sprache gekommen wären, welche dem Zwecke der Versammlung nicht entsprachen. Die Darmstädter Zei tung widerlegt in einem halbofficicllen Artikel diese Gerüchte (Nr. I9Z), und cs hätte dieser Widerlegung gar nicht bedurft, um überzeugt zu sein, daß die hessische Regierung keine Hindernisse dieser Art einem Unternehmen entgegensetzen wollte, dem sie ja von vorn herein aus eine so loyale Weise ihre Sanction gegeben hatte. Die Hindernisse bestanden wol vielmehr darin, daß außer den bekannten Verboten des Besuchs der Versammlung auch wol noch andere Regierungen indirekt die' Bctheiligung verhindert