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Soiwtag — — Nr. 84. —— SS. Februar 1845. WW Deutsche Allgemeine Zeitung. - «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» «ebe-bli». L«»»t^chland. *Aus Mitteldeutschland. Die Stadtordnung für Ko- burg. »Äus der sächsischen Vberlausitz. Die Dechantenwahl. — c Deutsch-katholische Gemeinde in Dresden- n Stuttgart- Prof. Vischer. Die Kammern. DaS Oberland. Stuttgart. Die Wahlprüfungcn- »Rus / Mecklenburg - Strelitz Aufruf für Ronge. * Hamburg. Deutsch-ka tholische Gemeinde. Kreutzen, (Berlin. Der König. Die deutsch-katholische Gemeinde- Hr. CzcrSki. Die Juden. * Posen. Confessionellc Polemik. Proselytenwesen. — Ausgleichung der Gegensätze. IVeflerlleieH. »Von der Donau. Der MagyariSmu«. Spanien. Die geistlichen Güter und die Verhandlungen mit Rom. Co lonisation in Cuba. <A*»G»rtt«NNieN. Die Times über Peel und das Seewesen. DaS HeimatSrecht. 0r. Cullen. Krankreteh. Das Durchsuchungsrecht. Ein Proceß. Das Schloß H-in- , rich'S lV. zu Pau- Gchweiz. Genf. ZDtqlien. Neapel. Politisches Strafurtel. Die BiSthümer- Stutzland «nd Molen. Petersburg. Die Juden. SRejie». "Mejico. Santa Anna- Mersonalnachrlchten. SSttzlenschaft und * Berlin- Concert. »Weimar. Festfeier. Handel und Andu-trie. »Frankfurt a. M Eisenbahn. Börse. * Leip zig. Börsenbericht. — Berlin. Stauefle vrachrichten. Ankündigungen. Deutschland. *Aus Mitteldeutschland, lS. Fcbr. Wir fahren in unsern Be trachtungen deS Entwurfs der Stadtordnung für die Stadt Kloburg (Nr. 48) fort und heben aus dem im Ganzen zweckmäßige Bestimmun gen enthaltenden Capitel über den Geschäftsgang bei den Stadtverordne ten den Umstand hervor, daß den Sitzungen der Stadtverordneten alle wahlberechtigten Bürger als Zuhörer beiwohnen dürfen, sofern nicht die Stadtverordnetenversammlung die Sitzung für eine vertrauliche erklärt. Um so mehr muß es dann auffallen, daß Gutachten der Stadtverord neten über städtische Angelegenheiten nur mit Zustimmung des Magi strats oder nach eingeholter Genehmigung der Landesregierung — dies je denfalls für den Fall, wenn der Magistrat nicht einwilligt durch den Druck bekannt gemacht werden dürfen. Eine ganz eigenthümliche Ein richtung ist eS aber, daß monatlich einmal, und außerdem so ost es ter Bürgermeister für gut findet, eine gemeinschaftliche Sitzung des Magi strats und der Stadtverordneten gehalten wird, bei welcher der Bürger meister die Befugnisse des Vorfitzenden übt und welcher, sofern nicht Letz terer die Sitzungen für vertrauliche erklär», gleichfalls alle wahlberechtig ten Bürger als Zuhörer beiwohnen dürfen. In diesen Versammlungen Mcht „der Bürgermeister selbst oder durch ein anderes Mitglied deS Magistrats den Stadtverordneten die im Laufe deS vergangenen Monats vorgekommcnen, zu ihrer Mitwirkung gehörigen Angelegenheiten bekannt lind stellt die den Beirath resp. die Zustimmung der Stadtverordneten einleitenden bestimmten Fragen. Die Stadtverordneten können sich auf diese Fragen nach sofort unter Leitung ihres Vorstehers gepflogener Be- rathung noch in der gemeinschaftlichen Sitzung erklären, oder sich ihre Er klärung bis dahin Vorbehalten, wo sie sich darüber in ihren gewöhnlichen Zusammenkünften unter sich berathcn und hier ihre Beschlüsse gefaßt Ha den. Im letztem Falle thcilt der Bürgermeister den Stadtverordneten die Fragepunkte schriftlich verfaßt von der Hand (?) mit, und die Stadt verordneten berathcn dieselben in ihrer nächsten Sitzung, geben ihre Er klärung entweder alsbald nach der Sitzung durch schriftliche Zufertigung des gefaßten Beschlusses von der Hand (?) dem Magistrat zu erkennen oder erklären sich bei der nächsten ordentlichen oder außerordentlichen ge meinschaftlichen Sitzung durch ihren Vorsteher mündlich zu Protokoll. Schriftlich« Verhandlungen zwischen dem Magistrat und den Stadtver ordneten, außer in den eben gedachten Anfertigungen von der Hand (?), finden in der Regel nicht statt, nur ausnahmsweise und durch besondere Gründe gerechtfertigt können dergleichen vorkommen. In den gemein schaftlichen Sitzungen dürfen, sobald die Fragen der Tagesordnung erle digt sind, auch einzelne Stadtverordnete sichvpndem Magistrat mündlich Aufschlüsse in Gemeindeangelegenheiten erbitten, und der Bürgermeister «der das von ihm zu bezeichnende Magistratsglied hat diese Aufschlusse entweder alsbald oder in der nächsten gemeinschaftlichen Sitzung zu er- theilcn." Bis hierher und so weit diese Einrichtung als ein Ersatz der schriftlichen Verhandlung zwischen Magistrat und Stadtverordneten dienen soll, enthalten wir uns zur Zeit alles Urthcils darüber. Es müssen erst Erfahrungen vorliegen. Wir räumen übrigens ein, daß die persönliche Verständigung Vieles erleichtert, viele Einwendungen und Weiterungen abschneidet, viele Aufklärungen ermöglicht, wie der große Nutzen der Theil- nahme von RcgierungScominissaren an ständischen Verhandlungen beweist, und daß durch die koburger Einrichtung auch der Nebelstand vermieden ist, wonach die Aufgabe solcher Commissare allerdings dadurch erschwert wird, daß sie blos als Einzelne, in die Mitte einer Eorporation gesendet, und ohne den sichtbaren Eindruck der Macht, deren Organe sie sind, er scheinen und dadurch allerdings der compacten Masse gegenüber, mit der sie zu thun haben, in einen gewissen Nachtheil versetzt sind. Allein diese gemeinschaftlichen Sitzungen sollen sich auch in bestimm ten Fällen in einen „großen Gcmeinderath" verwandeln und in dieser Eigenschaft Beschlüsse fassen, welche sowol für den Magistrat als für die Stadtverordneten bindend sein sollen. Die gedachten Falle sind folgende: ,,l) wenn die Stadtverordnetenversammlung eine vom Magistrat angesuchte Zustimmung versagt, der Magistrat aber auf feinem Anträge stehen bleibt; 2) wenn die Stadtverordnetenversammlung gegen eine vom Magistrat vor- aenommcne Wahl das Recht des Einspruchs übt, der Magistrat aber die Wahl nicht zurücknehmen will; 3) wenn der Magistrat ein ncugewählteS Magistratsqlied zurückweisen will, die Stadtverordnetenversammlung aber auf ihrer Wahl beharrt; 4) wenn Magistrat und Stadtverordnetenver sammlung übercingekommcn sind, eine sonst bestehende Meinungsverschie denheit dem großen Gemeinderath zur Entscheidung vorzulcgen." In die ser Behörde wird nach Mehrheit der Stimmen entschieden, wobei wenig stens fünf Maaistratsglieder und zwölf Stadtverordnete — versteht sich, nach Ladung Auer — an der Abstimmung Theil genommen haben müssen. Der Bürgermeister führt den Vorsitz. In Betreff der Ocffcntlichkcit gilt dieselbe Vorschrift wie bei den gemeinschaftlichen Sitzungen. Zwar glau ben wir, mit Rücksicht auf den gewaltigen unsichtbaren Einfluß des cor- porativen Elements, in Folge dessen man so oft bemerkt hat, daß dieselbe Person in verschiedenen Versammlungen, Behörden rc. anderer Meinung, Stimmung, Richtung ward, andere Gesichtspunkte erfaßte, es werde der Magistrat in diesem großen Gemeindcrathe sehr oft überstimmt werden. Jndcß wie die Einrichtung jedenfalls in dem Punkte »uk 4 ganz unbe denklich ist, so kann sie auch in dem Punkte «ud l nicht wohl schaden und zuweilen nützen. Wir wurden sie entschieden misbilligen, wenn dabei dem Magistrate durch das Stimmenmehr in einer Versammlung, in wel cher die den bürgerthümlichen Gesichtspunkten gleichberechtigten obrigkeit lichen Gesichtspunkte an Zahl beiweitem die schwächer» sind, etwas aufge drängt werden könnte, was er nicht will. Aber da es sich vielmehr darum handelt, zu versuchen, ob für etwas, was der Magistrat will , auch noch die Zustimmung der Stadtverordneten zu erlangen ist, so sinken wir die Einrichtung nicht unzweckmäßig. Kommt die Sache auch jetzt nicht zu Stande, so steht sie nicht schlechter als außerdem. Halten die.Stadtver ordneten den Vorschlag für unthunlich, so haben sie das beste Mittel, ihn definitiv zu vereiteln. Durchgehen kann er nur unter Zusammentreffen einer starken Majorität des Magistrats, in dem ja auch die bürgcrthum- lichen Elemente überwiegen, und einer starken Minorität — wenn sie sich nicht im Verlaufe der Berathungcn in eine Majorität verwandelt — der Stadtverordneten, und für solche Fälle dürfte denn doch eine gewisse Prä sumtion sprechen. Bei alle Dem aber möchten wir bedingen» daß es aus drücklich ausgesprochen würde, ein Begehren des Magistrats, waS auf Ge setz und Recht ruht, dürfe auch durch einen Beschluß des großen Gemeindc- rathS nicht zurückgewiescn werden, und dazu muß der Staat helfen. Das selbe gilt von dem Falle sub 3. Den Fall 8uk 2, der sich auf die Wah len der Stadtgeistlichcn, der Lehrer an den Stadtschulen, der Unterbcam- ten und nieder» Diener bezieht, halten wir für ganz ungeeignet, und sind überzeugt, daß er nur dazu führen könnte, das in der Theorie dcrStadt- ordnuna dem Magistrate zugesprochene und ihm auch in Wahrheit gebüh rende Wahlrecht sactisch in die Hände der Stadtverordneten zu übertra gen. Bei Wahlen läßt sich wenig mit Gründen ausrichten; da entschei den Stimmungen und Interessen, Gunst und Abgunst. Wir wollen daS Einspruchsrecht der Stadtverordneten nicht grade bestreiten, aber es sollte nur bei nachweisbaren gesetzlichen UnfähigkeilSursachen oder in besonderN Fqlli», wenn der unbefangene Schiedsrichter, den die Gemeinden in dem Staate besitzen, beipflichtet, durchgehen, nicht aber ohne weiteres den Stadtverordneten freistchen, gegen eine Wahl Einspruch zu thun, diesem durch ihr Stimmenmehr im „großen Gcmeinderath" entscheidende Kraft zu geben und so in vielen Fällen indircct die Wahl nach rhrent Willen zu erzwingen. — Einige weitere Bemerkungen über diesen interessanten Ent wurf behalten wir uns noch vor.