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gel sein und nur in seltenen, den dringendsten Fällen, wenn jedes Ge genmittel erschöpft worden, Ausnahme leiden. So sprechen sie, wenn man ernsthaft mit ihnen von der Sache rehct, während Mancher, der so sprach und somit das Princip des Gesetzentwurfs ayerkannte, erst auch mit auf den Gesetzentwurf losgezogen hatte, wenn auch nicht in Artikeln und Broschüren, sondern nur nachredend. Der Hr. Correjpondent lebt vielleicht wieder in einem andern Kreis, und in der großen Metropole der Intelligenz mag Manches anders sein als in unsern Dörfchen. Wir mei nen aber doch, wenn er sich etwas außerhalb seines Kreises erkundigte und dabei den Leuten etwas auf den Grund zu fühlen verstände, so würde er in gar vielen Punkten über die „allgemeine Stimme" seine be- sondern Gedanken bekommen. Er weiß wol nicht, wie dergleichen ge machtwird, und daß in Deutschland fünf, sechs Leute so eine „allgemeine Stimme" zuwege bringen können, wenn sic in den Positionen dazu sind und sich etwas aus „Menschcnnatur" verstehen. Es geht viel leichter zum Schlechten als zum Guten. Das Gewöhnlichste aber ist dabei und der erste Grundstein, daß man recht dreist behauptet, man vertrete die „allgemeine Stimme", und wer hat das nicht Alles behauptet und wovon ist es nicht Alles behauptet worden! Das Princip jenes Gesetzentwurfs soll der „Sitte", einer ^unerschütterlichen" Sitte widerstrebt haben. Das Prin cip war: die Heiligkeit der Ehe und ihre Unauflöslichkeit als Regel, die Erschwerung vermeidbarer Scheidungen. Die „Sitte", der das wider strebte, wäre eine Unsitte, eine unsittliche Sitte, und sie müßte „erschüt tert" werden, sonst erschütterte sie den Staat und die Gesellschaft oder vergiftete sic. Der Staat ist nicht dazu da, daß er vor dem zur „Sitte" gewordenen Verderbniß, vor Laster und Thorheit zurückweichc, sondern daß er sic bekämpfe, aufhebe, und breche und auch so eine sogenannte ^allgemeine Stimme" darf ihn da nicht irren, sie darf ihn in nichts irren, wo es sich um Pflicht und Gewissen handelt. LÄUS Schlesien, 16. Jun. Die unmittelbaren Folgen unserer Wcbcrunruhcn sind traurig genug: zerstörte Häuser, 15 Verwundete, I I Todte, einige 60 Verhaftete, wie viel Jammer, Noth und Elend be greifen diese wenigen Worte in sich. In den thörichtstcn, unverantwortlich sten Ucbertreibungcn haben wir feit längerer Zeit von der Noth unserer Weber hören und lesen müssen, Deutschland ward zur Hülfe aufgerufcn, und insofern sich im Darreichen von Gaben eine edle Gesinnung kund gibt, ist eine solche weit und breit offenbar geworden. Irren würde man, wollte man die beklagenswerthen Austritte, die stattgefunden haben, der Noth der Weber zuschreiben, die in dem geschilderten Maße gar nicht, am wenigsten aber so allgemein stattgefundcn hat, wie angegeben worden ist. Die Weber litten nicht mehr Noth als alle übrigen Tagelöhner, die aus der Hand in den Mund leben, zu einer Zeit, wo der Arbeit we nig, die Concurrcnz groß, die Lebensmittel aber ungewöhnlich theucr wa ren. War ihre Bedrängniß größer als die der bezeichneten Klassen, so kam sie zum großen Theil her aus ihrer Unbehülflichkeit, Ungeschicklich keit, ihrem Widerwillen gegen jede andere Arbeit. Hunderte von We- bcrburschen und Webermägdcn würden vom Bauer bereitwillig in Dienst, in Arbeit genommen worden sein, hätten bei Straßenbautcn und sonst Beschäftigung gefunden; aber sie hätten streng arbeiten und gehorchen müssen, und sic wollten nur so viel akbeiten, als ihnen gefiel, und nur so lange, als ihnen recht war, nach Lust und Belieben, Tabäck rauchen, Kar ten spielen und tanzen. Jedes rauhe Lüftchen scheuend und jeden Regen tropfen, die Hacke und den Spaten nie zur Hand nehmend, die Beschäf tigung, die sic nähren sollte, kaum kennend, wurden sic zu Allem untaug lich, weil sie sich selbst zu nichts Anderm geschickt machen wollten. Der ordentliche, fleißige Weber, der sein Gewerbe verstand und mit Ernst und Redlichkeit trieb, hat keine Noth gelitten, keine andere, als die der un vermeidliche Lauf der Zeiten mit sich brachte und von je her mit sich ge bracht hat. Von Bedrückungen der Fabrikanten ist vielfach die Rede ge wesen, und sic mögen vorgekommen sein, allgemein aber gewiß nicht, und so Vieles, was darüber geschrieben worden ist, gehört in das Reich der Gerüchte, und die Verkündiger derselben würden in nicht geringe Verle genheit gerathcn, sollten sie die Personen und die Thatsachen näher be zeichnen und ihre Angaben begründen. Richtig ist, daß der Fabrikant, oder vielmehr die Söhne und die Diener des Fabrikanten Zwanziger sich ein sehr rauhes, vielleicht ein rohes Betragen gegen ihre Arbeiter erlaubt haben, daß sie das geringste Arbeitslohn in der Gegend zahlten, daß sic unvorsichtig, ja ungemesscn sich geäußert haben. Aber die Noth hat die Weber nicht zu dem ruchlosen Unternehmen getrieben. Noch ist die Un tersuchung im Gange, jeder Bericht über ihr Resultat märe am Ende voreilig; aber sowol der Negierungscommissar wie die Offiziere, die das Militair befehiigt.cn, haben sich überzeugt, daß die große Mehrzahl der verhafteten Personen nicht nur keine Noth litt, sondern sich in einem Zustande befand, den man.mit Wohlhabenheit bezeichnet, wenn nämlich der Besitz guter, reinlich gehaltener Betten, ordentlicher und genügender Hausrath, gute Kleider, volle Kisten ein Kriterium für Wohlhabenheit ab- gcben; ja, grade bei solchen Leuten hat man viel des geraubten Gutes gefunden, wie überhaupt die Plünderung auf eine Art stattgefundcn hat, die ruchloser gar nicht gedacht werden kann. Leider, leider muß man sagen, daß die übertriebenen Schilderungen von der Noth der Weber, die in Wahrheit oder in solcher Ausdehnung wenigstens nicht begründeten Angaben über die Bedrückungen der Weber durch die Kaufleute, die un geschickt genug in den Wirthshäusern aus den Zeitungen vorgetragcn wor den sein mögen, von Leuten, die gesetzlos zu leben gewohnt waren, zu Aufregungen benutzt worden sind, die böse Früchte getragen haben und ferner noch tragen werden. Aus den beunruhigten Ortschaften ist das Militair mehrentheils zu rückgezogen, auch der Oberpräsident v. Merckel hat die Gegend wieder verlassen und befindet sich in Breslau. Er soll sich sehr darüber betrübt haben, daß das Militair erst habe einschrciten müssen, gewiß ist, daß er den Civilbehörden darüber, daß sie ihre obrigkeitliche Macht nicht besser gebraucht und angewcndet haben, seine große Mißbilligung zu erkennen gegeben hat, und allerdings ist es auffallend, daß es in Ortschaften wie Pcteröwaldau und Langenbiclau — letzteres zählt 12,000 Einwohner— nicht möglich gewesen sein sollte, des heranstürmcnden Gesindels durch Aufbie tung der Wohlgesinnten Herr zu werden. Indessen dies ist zu eng mit der mangelhaften Polizeiverwaltung auf dem platten Lande verbunden, und wohl uns, wenn die betrübenden Vorfälle dazu dienen, hierin eine Umgestaltung zu Wege zu bringen. Hat doch der Oberpräsident vor 3t Jahren in diefer Gegend, und wol M derselben Zeit, durch seine Ent schlossenheit, durch seine energische Erklärung, die verbündete Armee, die sich nach Polen zurückziehcn wollte, in Schlesien zu ernähren, wöscntlich dazu bcigetragcn, die großen Zwecke des Befreiungskrieges zu fördern; damals war er im schönsten Manncsaltcr, könnte er als Greis wol er folgreicher wirken, als wenn er aus den Vorgängen, die, wie Graf San- dreczky wahr und richtig sagt (Nr. 164), uns schänden, Motive zur Or- ganisirung der Polizei auf dem Lande Hernähme?! Äöln, 15. Jun. In der Sitzung des hiesigen Assiscnhofes vom 8. Jun. wurde ein Fall verhandelt, der wegen hier fast unerhörter Sel tenheit und als das erste zur Bcurtheilung des Geschworenengerichts ge langte Vvrkommniß ähnlicher Art Aufmerksamkeit erregte. Im Dccem- ber v. I. entdeckten zwei Bahnwärter der Rheinischen Eisenbahn, als sie früh Morgens in der Dämmerung die Fahrstrecke zwischen Köln und Müngersdorf revidirtcn, eine sogenannte Pioche oder Hacke und in einiger Entfernung davon einen sechs Fuß langen schweren Hcbcbaum, welche au genscheinlich mit Vorsatz dergestalt quer über die Schienen der Fahrbahn hingclegt waren, daß der, eine Stunde später von Köln nach Aachen fah rende Zug unfehlbar dadurch aus den Schienen geworfen sein würde. Der Verdacht wegen dieses so glücklicherweise noch zeitig gewahrten, überaus gefährlichen Bubenstücks fiel gleich auf den 2!jährigen F—, Acker knecht in dem benachbarten Dorfe N—> einen vormaligen Arbeiter an der. Eisenbahn, der, wegen Ordnunaswidrigkeiten seiner Zeit verabschiedet, Dro hungen kund gegeben und erst Abends vorher noch den Versuch gemacht hatte, gegen ein altes ungültiges Billet die Fahrt auf der Bahn von Müngersdorf nach Köln mitzumachcn, jedoch zurückgewiesen worden war. Fußstapfcn, die sich am Orte des Frevels zeigten, führten bald näher auf die Spur, da sie zu den in Beschlag genommenen Stiefeln des Ver dächtigen bei sorgfältiger Vergleichung so vollkommen passend gefunden wurden, daß man die Ueberzeugung gewann, sic könnten nur von diesen Stiefeln herrühren. Andere aus der gerichtlichen Untersuchung hervor- gchende Umstände vermehrte» den Verdacht gegen den, überhaupt keines günstigen Rufes sich erfreuenden, auch bereits wegen Diebstahls bestraf ten F— in dem Maße, daß derselbe unter der Anklage: „am 28. Dec. 1843 vorsätzlich auf der Fahrbahn der Rheinischen Eisenbahn zwischen Köln und Müngersdorf zwei hölzerne Werkzeuge auf die Schienen hingclegt und durch diese Hindernisse den Transport auf der Bahn absichtlich in Gefahr gesetzt zu haben", vor den Afsisenhof verwiesen wurde. Die Ge schworenen erklärten den Angeklagten nach Inhalt der Anklage für schul dig, vorsätzlich die fraglichen Werkzeuge auf die Schienen hingelegt und durch diese Hindernisse den Transport auf der Bahn in Gefahr gebracht zu haben; fanden es jedoch nicht erwiesen, daß er die Gefahr auch ab sichtlich habe hcrbeiführcn wollen. Der Gerichtshof vcrurthcilte hierauf den F— unter Anwendung des tz. I der Verordnung wegen der Bestra fung der Beschädiget der Eisenbahnanlagen vom 30. Nov. 1840 zu fünf jähriger Zuchthausstrafe. (Köln. Z.) — Das Schweidnitzcr Krcisblatt enthält eine Aüffoderung des königl. Kommissars v. Kehler zur Zurückgabe der bei den Unruhen geraubte» Sachen. Spanien. * Paris, 15. Jun. Der Entwurf der Decrcte über Auflösung der bisherigen und über Zusammcnbcrufung neuer Cortes ist von bcm Mi- nistcrrathe nach Barcelona geschickt worden, wo er der Königin zur Un terzeichnung, vorliegt. Der von dem Cabinct beschlossenen Annüllirung des Tabacksdccrets soll Isabella U ihre Bestätigung versagt haben, eine Weigerung, die um so auffallender ist, als das Ministerium bereits die Ein willigung der contrahircndcn Bankhäuser erhalten hatte. — Die Anklagen gegen den vormaligen Marineminister wegen Unterschleifs werden im mer lauter, und alle Tage kommen neue Beschwcrdcpunkte zum Vorschein, welche dem Verfahren des Hrn. Portillo einen höchst verbrecherischen Cha rakter unterlegen. Er scheint gestüchtet zu scm oder sich doch wenigstens versteckt zu haben. Die Königin, welche seit ihrer Ankunft in Barcelona sehr lei dend ist, hat ihre Badccur in dieser Stadt mit warmen Flußbädern begonnen; fpätcr wird sie Seebäder nehmen und zuletzt mit den Mine ralbädern von Caldas de Monbup enden. Unter diesen Umständen ist an ihre Rückkehr nach Madrid vor dem Spätherbstc nicht zu denken. Es heißt, daß nicht nur der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Mar quis. Viluma, in Barcelona bleiben wird, statt sich von dort nach einem Aufenthalte von wenigen Tagen nach Madrid zu begeben, sondern daß auch die übrigen Mitglieder des Cabinets nach der catalonischcn Haupt stadt berufen werden sollen, die dadurch für vier oder fünf Monate der eigentliche Sitz der Regierung werden würde. Was die Königin Chri stine betrifft, so macht sie wenig von sich sprechen. Die jetzt erfolgte öf fentliche Ankündigung der schon seit Monaten bekannten Erhebung des Hrn. Munoz zum Grande von Spanien und zum Herzog von Rianzarcs wird für den Vorläufer der Anerkennung der Ehe der Witwe Ferdi-