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Dienstag, den 24. Oktober 1961, 19.30 Uhr, Anrecht D 1. Kammermusikabend der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Ausführende: Aus den Quartetten op. 8 für Oboe, Violine, Viola und Violoncello Heinz Butowski, Oboe; Werner Metzner, Klarinette; Heinz Mann, Horn; Helmut Radatz, Fagott; Günter Siering, Violine; Günther Schubert, Violine; Herbert Schneider, Viola; Erhard Hoppe, Violoncello; Eleinz Schmidt, Kontrabaß Allegro con spirito Largo Rondo-allegro Streichquartett F-Dur op. 3 Nr. 5 Presto Andante cantabile Menuetto Scherz ando Oktett F-Dur op. 166 für Klarinette, Horn, Fagott und Streichquintett Adagio — allegro Andante un poco mosso Scherzo — allegro vivace Andante con variazioni Menuetto — allegretto Andante molto — allegro Johann Christian Bach 1735— 1782 Joseph Haydn 1732 1809 Franz Schubert 1797 -1828 ZUR EINFÜHRUNG Johann Christian Bach, der jüngste Sohn Johann Sebastian Bachs, wurde von seinem Vater und seinem Bruder Carl Philipp Emanuel musikalisch ausgebildet. 1754 reiste er nach Mailand und Bologna, wo er Schüler des berühmten Padre Martini wurde. Nach einer Domorganisten tätigkeit in Mailand siedelte er 1762 nach London über und wurde Musikmeister am Hofe. Mit dem bedeutenden Gambenspieler K. F. Abel gründete er 1764 die zu hohem Ansehen gelangenden ,,Bach-Abel-Konzerte“. Er hinterließ zirka 20 Opern, 2 Oratorien, zahlreiche Kantaten, Sinfonien, Klavierkonzerte, Klaviersonaten, Quartette, Sextette, Trios usw. Ob wohl zu Lebzeiten berühmter als alle Angehörigen der Familie Bach zusammen, vergaß die Nachwelt sehr rasch Persönlichkeit und Schaffen des ,,Mailänder“ oder „Londoner“ Bach, wie man ihn nach seinen Wirkungsstätten nennt. Erst der Musikwissenschaft des 20. Jahr hunderts gelang es, die musikgeschichtliche Position Johann Christian Bachs deutlich heraus zustellen und ihm als einen durchaus bedeutenden Meister des galanten Zeitalters Wert schätzung zu verschaffen. Vor allem wurde mit Recht auf seine eminente Anregerrolle gegenüber Wolfgang Amadeus Mozart hingewiesen, der seinem Vater einmal in einem Briefe schrieb ich liebe ihn (wie Sie wohl wissen) von ganzem Herzen und habe Hochachtung für ihn . . .“ Stilistisch spiegeln sich in Johann Christian Bachs Werken die formalen Er ¬ rungenschaften der sogenannten Mannheimer Schule und der verspielt-anmutige Ausdrucks charakter der galanten,an französischem und italienischem Geschmack orientiertenZeitmanier. Die Gruppe der 6 Quartette op. 8 für Flöte (oder Oboe), Violine, Viola und Violoncello (cder Streichquartett) weist eine typische Zweisätzigkeit auf. Die einzelnen Sätze sind locker, suitenhaft, ohne eigentlichen inneren Zusammenhang aneinandergereiht, wodurch es möglich wird — wie in unserem Falle—, eine Zusammenstellung der wertvollsten Sätze in einem Quartett für Oboe, Violine, Viola und Violoncello zu bringen. Die den heutigen Abend er öffnenden Sätze entstammen den Quartetten Nr. 1, 3 und 5 aus op. 8 und bedürfen in ihrer problemlosen, liebenswürdigen Musizierhaltung der galanten Zeit keiner Erläuterungen. Joseph Haydns frühe Streichquartette op. 3, bereits im Dienst des Fürsten Esterhazy ent standen, sind noch keine Quartette im klassischen Sinne, sondern atmen eher den Geist der rokokohaften Divertimenti und Kassationen. Dennoch zeigt diese Wei kgruppe gewisse Fort schritte gegenüber jenen Formen. Die Satzzahl ist beschränkt. Die einzelnen Sätze erfahren eine liebevollere, prägnantere Gestaltung, vor allem die Kopfsätze, in denen schon Ansätze zu motivisch-thematischer Entwicklung zu finden sind. Gegenüber den Divertimenti fällt hier auch eine gewisse Einheitlichkeit und Geschlossenheit der Thematik auf. Das Streich quartett op. 3, Nr. 5 in F-Dur wird von einem frischen, breit ausgeführten Presto-Satz mit volksliedhafter Melodik eröffnet. Das Hauptthema entfaltet sich aus einem Kernmotiv und wird abschnittsweise auf die verschiedenen Instrumente verteilt und gegensätzlich dynamisch betont. Die Exposition bringt auch einen Seitengedanken. Melodisches Auskosten und mo tivische Verwandlungen kennzeichnet die kleine Durchführung, an der alle Instrumente gleichermaßen beteiligtsind. Dem 2. Satz (Andantecantabile)mit seiner berühmten, lieblichen Serenadenmelodie der ersten Violine zur Pizzicatobegleitung der übrigen Instrumente ver dankt dasWerkseinen Namen ,,Serenaden-Quartett“. Urtümlich daherschreitet das Menuett, in dessen Trio die Bratsche zu schweigen hat. Das spritzige Scherzando-Finale versetzt den Hörer in heiter-gelöste Stimmung. Franz Schubert schrieb sein großes sechssätziges Oktett für Streichquartett, Kontrabaß, Kla rinette, Horn und Fagott op. 166 im Februar 1824 auf Wunsch des Grafen Ferdinand Troyer, eines komponierenden und Klarinette blasenden Dilettanten, der auch bei der privaten Ur aufführung des Werkes selber den Klarinettenpart übernahm. Dieser Auftraggeber war es vermutlich auch, der ausdrücklich gefordert hatte, daß das neue Opus „genau wie das