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Sonnabend — Nr. 55 --— 24. Februar 1844 WM Deutsche Allgemeine Zeitung. ZWL »Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesstz!» Ueve»vki«k. Zveutfchlanb. —Vom Main. Der Proceß gegen Murhard. "Mün chen- Kirchenzwang in Lirol. Der König- f München. Der Winter. Die Theurung. Verletzung von Kunstwerken. Karlsruhe. Ständisches über Censurverfahren- Sachsen-Weimar. Landtagspropositionen. "Al tenburg. Gustav-Adolf-Verein. Laufe eines Juden- Preußen. ""Lcrlin. Neue Uniform der Polizeibcamten. Die Münzdicbe. Der Carneval. ch Königsberg. Der Gustav-Adolf-Verein. Justizcommis- sar Rhau- vr. Jacoby. Brandunglück. "Posen. Haussuchungen bei den Polen. Die Ausweisung. "Köln. Der Carneval. Düsseldorf. Carneval. — Oeffentlichkeit der Verhandlungen der Stadtverordneten in Frank furt a. d. G- Spanien. "Paris. Die Ministeriellen. Der Flnanzministcr. Die Unter suchungen- Dyn Francisco de Paula. Die portugiesischen Unruhen. Alicante. Großbritannien. Der Proceß O'Connell. Das Marinebudget. "Lon don. O'Connell in London. Das Austreten der Journalisten aus dem Repealverein- Frankreich. Die Vorgänge auf Otaheiti. Gesetzentwurf über die Zinsen der griechischen Anleihe. Gay-Lussac- ""Paris. Spaltung der Parteien bei der Eisenbahnfrage. Schweiz. Die bedrängten Protestanten. Italien. s-Aom. Consecration der Bischöfe. Carneval. Hohe Gäste. Gerüchte. Rußland und Polen, "Jurburg. Milderungen in Betreff der Juden verweisung. Griechenland. -HAthen. Kolettis über die Bürgerrcchtsfrage. Moldau und Walachei. sKukarescht. Die Generalversammlung. "Galacz. Das Gerücht von einem Auflauf in Galacz. Haiti. Die neue Verfassung- Perfonalnachrichten. Wissenschaft und «unst. "München. Der Kunstverein. "Wien. Die Schriften über Oesterreich. — Lesevercin der Studenten in Bonn. — Vr. Grabau. — Der Violoncellist Bohrer- Handel und Industrie. * Kraunschweig. Die Eisenbahnen- — Ber lin-Potsdamer Eisenbahn. — Berlin. — Leipzig. Neueste Nachrichten. Paris. Nachrichten aus Spanien. Ankündigungen. Deutschland. Vom Main, 20. Febr. Der in Kurhcssen gegen einen geachteten politischen Schriftsteller cingcleitcte Jnquisitions proceß muß Vielen Anlaß geben, die vom Deutschen Bund im Jahr 1819 festgestelltc und noch jetzt in Kraft bestehende Preßgesetzgcbung sich ins Gedächtniß zu rückzurufen, um die Frage in Erwägung zu ziehen, ob nach derselben ein Mitarbeiter an einem unter Ccnsur eines deutschen Bundesstaates im Druck erscheinenden Werke in einem andern deutschen Bundesstaat einer Untersuchung und Verfolgung auf criminalistischcm Wege ausgesetzt sein könne oder werden dürfe. Der Hofrath I)r. Friedrich Murhard in Kassel befindet sich nämlich angeklagt „wegen verleumderischer öffentlicher Aeu- ßcrungen gegen die kurhcssischc Staatsreaierung und das kurfürstl. Ober- appellationsgcricht und Aufreizung zur Unzufriedenheit", und diese An klage ist gegründet worden auf eine Stelle in einer staatswissenschaftlichen Abhandlung über das Institut deS Staatsgcrichtshofs, die unter seinem Namen im XIV. Bande des Rottcck - Welcker'schen Staatslexikons ver öffentlicht worden ist. In dieser Stelle so wenig wie in der ganzen Aus führung des gedachten Themas findet sich zwar der kurhefsische Staat we der namhaft gemacht noch besonders bezeichnet; aber man hat vermeint, in jener Stesse Anspielungen auf frühere Vorgänge zu entdecken, die vor etwa einem Decennium in Kurhessen stattgehabt haben, und geglaubt, deshalb den Verfasser zur Verantwortung und zur Strafe ziehen zu müs sen. Es wird daher vor Allem darauf ankommen, näher zu prüfen, ob und inwiefern dieses Verfahren in dem vorliegenden Falle mit der gegen wärtig in Deutschland bestehenden positiven Gesetzgebung über die Presse in Einklang zu bringen sein dürfte. Denn da das in der 35. Sitzung des deutschen Bundestags im Jahr I8IS am 20. Sept, beschlossene Prcß- gcsctz von den Regierungen sämmtlicher deutschen Bundesstaaten vromul- airt und in deren Particulargesetzsammlungen ausgenommen worden ist, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dasselbe nach allen seinen Vor- * München, 18. Febr. Aus dem benachbarten Tirol erfahren wir von sehr strengen Maßregeln von Seiten der höchsten Behörden gegen mehre Gemeinden, die angeblich seit länger als Jahresfrist alle gesetzlichen Schritte gethan hatten, um die Erlaubniß zum Uebcrtritte zur evange lischen Kirche zu erhalten. Die Pfarrer, denen sie ihre gefaßten Be schlüsse zunächst zu verdanken hatten, waren ihnen dem Vernehmen nach schon früher genommen und andere dafür zugesendet worden. Jetzt heißt cs auch, die widerstrebenden Gemeinden würden durch gerichtliche Zwangs mittel genöthigt, die verlassenen Kirchen wieder fleißigst zu besuchen und ihre Kinder nach wie vor zum Schulbesuch anzuhalten. Wie bestimmt dies Alles erzählt wird, so gleicht cs doch der bloßen Wiederaufwärmung einer schon vor einigen Jahren vielbesprochenen Geschichte, die sich da mals in der Nähe von Salzburg zugetrag.cn, so srhr wie ein Ei dem andern, daß man wol noch die nähere Bestätigung des Ganzen abzuwar ten hat. — Man will noch immer wissen, unser König werde dem- wird dann zugleich der Weg vorqeschricben, der von der Regierung eines Bundesstaats cinzuschlagen ist, im Fass dieselbe sich durch eine in einem andern Bundesstaat erscheinende und dessen Censur unterworfene Druck schrift verletzt glaubt. Sic hat alsdann durch freundschaftliche Rücksprache oder diplomatische Korrespondenz mit der Regierung des letztem Staats Befriedigung und Abhülfe ihrer Beschwerde zu suchen, und im Fall die ses nicht vollständig auf diesem Weg erreicht werden sollte, bleibt ihr noch übrig, über eine Schrift der Art Klage bei der Bundesversamm lung zu führen, welche alsdann gehalten ist, die angebrachte Beschwerde commissarisch untersuchen zu lassen und, wenn dieselbe begründet befun den wird, die unmittelbare Unterdrückung der in Rede stehenden Schrift und alle fernere Fortsetzung derselben durch einen entscheidenden Aus spruch zu verfügen. Aber ausdrücklich findet sich im tz. 7 fcstgcstellt, dass die Verfasser, Herausgeber und Verleger solcher Druckwerke, die der Ccn sur eines deutschen Bundesstaates unterworfen worden sind, von aller weitern Verantwortung frei bleiben sollen, und daß auch die im tz. 6 er wähnten Aussprüche der Bundesversammlung ausschlicßend gegen die Schrif ten, nie gegen die Personen gerichtet werden dürfen. Um über den Sinn diefer Bestimmung keinen Zweifel zu lassen, findet sich im tz. 1 desselben Bundesgesetzes der Grundsatz noch besonders ausgesprochen, daß dage gen alle ohne Ccnsur gedruckte Schriften fernerhin nach den in den ein zelnen Bundesstaaten erlassenen oder noch zu erlassenden Gesetzen behan delt werden sollen und daß, wenn dergleichen Schriften irgend einem Bundesstaate Anlaß zur Klage geben, diese Klage im Namen der Re gierung, an welche sie gerichtet ist, »ach den in den einzelnen Bundes staaten bestehenden Formen gegen die Verfasser oder Verleger der dadurch betroffenes! Schrift erledigt werden soll. Nun aber wird das Staatslcxikon mit königl. sächsischer Censur iw Leipzig gedruckt und es finden demnach unstreitig alle Bestimmungen des Bundcstagsbeschlusses vom 20. Sept. 18IS auf dieses Werk ihre An wendung. Hatte die kurhessische Regierung über einen in das Staats lexikon aufgenommenen Artikel sich zu beklagen, dann mochte sie in Ge mäßheit der Vorschriften gedachten Bundesbeschlusses ihre Beschwerde bei der Regierung des Königreichs Sachsen anbringen und allenfalls, wen» sie da nicht völlige Befriedigung erlangen konnte, sich an den deutsche» Bundestag wenden. Dagegen konnte sie, ohne sich offenbar mit der be stehenden positiven Bundesgesetzgebung über die Presse in Widerspruch zu setzen, sich weder an den Herausgeber des Staatslexikons noch an deir Verfasser des in demselben enthaltenen Artikels, der Gegenstand ihrer Beschwerde war, halten, weil beide persönlich unter den gegebenen Um ständen bundesgesetzlich von aller weitern Verantwortung frei waren. Was den Murhard'schcn Proceß besonders merkwürdig macht und ihm ein cigcnthümliches Interesse auch außerhalb Kurhcssen verleihen muß, besteht sonach vornehmlich darin, daß durch denselben thatsächlich die bis her in Deutschland in Kraft bestandene und allgemein als rechtsverbind lich anerkannte Preßgesetzgcbung, die wesentlich auf den durch den Bun- dcsbcschluß vom 20. Sept. 1810 getroffenen Anordnungen beruht, hier auf einmal in einem für die deutsche Schriststellerwclt überaus wichtige» Punkte in Frage gestellt erscheint. Man ist um so begieriger, wie diese Sache sich aufklären wird, da einestheils nicht zu erwarten steht, daß die oberste deutsche Bundcsbehörde, der ohne Zweifel nicht blos das Recht, sondern auch die Verpflichtung zukommt, über die Aufrechthaltung der von ihr erlassenen Gesetze zu wachen, den fraglichen Vorgang in einem Bundesstaate werde mit Gleichgültigkeit arischen können, andernthcilS sich aber auch nicht annehmen laßt, daß es auch nur aufs entfernteste irr der Absicht der kurhcssischcn Staatsregierung liegen möchte, ihrer eigne» Landeßgcschgebung cntgcgenzuhandeln; denn die stattgehavte Verkündigung des in Rede stehenden Bundespreßgesctzcs v. I. 1819 durch die ofsiciclle Gesetzsammlung beweist augenscheinlich, daß die Bundesgesetzgebung über diesen Gegenstand sich auch zur positiven Particulargesctzgcbung in Kur hessen erhoben findet. so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dasselbe nach allen ft schriftcn und Bestimmungen für alle Glieder des Deutschen Bundes und jedes einzelne derselben von verbindlicher Kraft ist. Dieses Bundesge setz verordnet aber in tz. 31, daß jeder einzelne Bundesstaat für alle unter seiner Censur erscheinende Druckschriften, insofern dadurch die Würde oder Sicherheit anderer Bundesstaaten, die Verfassung oder Verwaltung der selben angegriffen wird, nicht nur dem unmittelbar Beleidigten, sondern auch der Gesammtheit des Bundes verantwortlich sein soll. Im tz. ü