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1V Kassel, im Dec. Der Criminalsenat des Oberappellationsgerichts, welcher das Endurtel in der Jordan'schen Sache zu fällen hat, muß nach unserer Verfassung aus sieben Mitgliedern bestehen, Entscheidungs gründe geben und das Urtel mit denselben publiciren. Daß hier dcrJor- dan'sche Proceß die größte Aufmerksamkeit erregt, ist leicht zu denken: seit dem Verfahren gegen den Oberpolizeidirector v. Manger hat kein Criminalfall in gleichem Maß angeregt und beschäftigt. Dessenungeachtet wird an öffentlichen Orten die größte Zurückhaltung beobachtet. (A. Z.) Darmstadt, 2S. Dec. Wie man hört, beabsichtigt Moritz v. Haber, als Derjenige, welcher den Hrn v. Sarachaga im Zweikampfe gc- tödtet hat, sich freiwillig vor die Ässisen in Alzeh zu stellen. Bei der in diesem Falle vorauszusehendcn Verurtheilung wurde er, so lange diese währt, aller weitern etwanigen Nachstellungen und neuen Anfechtungen überhoben sein. Nach unserm neuen Strafgesetzbuch ist sür den vorlie genden Fall eine Fcstungsstrafe von ein bis drei Jahren vorgesehen, welche aber nach Art. 293 desselben Gesetzes im vorliegenden Falle wahrschein lich auf die Hälfte herabgesetzt würde. Mit Zuverlässigkeit ist jedenfalls nun erörtert, daß der Zweikampf auf großherzogl. hessischem Gebiete vor sich ging. (Schw. M.) — Nach der Allgemeinen Zeitung haben die dänischen Behörden die «Börsenhallc» in Hamburg ermahnen lassen, Schleswig-Holstein nicht mehr unter der Rubrik „deutsche Bundesstaaten" aufzuführcn. Ä Lübeck, 29. Dec. Bis auf einen im Ganzen unbedeutenden Auf lauf bei der Parade am 17. Dec., der indessen namentlich durch die hcr- beieilende Cavalerie schnell zerstreut ward, ist seit meinem letzten Schrei ben die Ruhe hier nicht weiter gestört worden. Mehre Individuen sind zu 8—14tagiger Gcfängnißstrafe oder dieser entsprechender Geldstrafe vcrurthcilt worden. Eine Wiederholung der Unordnungen steht grade nicht zu befürchten, da von Seiten der Behörden durch Unterbringung eines Theiles unserer Cavalerie in der Stadt und durch tcmporairc Ver mehrung des Polizeipersonals die Mittel zur Aufrechthaltung der Ord nung erweitert sind, und auch diejenigen unter unsern Bürger», welche sich bei der bestehenden, zum Theil drückenden Steuer unbehaglich fühlen, täglich mehr zu der Einsicht kommen, daß durch Straßentumultc nichts gebessert wird.— Der Antrag unserer Bürgerschaft aufRevision der viel besprochenen Leuchten- und Pflastersteücr ist vom Senate angenom men worden, und nächstens wird eine Commission zur abermaligen Prü fung dieser Abgaben zusammentrcten. Auch haben wir in kürzer Zeit von der Central-Armendeputation gründliche Vorschläge zu einer zweck mäßigen Einrichtung unserer Armenpflege zu erwarten. Während wir eine Fülle von einzelnen, zum Theil sehr reich dotirten milden Stiftun gen besitzen, wie sic nicht leicht in andern Städten gleicher Größe anzu treffen sind, fehlt es uns an der nöthiqen Centralisation, bei welcher Kraft gespart und selbst mit gcringern Mitteln unendlich viel mehr er reicht werden könnte. Krankenhaus, Arbeitshaus, Corrcctionshaus gehö ren bei uns noch zu den frommen Wünschen, und zur Zeit müssen wir uns mit den ungenügendsten Surrogaten behelfen. Um so gespann ter sieht man hier dem Berichte der Central-Arnzendeputation entgegen, welcher sehr umfassende Vorschläge zur zeitgemäßen Umgestaltung unserer Armenverwaltung enthalten soll. Frankfurt a. M«, 26. Dec. Der durch seine Differenzen in Dorpat und seine darüber veröffentlichte frcimüthige Erklärung bekannte vormalige russische Universitätsprofessor Hr. v. Madai wird, mit dem Titel eines Hofraths, Privatsccretair der künftigen Herzogin von Nassau. Dem Vernehmen nach ist cs die Großfürstin Helene von Rußland, > die diese Wahl getroffen hat. Jene Differenzen waren durch den russischen Kultusminister herbeigesührt worden; bei der kaiserlichen Familie ist Hr. v. Madai, wie man sicht, nicht in Ungnade gekommen. (A. Z.) Preußen. Bertin, 30. Dec. Wie wir vernehmen, sind die Berathungcn der Landtagsabschicdc für sämmtlich^ Provinzen beendigt, und es wird deren Veröffentlichung nunmehr in derjenigen'Reihefolge, in welcher die einzelnen Landtage geschlossen worden sind, erfolgen. (Ä. P. Z.) — Aus Bonn theilt die Barmer Zeitung eine Anrede des Professors Walter mit, welche derselbe am 21. Dcc. nach Beendigung seines Vor trags über römische Rcchtsgcschichtc an die Zuhörer richtete. Er sprach darin namentlich aus, daß es gerathen sei, ja keine Veranlassung zum Verluste des Ueberrestcs von akademischer Freiheit zu geben, besonders jetzt, wo thätigc Unterhandlungen zu Beschränkung der Ferien im Gange, und Plane in Betreff der Universitäten zu besorgen wären, bei denen man die Universität zum Gymnasium hcrabdrücken würde. -v- Der philosophisch enFacultät zu Berlin wäre nach der Mann heimer Abendzeitung vom vorgesetzten Ministerium zu bedenken gegeben worden, ob die Nemotion des Privatdoccnten Na »werk nicht angemes sen sei, weil er in seiner Vorlesung über Philosophie der Politik nicht wahre Wissenschaft, sondern die Jugend verführende Raisonncments ver trage. Die Facultät habe dieses Ansinnen jedoch einstimmig abgclchnt, da solches Einschreiten gegen die philosophische Forschung durchaus der freien Wissenschaft widerspreche. * Posen, 28. Dec. In den letzten Tagen hat hier der mislungene Fluchtversuch eines jungen Polen einiges Aufsehen gemacht. Derselbe, Namens v. Malnowski, soll, wie man sagt, aus dem Königreiche Po len kürzlich descrtirt sein und seitdem sich hier aufgehalten haben. Da er sich geschäftölos umhcrtricb, auch nicht die Mittel zu seiner Subsistenz Nachweisen konnte, so wurde die Polizei aufmerksam auf ihn, besonders nachdem er an öffentlichen Orten aufregende, cxaltirte Reden geführt hatte. Weil er aber der Weisung, die Provinz zu verlassen, nicht nach ¬ kam, wurde er endlich gefänglich cinaezogen und im obern Stock des Po- lizeidirectoriums untergebracht. Von hier suchte er in der Weihnachtsnacht zu entkommen, stürzte aber auf das Straßcnpflaster herab, wo man ihn bald darauf bewußtlos und schrecklich verstümmelt fand. Er ist auch bereits in Folge der erhaltenen Verletzungen heute gestorben. Abermals ein Opfer des politischen Fanatismus! Aber die jungen Polen verschmähen alle gesunde Vernunft, sie glauben ihre Aufgabe zu erfüllen, wenn sie mit dreisten, aber leeren Declamationen sich bemerklich machen, und dadurch Andere compro- mittiren und sich selbst ins Verderben sturzxn. Diese zahlreichen Maul helden werden die Palingenesie Polens nimmer vermitteln; sie machen nur das Mistrauen der Regierungen gegen die Nation aufs neue rege. Jeder bessere Pole weiß dies, was soll er aber gegen diese tolle Rotte, die immer neue Emissäre außschickt, machen? —Kürzlich lafen wir in der Aachener Zeitung, daß die Differenzen zwischen der hiesigen Domgeist lichkeit und der weltlichen Behörde, welche die Wiedcrbcsetzung unseres erzbischöflichen Stuhls bisher verhindert hätten, nunmehr ausgeglichen seien, und demnächst die Wahl eines neuen Erzbischofs zu gewärtigen stehe. Hier ist nichts davon bekannt, und obgleich die Sedisvacanz — gewiß nicht zum Vortheil der Kirche — bereits ein volles Jahr dauert, so ist doch deren Ende noch nicht abzuschen. Die Prälaten verweigern die Anerkennung der zu bezeichnenden persans« Amts«, und die Re gierung kann ihr Recht nicht aufgcben. Hier behauptet man jetzt mit einer gewissen Zuversicht, die Regierung habe darin nachgegebcn, daß die geistliche Behörde sich in dieser Angelegenheit an den Papst wenden dürfe. Hoffentlich wird die Wahl auf keinen andern als Hrn. v. Przyluski, den einzigen nach allen Richtungen dazu vorzugsweise befähigten Mann, fallen. Oesterreich. -f tVicn, 27. Dec. Die in Preßburg am Reichstage beschlossene aber malige Adresse der ungarischen Stände gegen das bekannte neueste königl. Rescript in Betreff der beschränkten Redefreiheit der Deputirtcn Kroa tiens ist von dem Erzherzog Palatinus, der dieser Tage selbst hier eingctroffcn ist, dem Kaiser zugesendet worden und nun Gegenstand der Verhandlungen des Scaatsraths. Eß scheint, da der Inhalt der Adresse sich in den gemäßigtsten Schranken hält, daß es nicht zu dem letz ten Mittel, nämlich zu einer Auflösung des Reichstags, kommen wird. Den dicsfälligen Konferenzen wohnen alle Erzherzoge und Minister bei. Der ungarische Reichstag hat sich unterdessen bis zum 2. Jan. vertagt, und viele Magnaten und Edclleute benutzen diese Zeit zu Urlaubsreifen thcils hierher, theils in ihre Heimat. Der Banus von Kroatien, Graf Haller, ist nach Agram abaeganaen, um Berichte über die dortigen blutigen Vorfälle ein zuholen.Am Christabend war Familicnsoiree bei der Kaiserin, wobei die Familie des Erzherzogs Franz Karl von den Majestäten mit Weih nachtsgeschenken überrascht wurde. Am Montag war feierlicher Kirchen- aang der Toisonritter und des Hofs in Gala nach der Burgkapelle. Das Neujahrsfest wird indessen bei Hof in der Stille gefeiert werden; die kai serliche Familie nimmt keine Glückwünsche an, sondern der hohe Adel wird blos von dem Obcrsthofmeister im Namen der kaiserl. Familie empfangen. Fürst v. Metternich gibt, wie gewöhnlich, ein diplomatisches Diner.— Erz herzog Rainer wird sich bei seiner Rückreise vorerst nach Venedig und spa ter nach Mailand begeben, wo die Vermählung seiner zweiten Tochter mit dem Prinzen von Savoyen-Carianan vollzogen werden wird. Sein ältester Sohn, dcr Erzhcrzog Leopold, bleibt hier, um unter den Augen seines Oheims Erzherzogs Ludwig seine Erziehung zu vollenden und später an den Staats verhandlungen. Antheil zu nehmen. — Man widmet hier den in fremden Blattern erschienenen Artikeln über Schutzzölle und den Anschluß Oester- reichsandendeutschenZollverein fortwährend große Aufmerksamkeit. Der Hofkammerpräsidcnt Frhr. v. Kübcck hat, wie man versichert, noch große Reformplanc im Sinn, und die frühere Frage des Anschlusses scheint nur vertagt.—Erzherzog Stephan wohnt regelmäßig allen Sitzungen bei der Hofkammcr bei und bereitet sich mit unermüdeter Thätigkeit zu seiner neuen Stelle als Stellvertreter des Monarchen in Böhmen vor. 28. Dec. Heute Morgen verstarb hier der erste Würden träger bei Hofe, Fürst Co l l ore d o, Obersthofmcister des Kaisers, Oberst sämmtlicher Garden, Geheimrath, Ritter des goldenen Vließes rc., sm 72. AltersjaAr., Eine langwierige Krankheit ließ sein nahes Erlöschen vor aussehen. Er wär einer dex reichsten Cavaliere der Monarchie, fein Fi nanzstand wohl geordnet, und seine Revenuen so groß, daß sie bei dem glänzenden Haushalte, welchen der Fürst,namentlich bei Festlichkeiten für den Hofstaat und die Diplomatie zu entfalten pflegte, noch immer kaum zur Hälfte aufgezchrt werden konnten. Dabei war der edle Fürst ein Wohlthatcr so vieler Bedrängten, die selbst in die höherN Klassen der Gesellschaft hinauf reichen. Erbe und Nachfolger in der fürstlichen Würde ist sein 36 Jahre zählender Sohn, Oberst des Jägerregiments Kaiser Ferdinand.— Erzherzog Rainer verläßt heute unsere Residenz zur Rück reise nach Mailand; seine Gemahlin und die Prinzessin Tochter, Braut des Herzogs von Sävoycn-Cangnan, werden aber noch den Winter über hier verbleiben, zumal Letzterer unpäßlich geworden ist. — Erzherzog Stephan hat Abschied bei feinem Vater in Prcsburg genommen und wird zu seinem glänzenden Wirkungskreis in Böhmen den nächsten Tag nach dem Neujahr von hier abgehen. Seine Residenz wird nicht der Hradschin, sondern das Palais des bisherigen Oberstburggrafen sein. Die nächste Umgebung des Prinzen bilden : der Oberst vom Palatinal-Husa- renrcgimente, Graf Grüne, als Vorsteher nämlich der inncrn Kammer, dann als Dicnstkammerherren die Grafen Hodih und Lassanöky; Graf Wratislaw ist zum Prasidialsccretair des Erzherzogs bestimmt worden. Die Dienerschaft deö Erzherzogs wird sämmtlich aus eingeborenen Böh men gewählt werden. — Der Regierungsrath Turneretscher von der Hof-