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ZUR EINF ÜHRU NG Richard Wagner legte in Paris 1840 dem Dirigenten Habeneck, dessen hervorragende Beethoven aufführungen ihm eine innere Hilfe in seiner äußeren Not sind, seine Faust-Ouvertüre vor, der aber mit dem „langen Rätsel“ nichts anzufangen .wußte. Die düsteren Töne, die Wagner dem vorangestellten Motto—gemäß einem Worte Fausts — anschlägt, sind noch nicht ganz seine eigenen Töne, die er erst später finden wird. Und auch die gewählte Form des Sonatensatzes mit seinen zwei Themen entspricht noch nicht seinen künftigen Freiheiten und Neuschöpfungen auf formalem Gebiet. Auch der spezifisch wagnersche Glanz des Orchesters ist noch nicht da. Trotzdem ist die Faust-Ouvertüre ein Werk, daß die Pranke des Löwen schon ahnen läßt, in dem schon, bei aller Abhängigkeit von Beethoven, der eigene Wuchs .\yagners nicht, mehr zu überhören ist. . Max Bruch (1838—1920) schrieb sein erstes Violinkonzert in g-moll op. 26 im Jahre 1866. Es ist dem großen Violinspieler dieser Epoche, Joseph Joachim, in Freundschaft zugeeignet. Über Joachim hinweg knüpfte Bruch freundschaftliche Beziehungen zu Brahms an. Mit diesen Zeitgenossen ist auch zugleich der Umkreis seines Schaffens beschrieben. Bruch ist eine starke Begabung der späten Romantik. Er ist ein hervorragender Melodiker, der durch den edleif Schwung seiner Melodien nicht nur die damalige Welt, sondern auch die heutige zu verzaubern vermag. Max Bruch schuf 4 Violinkonzerte, von denen das erste in g-moll bei weitem das beste ist. Manche Musikwissenschaftler sind sogar der Meinung, daß dieses Werk den Höhepunkt seines Schaffens darstelle. Bruch gliedert dieses, W<2rk in 3 Sätze, die er Vor spiel, Adagio und Finale nennt. Im Vorspiel ist der präludierende Charakter nicht zu überhören. Immer wieder versucht die Geige mit perlenden Läufen und freien, cadenzähnlichen Ein würfen, mit gebrochenen Akkorden und Oktavspiel ihre Kunstfertigkeit gleichsam anzuspielen. Bruch gibt der Geige, was der Geige zukommt. Im Adagio entfaltet sie die ganze Süße ihres Tones, im Finale beweist sie ihre Eignung zu kapriziösem Spiel, das sich in TrillerketteUj, in Terzen- und Dezimenläufen äußert. Das Werk ist über aus dankbar, aber es ist zugleich schön, so daß die große Vorliebe aller Geiger vpn Ruf für dieses Werk zu verstehen ist. Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809—1847) ist ebenso wie Mozart ein Liebling der Götter gewesen. Er besaß ein müheloses Vermögen zu schaffen, mit Leichtigkeit und Eleganz schrieb er seine Werke nieder. Sie sind aus einem glücklichen irdischen Dasein zu verstehen, dem alle Problematik fremd war und das verschont blieb von Not und Anfechtung. Aber auch in diesem gesicherten Leben gab es irgendwo eine Quelle der Schwermut, wofür eine Reihe von Sätzen aus seinen Werken Zeugnis ablegen. Etwa um 1830 unternahm Mendelssohn eine ausgedehnte Reise durch England und Schottland. Die dort auf genommenen Natureindrücke einer großartigen Landschaft, die seltsamen Sagen des dortigen Volks tums, die Sitten und Gebräuche erfüllten sein Inneres sehr, so daß er sich gedrängt fühlte, eine Sym phonie zu schreiben. Die Symphonie Nr. 3 in a-moll, op. 56, auch die Schottische genannt, ist die Frucht jenes Erlebens. Mendelssohn, dem das Musikhandwerkliche so leicht fiel und dem die Form keine Probleme aufgab, hatte als Klassizist eine starke Bindung an die musikalische Klassik. Er unterwirft sich also ganz dem Gesetz der Symphonie. Der erste Satz (Allegro un poco agitato) ist eingeschlossen von einem langsamen Vor spiel und einem kurzen, ihm ähnlichen Nachspiel. Das erste Thema prägt den Charakter dieses Satzes. Das weibliche Thema kommt demgegenüber gar nicht recht zur Geltung. In der Durchführung begegnet man dem ersten Thema auf Schritt und Tritt. Der zweite Satz ist ein leicht dahinhuschendes Scherzo, welchem die Holzbläser ihre Farbe verleihen. Im Adagio vermeint man die wohlvertrauten Klänge der Lieder ohne Worte zu hören. Den Schlußsatz baut er nochmals in Sonatenform auf, deutlich heben sich die beiden Themen voneinander ab. Johannes Pa\il Thilmann