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ros« — Am 24. Aug. bildete ein großartiger, fast unübersehbarer Fackclzug eine imposante Vorfeier des großen Festes in Darmstadt. In einer der vorder» Abrhcilungcn bemerkte man die Schüler des Gymnasiums, der höhcrn Gemerbs- und der Realschule, die Zöglinge der städtischen Knaben- und Mädchenschulen, dann den Bauernstand, auf dessen Fahnen die segensreichen, die Emancipation des LandbaueS vermittelnden Rcgie- rungsactc des Großhcrzogs Ludwig I. prangten: „Aufhebung der Leib eigenschaft, Frohndfreihcit, Verwandlung der Zehnten, Aufhebung der Steuerfreiheit." Dann die Zünfte und Gcwerbsleute. Endlich die Staats behörden und die Veteranen. Der Prälat Köhler und der Gcheimrath Schenk hielten Festreden. **ÄUS Holstein, 24. Aug. Es ist hier im Allgemeinen sehr ausge fallen, daß bei dem kürzlich über die bei den vorjährigen Unruhen in Itzehoe betheiligten Dragoner gesprochenen Urtel (Nr. 222) die Strafe zum Theil in Verlängerung der Dienstzeit der Soldaten besteht. Man fragt mit Recht, wenn man es in allen civilisirtcn Ländern von Alters her als eine Ehre angesehen hat, die Waffen für Herrscher und Vaterland zu tragen und es für den schönsten Beruf zu halten, der dem Manne zu Theil werden kann, im Frieden über Sitte und Ordnung zu wachen, im Kriege zum Schutz alles Dessen, was uns lieb und theuer ist, zu dienen, wie man cs dann als eine Strafe zucrkenncn kann, die Dauer des Militair- dienstes zu verlängern. Das preußische Militairgcsetz erklärt sehr richtig diese Strafe für unvereinbar mit den über die Verpflichtung zur Verthei- digung des Vaterlandes bestehenden Grundsätzen, und wer sich dort auf eine öder die andere Art unwürdig bezeigt, diesem Ehrenstande anzugc- hören, wird aus dem Militair ausgestoßcn. Freilich könnte man bei uns noch mehr als irgendwo anders versucht werden, den Militairdicnst als eine Strafe anzuschen, weil das Gesetz den Soldaten noch nicht hin länglich vor Schimpfreden und Stockschlägcn sichert; aber mit festem Ver trauen darf man erwarten, daß' auch unserm Soldaten in gleichem Maße wie andern Untcrthancn seine heiligsten Güter garantirt werden. Diese Hoffnung liegt um so näher, als ein Gesetzentwurf über allgemeine Wehr pflicht den Ständen bereits vorliegt, bei welchem, außer so manchem An dern, was bei demselben wol noch der Ergänzung und Umbildung bedarf, jene Rücksichten wol auch ganz besonders ins Äuge gefaßt werden. *Altenlmra, 27. Aug. Die in öffentlichen Blättern jczuweilcn wicderkchrenden Besprechungen über die Frage, inwieweit es zweckmäßig sei, sogenannte Hazardspiele überhaupt oder zu gewissen Zeiten poli zeilich zu gestatten, haben auch für unsere Stadt ein gewisses Interesse, da bekanntlich zwei Mal im Jahre, während des Noßmarkts und Vogel schießens, dergleichen Glücksspiele betrieben werden dürfen. Wir wollen hier von der Beantwortung jener Frage abschcn und auch die nicht sel ten laut werdende Behauptung, daß in jener Crlaubniß eine angeblich sehr ergiebige Quelle für städtischen Gewinn liege, indem dadurch zahl reiche Fremde herbeigezogen würden, nicht weiter besprechen. Daß indeß auch hierorts die Hazardspiele ihre Opfer fodcrn, dafür möge ein Zeug- niß aus einem sächsischen Blatt einen Platz hier finden. Es heißt dort wörtlich: „Der 18jährige Sohn eines hiesigen (königl. sächsischen) Bauer- gutsbesihcrs, ein talentvoller, wohlunterrichteter, obwol ziemlich leichtsinni ger Mensch, der in kurzem auf eine mcdicinischc Landesanstalt zu weiterer Ausbildung abgchensollte, begab sich in mehrtägiger Abwesenheit und wider Wissen und Willen des Vaters am 20. Jul. nach Altenburg. Sein Zweck war kein anderer, als im Spiele sein Glück zu versuchen. Allein er spielte mit dem entschiedensten Unglück und mag eine ansehnliche Summe Geldes verloren haben. In Verzweiflung darüber verläßt er — muth- maßlich am 23. Jul. — die Unglücksstadt, jedoch nicht, ohne sich zuvor ein Terzerol gekauft zu haben. Bittere Reue und völlige Verzweiflung im Herzen kommt er bis in das seinem Vater zugehörige Holz. Hier, bevor er den tödtlichcn Streich gegen sich selbst fuhrt, schreibt er mit Bleistift auf mehre Blätter Papier ein Lebewohl an die Seinigen — zum Theil in gebundener Rede —, worin er ausdrücklich und wiederholt sagt, daß das unselige Spiel ihn bis zum Aeußerstcn'gebracht Habe, und zugleich die Seinen bittet, für ihn zu Gott um Gnade zu flehen, daß er es wage, ungerufen zu kommen." — Am 27. Aug. ist in .Braunschweig folgende Bekanntmachung vcr öffcntlicht worden : „Wilhelm, von Gottes Gnaden Herzog zu Braunschweig und Lüne burg re- Demnach wir uns bewogen gefunden haben, statt des bisher ge bräuchlichen Prädicats Durchlaucht das Prädicat Hoheit für uns und un sere Nachfolger in der Regierung von jetzt an anzunehmen, so wollen wir solches unsern getreuen Untcrthancn hiermit zur Nachachtung bekannt machen. Urkundlich ic. Braunschweig, 22. Aug. 1844." Preußen. Herlin, 28. Aug. Auf seiner Durchreise nach Königsberg traf der Minister Eichhorn am 21. Aug. in Marienwerder ein, besichtigte unmittelbar nach seiner Ankunft daselbst die Domkirchc, wohnte am Tage darauf einer Session der Negierung bei und ließ sich die Stadtbehördcn, die Geistlichkeit, die Lehrer des Gymnasiums und der Stadtschule sowie die dortigen Aerzte verstellen. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfah ren, hat sich der Minister gegen die Geistlichkeit zu Marienwerder im to leranten Sinn ausgesprochen und erklärt, daß er der Mannichfaltigkeit der Bewegungen auf dem theologischen Gebiete keineswegs abhold sei, die selbe vielmehr gern sehe. In der Rcgicrungösession bezeichnete er das gewaltsame Aufstrcbcn der untern Volksklassen als ein Hauptübcl der Zeit, das man durch religiöse Erziehung und Wohlthätigkeit hemmen müsse. Den Lehrern der Stadtschule gab er seinen Willen zu erkennen, daß künf,' tig der Religionsunterricht durch alle Klaffen nur von Einem Lehrer er thcilt werden solle; dieser Unterricht sei der Haupt- und Grundpfeiler der Schule, alle übrigen Lehrgcgenstände müssen als minder wichtig zurück- trctcn. Auch den Behörden der Stadt empfahl er, der Beförderung des rrligiäscn Elements in der Schule die größte Sorgfalt zu widmen, weil nur dadurch die cindringendcu Uebel der Zeit zu bewältigen seien. In Betreff des Gymnasialunterrichts soll der Minister verschiedene Bemerkun gen über das philologische Fach gemacht und sich im Ällgcmcincn gegen das zu minutiöse Treiben der Grammatik geäußert haben. „Finstere Strenge und priesterlicher Eifer, so wird aus Marienwerder geschrieben, waren an dem Minister durchaus nicht wahrzunchmcn; vielmehr hat er auf Alle, die mit ihm in Berührung gekommen sind, durch sein mildes und humanes Wesen einen vortheilhaftcn Eindruck gemacht. Ueberall zeigte er sich mit den Gegenständen seines Refforts wohlvcrtraut, und in meh ren Fällen, welche bei der Session zum Vortrage kamen, überraschte er durch ganz specielle Kenntniß der Personen und Sachen. Der Minister sah übrigens leidend aus, und cs ist zu fürchten, daß die.großcn Anstren gungen, die seiner in Königsberg warten, nachtheilig auf seine Gesund heit einwirkcn werden." In Elbing traf der Minister am 23. Aug. ein und setzte nach einigen Stunden die Reise nach Königsberg fort. ** Herlin. 28. Aug. Aus der gestrigen Spcncrschen Zeitung ersehen wir, daß der Plan einer Colonisation aufdcrMosquitoküste eifrig betrieben wird. Das zu dieser deutschen Colonie auserschene Land liegt danach in Mittclamcrika, in der Umgegend des Cap Gracios a Dios und beträgt ein Scchstheil weniger als ein Quadratgrad, also etwa 189 Qua- dratmcilen, waS einen Flächenraum ergibt, welcher mindestens so groß ist wie das Großhcrzogthum Hessen, und über eine Million Menschen ernäh ren könnte. Den vorläufigen Mitteilungen zufolge ist das Land durch aus culturfähig, bringt alle tropischen Gewächse in üppiger Fülle hervor und liefert außerdem sehr schönes Bauholz, Holz für Tischlerarbeiten, ver schiedene Erze rc. Eine Privatgesellschaft (welche der Belgier Hr. d'Ha- nens ins Leben gerufen) will den Ankauf übernehmen und die Colonisa tion besorgen; der Morgen («or«) Landes soll im ersten Ankäufe lüSgr. kostens?)- Die Mosquitoküste stand im Allgemeinen bisher in schlechtem Rufe, doch soll dieser nicht gegründet sein und von Speculantcn, welche die Erwerbung hindern wollten, hcrrühren. Um die Wahrheit fcstzustel- Icn, hatten sich mit Unterstützung hoher Personen der Rcgierunqsrath Fcllechner, ein Krcisphysikue und ein Kaufmann aus Stettin nach Guate mala begeben. Sie sind bereits auf dem Heimwege, doch lauteten die von ihnen eingcsandtcn Berichte sehr günstig. „Ein Blick auf die Land karte (sagt die Spcn. Ztg.) wird ergeben, wie außerordentlich wichtig eine solche Colonie in diesen Gegenden werden muß, sobald einer der Pläne für die Kanalisirung der Landenge zwischen dem Atlantischen Ocean und dem Stillen Meere zur Ausführung kommt. Außerdem wäre für eine deutsche Flotte, für den deutschen Handel nach Amerika hier der erste, feste Anhaltepunkt gegeben, und cs licßc sich mit gutem Grunde erwar ten, daß der Deutsche Zollverein der Colonie erhebliche Vorzüge bewilli gen würde." Äönigsftcrg, 23. Aug. Die Gasthäuser und Conditoreicn wim meln schon von angckommcnen Commilitvncn, die ihrePrivalfcstc und Conversationcn in traulichen Kreisen lebhaft begonnen haben. — Das At tentat vom 26. Jul. fördert immer noch merkwürdige Erscheinungen an den Tag, die um gewisser Persönlichkeiten willen, die sich dabei ganz von innen nach außen kchrcn, veröffentlicht zu werden verdienen. Es ist schon früher in dieser Zeitung (Nr. 117) erwähnt, daß der Schauspiel- dircclor Tietz trotz seiner vielfachen Verdienste um die hiesige Bühne sich nie so recht in die Gunst des Publicums zu setzen vermochte, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil cs'zu dem einst für russische Interessen so zärtlich eingenommenen Lcgationsrathe nie festes Zutrauen faßte. Lei der hat cs sich in diesen Tagen bestätigt, wie feinfühlend das königs- bcrgcr Publicum in Beurtheilung von dergleichen Dingen ist. Ein aus Dänemark übergcsicdelter, hier seit einer Reihe von Jahren ansässiger an gesehener Kaufmann M., zu den intelligentesten jungen Geschästsmän- ncrn gehörend, soll, wie die Fama erzählt, bei Gelegenheit des Atten tats einige unpatriotischc Aeußcrungcn gcthan haben, was aber durchaus nicht constatirt ist und nur durch einen Zeugen weiter verbreitet wurde. Hr. Tietz, kaum einige unzusammenhänacnde Phrasen vernehmend, eilt zum Polizeichcf und dcnuncirt Hrn. M. als gefährlichen Demagogen. Mit seiner Direktion ist cs nun bestimmt zu Ende, und Niemand mag nun weiter mit einem solchen Mann in Berührung treten.. Zum künfti gen Thcaterchef ist entweder Hr. Degen, ein früheres Mitglied unserer Bühne und nun ansässiger Bürger (ehemals Referendar), oder der jetzige Regisseur Schunke dcsignirt. Die Verlegenheiten, die sich durch dieses seltsame Ercigniß erzeugen, sind vielfach. Daß die Studenten nach dieser Äffairc mit Hrn. Tietz nichts weiter zu thun haben wollen und demnach die gutgemeinten Idee, den „Langen Israel" zum Besten der Ucber- schwcmmten aufzuführcn, aufgcben werden, versteht sich wol bei so ehren haften jungen Leuten von selbst. Eine kleine Untersuchung, in die sie selbst unlängst wegen Zertrümmerung einer Büste in einem Gasthause ver wickelt waren, ist gütlich beigelegt worden, da die Büste, wie sich erge ben hat, die irgend eines gewissen amerikanischen Konsuls, keineswegs aber die eines frommen verehrten Fürsten gewesen sein soll. Dagegen ist die Untersuchung gegen Hrn. M. noch nicht zu Ende, und man ist auf die Entscheidung des Ministers v. Arnim, dem die Sache zur Bcurthci- lung einstweilen vorgelegt ist, mehr als gewöhnlich gespannt. Eine zweite, aber etwas erfreulichere Thatsache im Gefolge des be rüchtigten Mordversuchs wird mir soeben aus dem benachbarten Städt chen Angerburz zur Veröffentlichung mitgctheilt. Bei der Nachricht von dem vcrhängnißvollcn Ättentat auf das Leben des geliebten Mon-