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1440 Ministeriums oder vielmehr des Königs scheitern werde. Auch ein« gestern von Cremieux plötzlich beantragte und von dcrDeputiktmkammer angenom mene Bestimmung, daß weder PdirS noch Dcputirte Eisenbahnen un ternehmen oder verwalten sollen, wird als ein Hindernis ftir d«S Zustan dekommen des Eisenbahngesehes bezeichnet, indem die PairSkvmmsr noth- wendig eine so imbedachtsame und in der Uebexrilung getroffene Anord nung zurüekweiscn müsse, die, aus einer niedrigen Denkungsart entrun gen, mit der täglich verkommenden und gar nicht zu vermeidenden Be- theiligung der Kammermitglieder bei den Gegenständen der Gesetzgebung der Besteuerung rc. im augenscheinlichsten Widerspruche stehe. — Das Ministerium hat seine ganze innere Politik auf die Privat interessen begründet. In den industriellen oder commerziellen Gesetzen, in der Genehmigung und Bertheilung von öffentlichen Anlagen sah es nur ein Mittel, Anhänger zu gewinnen, künstliche Majoritäten zu bilden, Widerstand zu besiegen, Ucberzeugungen zu ersticken, Gewissen einzuschlä- scrn. Es beginnt jetzt die Früchte dieser abscheulichen Politik zu ärnten. Die Deputirtenkammer nahm in ihrer gestrigen Sitzung einen von Cre mieux gemachten Antrag an, der einen neuen Unvereinbarkcitsgrundsatz aufstellt und mindestens eine innere Krankheit der gesetzgebenden Versamm lungen verräth. „Kein Mitglied einer Kammer kann Unternehmer oder Verwalter von Eisenbahnaesellschaftcn sein, die noch Concessionen erhalten werden." Im englischen Parlamente wurden mehrmals, meistens aber in den durch Feilheit besonders berüchtigten Zeiträumen, ähnliche Bills er örtert, abaeändert, wieder vorgelcgt und angenommen. Dergleichen Be schlüsse faßt eine Versammlung nur, wenn ein Ucbermaß des Uebels zu Tage tritt und dem Staate schon Gefahr droht. Es ist gewiß, daß die verderbliche Einwirkung des Ministeriums die festesten Gesinnungen tief erschüttert und die Privatinteressen auf Kosten deö Staatsintereffes entfesselt hat. Die Kammer griff gestern zu einem heroischen Mittel! (Oonstit.) — Der vorgestrige Auftritt vor dem Appellationsgerichte hat sich auch gestern wiederholt. Alle Processe, die zur Verhandlung kommen sollten, wurden auf den Antrag der Sachwalter und aus dem Grunde, weil entweder der Advocat oder die Acten nicht zugegen seien, ausgesetzt. Der Präsident kündigte jedoch an, daß das Gericht das nächste Mal nach den vorliegenden Umständen Recht sprechen werde, und foderte die Sach walter auf, ihre Gründe selbst vorzutragen, denn „sie sprechen zwar nicht so geläufig wie die Advocaten, scheu den Fall aber ganz klar aus ein ander und zeigen dem Gerichte stets den Weg der Gerechtigkeit". ch Paris, lO.Jun. So hat also die Partei der Actiengcscllschaften in der Deputirtenkammer schließlich die Oberhand behaltcri. Die Gegner derselben suchen sich freilich mit dem Gedanken zu trösten, daßdiePairs- kammer doch auch noch ein Wort mitzusprcchen habe; allein wir glauben nicht, daß Grund vorhanden sei, von der Versammlung im Luxembourg in diesem Fall einen ernstlichen Widerstand gegen den Beschluß der De- putirtcnkammcr und das damit übereinstimmende System der Regierung zu erwarten. Ebenso bezweifeln wir, daß die noch nicht votirten Eisen bahnen ein besseres Schicksal haben werden als die Eisenbahn von Orleans nach Bordeaux. Das Interesse der Kapitalisten ist augenscheinlich das überwiegende, das gesetzgebende in der Deputirtenkammer, und cs ist nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß es etwa au Bescheidenheit auf den settesten Theil seiner Beute verzichten werde. Einige Nebcnbe- schlüsse der Kammer, welche jenem Capitalistcninteresse nicht grade gün stig sind, müssen der Ueberraschung zugeschricbcn werden. Dahin gehört vor allen Dingen der auf Antrag deö Hrn. Cremieux gefaßte Beschluß, daß die Mitglieder der beiden Kammern wedrr Unternehmer noch auch nur Administratoren der Eisenbahn sein können. Diese Bestimmung, welche man heute schon gern wieder rückgängig machen möchte, ist übrigens viel mehr der Form als der Sache nach beeinträchtigend für. die Eisenbahn- speculantcn. Das Gesetz verbietet den Deputaten und den Pairs ja nicht, Actionairc von Eisenbahnen zu werden oder auch sich indirekt bei denselben zu betheiligen, und so läßt sich denn die Ausschließung von der Bewerbung um die Cisenbahnconcessioncn und von dem Vorstcheramte der Eiscnbahngescllschaftcn schon verschmerzen. Die Opposition hat vergebens versucht, die in dem Gesetzentwürfe der Regierung auf 41 Jahre festgesetzte Dauer des Privilegiums der Ei senbahn von Orleans nach Bordeaux um sechs Jahre zu vermindern. Die von der Regierung vorgeschlagcne Frist wurde mit großer Stimmenmehrheit angenommen, und wenn man nach gewissen Analogien schließen darf, so kann sie später noch nach Rcgicrungsgutdunkcn in-das Blaue hinaus ver längert werden. So ist es wenigstens, wie sich jetzt heraussteüt, mit dem Privilegium mehrer der Gesellschaften gegangen, welche hier in Paris B r ü ck c n ü b e r d i e S e i n c gebaut haben, von denen sic einen Zoll erheben. Man nennt drei dieser Brucken, deren Conccssion längst abgelaufen ist und die von Rechts wegen dem Staat aüheimgesallcn sein sollten, die sich aber gleichwol kraft ministerieller Verfügungen, noch immer im Besitze der Unternehmer befinden, denen das Publicum also nach wie vor steuerpflich tig ist. Wie bedeutend aber der auf solche Weise rechtswidrig gezahlte Tribut sei, ergibt sich aus der zuverlässigen Angabe, daß die acht oder neun im Privatbesitze befindlichen pariser Brücken ihren Eigcnthümern jährlich eben so viel eintragen, als ihr ganzer Bau gekostet hat. Und trotz des Ungeheuern Gewinns, den ein solches Acrhältniß voraussctzt, läßt die Regierung die Actionaire einer jener Brücken seit nicht weniger als 17 Jahren sreiwillig im Fortgenuß ihres schon 1827 abgelaufcnen Privile giums! Erst in diesen Tagen haben cs einige jenes MisbrauchS über drüssige Bürger übernommen, die Frage von der Rechtsgültigkcit der ei genmächtigen Verlängerung der fraglichen Concessionen zur gerichtlichen Entscheidung zu bringen. Wenn aber diese Entscheidung, wie nicht zu bezweifeln ist, gegen die Actiengcsellschaften ausfällt, wer wird dem Pu ¬ ffe eine ganze Hand voll, durch politische Romane nicht ungelesen machen rönnen." Der Anaeredete erwiderte: daß doch Oesterreich unter allen Staa ten den EntwickelungSgang unserer Zeit und ihre Uebergänge am wenig sten zu würdigen verstehe. Auch hieraus wurde ihm folgende improvisirte Entgegnung: „Sie erinnern hier an die oft gebrauchte Redensart: wir leben in einer Uebergangszeit, in einer Periode der politischen Entwicke lung, Alles muß sich neu gestalten, und das Herrliche wird daraus hrr- vorgehen. Aber bei Lichte betrachtet und reiflich beurtheilt, ist Viess Re densart nichts Anderes als leerer Wortschall. Jede frühere Zcitepoche war eine Ueberaangszeit, Stabiles gibt eö nicht im Leben; Alles gewinnt im Laufe der Zeit eine andere- Gestalt und Beziehung zum Staatökeben, und ohne Abänderung dcS GrundprincipS desselben hat die Verbesserung freien Spielraum zu einer ruhigen und sichern Formation." Portugal. Die vor einiger Zeit in Umlauf gesetzte Angabe von einer Umge staltung des Ministeriums in Portugal (Nr. 157) ist völlig unbegrün det gewesen. Spanien. * Paris, 19. Jun. Der Finanzminister hat die nöthigen Mittel ge funden, um das demnächst fällig werdende Semester der 3proc. Schuld zu decken. Die Unterhandlungen über die Consolidirung der schwebenden Schuld dauern noch immer ohne Ergebniß fort. — Dev ministerielle Tiempo bestätigt das Gerücht, daß die in Madrid zurückgebliebenen Mitglieder des Cabinets sich nach Barcelona begeben werden, wo ihre Anwesenheit durch das Interesse der guten Verwaltung nothwendig gemacht werde.— Die Bäder, welche die Königin Isabella in Barcelona zu nehmen an- gcfangen hat, sollen bereits sehr wohlthätigc Wirkungen auf die Gesund heit derselben geäußert haben. Die Königin beabsichtigt, wie es heißt, nachdem sie eine gewisse Anzahl von Bädern genommen, eine Rundreise durch die benachbarten Provinzen anzustellen, auf welcher sie namentlich Saragossa besuchen wird. — Der neapolitanische Gesandte, Prinz Ca rini, von dem in einigen Blättern gesagt worden ist, daß er den spani schen Hof nicht nach Barcelona begleiten werde, befindet sich allerdings, gleich dem englischen, französischen und türkischen Gesandten, in der cata- lonischen Hauptstadt. Von dem Plane der Vermählung Jsabella's ll mit dem Grafen Trapani wird zwar in diesem Augenblicke nichts mehr gesprochen, aber man darf darum nicht glauben, daß er aufgegcbcn sei. Großbritannien. London, 18. Jun. Die ministeriellen Journale Morning Herold, Standard rc. wider sprechen zwar ausdrücklich der Angabe, daß die Minister in Folge der er sten Abstimmung über den Zuckerzoll aus dem Amte zu treten geson nen gewesen seien, das von den Whigblättern in Umlaus gesetzte Gerücht machte jedoch einen solchen Eindruck auf die toryistischen Mitglieder des Unterhauses, daß sie, gegen 200 an der Zahl, eine Versammlung hielten und. Sir R. Peel in einer schriftlichen Erklärung ihr unbedingtes Ver trauen zu ihm aussprachcn. — Es ist jetzt oft von der Strenge des Urtels gegen O'Connell die Rede. Erinnert man sich denn nicht mehr, daß Sir Francis Burdett für ein Schreiben an seine Wähler über die sogenannte Massacrirung bei Manchester zu 6 Monaten Gefangniß und 2000 Pf. St. Geldbuße vcr- urthcilt wurde; daß Henry Hunt wegen seiner Aufreizung zu einer Ra- dicalreform 2'/^ Jahre im Gefängnisse saß; daß Sir C. Wolseley für ein ähnliches Vergehen l'/z Jahr, und daß Cobbett für einen Artikel über das Auspcitschen deutscher Soldaten zwei Jahre in Ncwgate zubringen, loco Psi St. Geldbuße zahlen und noch 5000 Ps. St. Caution auf 7 Jahre stellen mußte? Der bekannte Carlisle wurde für die Veröffentli chung seiner gotteslästerlichen Schriften zu 3 Jahren Gefänaniß und 1500 Pf. St. Geldbuße und für eine Schmähschrift auf den Prinz-Regenten zu 1000 Pf. St. Geldbuße verurtheilt. (ckolm Kull.) — Am 16. Jun. um 12 Uhr Nachts besuchte der König von Sach sen in Anleitung seines Gefolges die Druckerei der Times und besah die ganze Einrichtung dieser Anstalt mit großer Aufmerksamkeit. „Der König schien mit Vergnügen zu hören, daß der Erfinder einer Druck maschine, die seine besondere Aufmerksamkeit erregte, aus seinem eignen Lande gebürtig sei und eine nach denselben Grundsätzen erbaute, wenngleich minder kräftige Druckmaschine in Leipzig aufgestellt habe." — Das Verbot, Leute, welche Repealknöpfc tragen, auf den von Schildwachen beaufsichtigten Wegen gehen zu lassen, gründet sich auf ein Gesetz, welches in Irland jedes Tragen von Parteiabzeichen verbietet und auch den sogenannten Orangisten das Tragen von Zeichen der Treue und Loyalität verwehrt. Fast täglich kommen bei den Polizcigcrichten Schlä gereien zur Untersuchung, die in Folge des Tragens von Repealknöpfen entstanden sind. Aus den Frcischulcn wurden bereits mehre Knaben ent fernt, weil sie sich weigerten, den verbotenen Knopf auch nur während der Lehrstunden abzulegcn- Frankreich. Paris, is. Jun. Die Zusammensetzung der von der Deputirtenkammer zur Begut achtung des Gesetzentwurfs über den Sc cund airunter richt gewähl ten Commission wird als ein zuverlässiges Anzeichen betrachtet, daß die ser seit vielen Jahren bereits verheißene, entworfene,, beralhenc Gesetz entwurfs auch diesmal wieder nicht zu Stande kommen, sondern an der Meinungsverschiedenheit der Pairskammer, der Deputirtenkammer und des