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Die „Egmont“-Ouvertüre ist ein Teil der Bühnenmusik, die Beethoven zu Goethes Trauerspiel geschrieben hat. „Aus Liebe zum Dichter“, den er so sehr verehrte, von dem er einmal sagte: „Die Verehrung, Liebe und Hochachtung, welche ich für den einzigen, unsterblichen Goethe (Göthe, schrieb Beethoven) von meinen Jünglingsjahren schon hatte, ist immer mir geblieben, so was läßt sich nicht wohl in Worte fassen, besonders von einem solchen Stümper wie ich, der nur immer gedacht hat, die Töne sich zu eigen zu machen.“ Um so schwerer wiegt das Urteil Marianne von Willemers, der Suleika des „Westöstlichen Divans“, über die Musik zum „Egmont“. Sie schrieb an den Dichter: „Er hat Sie ganz verstanden; ja man darf fast sagen, derselbe Geist, der Ihre Worte beseelte, belebt seine Töne.“ Die Ouvertüre charakterisiert in der langsamen Einleitung mit herrisch hin gesetzten Akkorden die Despotennatur Albas, der die Geißel über dem niederländischen Volke schwingt. Das Allegro schildert dann den Kampf Egmonts, der das Symbol des unterdrückten Volkes, das Symbol der freiheitlichen Gesinnung ist, gegen die brutale Gewalt, deren Motiv immer wieder hereindrängt, zuletzt noch einmal mit herrischer, trotziger Gebärde, als habe sie gesiegt. Aber das folgende Allegro con brio mit seinem gewaltig ausbrechenden Jubel (die „Siegessinfonie“, die Goethe von seinem Musiker verlangt hat) belehrt uns, daß die Idee der Freiheit ewig ist. Beethoven, der schon früh die Absicht hatte, ein Violinkonzert zu schreiben, ohne über einen Torso gebliebenen Versuch hin auszukommen (das Bruchstück wurde später von Josef Hellmes- berger, dem Wiener Geiger, sehr frei bearbeitet und ergänzt), hat für die Geige im Jahre 1802 die beiden Romanzen geschrieben, die heute noch gerne gespielt werden, außerdem aber hat er uns das Violinkonzert in D-Dur geschenkt, das zu den wenigen seiner Art gehört, die in den Konzertsälen heimisch geworden sind. Wenn man dagegen die Zahl der Klavierkonzerte bedenkt! (Mit den Cellokonzerten steht es ähnlich.) Dabei hat dieses Konzert nach seiner Uraufführung das Schicksal so vieler „zeit genössischer“ Musik erfahren müssen: es wurde abgelehnt. In der Wiener Theaterzeitung hieß es damals: „Der vortreffliche Violinspieler Clement spielte unter anderen vor züglichen Stücken (!) auch ein Violinkonzert von Beethoven, das seiner Originalität und mannigfaltigen schönen Stellen wegen mit ausnehmendem Beifall aufgenommen wurde... Das Urteil von Kennern... gesteht demselben manche Schönheit zu, bekennt aber, daß der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine, und die unendlichen Wieder holungen einiger gemeinen Stellen leicht ermüden könnten.“ Damit war, wie Andreas Moser in seiner „Geschichte des Violinspiels“ ausführt, „das Schicksal des Stückes auf Jahrzehnte hinaus besiegelt; denn alle Versuche, ihm in den Konzertsälen Bürgerrecht zu erwerben, erzielten zunächst nichts weiter als mehr oder wenig kühle Achtungs erfolge“. Erst später setzte es sich durch. Dann aber um so gründlicher. Es ist heute wohl das am meisten gespielte Violinkonzert. Interessant ist, daß Beethoven auch eine Bearbeitung als Klavierkonzert herstellte. Wir können daraus schließen, daß er selbst dem Werk großen Wert beilegte. Das reiche Gedankenmaterial des ersten Satzes wird zuerst vom Orchester vorgeführt, bis sich dann, nach dieser langen Einleitung erst, die Solovioline am „Konzertieren“, an dem Wettstreit der Instrumente beteiligt. Schon hier vermeidet Beethoven alles rein Vir tuose, die Thematik ist von seelenvoller Getragenheit. So kann man kaum von einem ersten und zweiten Thema sprechen, eher von zwei Gesangsthemen — wie es dem Charakter der Violine, der singenden Königin des Orchesters, entspricht. Erst recht im langsamen Satz, der ein einziger Wechselgesang zwischen Orchester und Solovioline ist. Erst das Schlußrondo bringt einen virtuosen Zug in das Werk, der lebhafte Sechs- achtel-Rhythmus des Hauptthemas, die beweglichen Sechzehntelfiguren der Zwischen themen bringen das ohne weiteres mit sich, ohne daß sich der Komponist in leere Spielereien verliert. Mit einem Überraschungseffekt schließt der Satz: verklingende Bläserakkorde, eine Andeutung des Hauptthemas im Pianissimo der Solovioline, und dann zwei kräftige Schläge des vollen Orchesters, der Vorhang fällt. Dr. Karl Laux. Violinkonzert Ouvertüre zu .Egmont"