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3eutfd)c SHefJe un6 ^ö^öiitOlleffc Fast unübersehbar scheint auf den ersten Blick das Lebenswerk Franz Schuberts. Kein Gebiet der Tonkunst, das er nicht beschritten hätte, wenn auch sein hauptsächlichstes Schaffen zweifellos auf dem Gebiet der Sin fonie, der Kammer- und Klaviermusik und insbesondere der Liedkunst liegt. Zu den heute verhältnismäßig selten aufgeführten großen Chor' werken gehören vor allem seine Messen, mit denen er, auf dem Musikgut der Vergangenheit aufbauend, die Tradition eines Haydn, Mozart und Beethoven fortsetzte. Die Messen Schuberts sind wohl mit einem Gefühl für die Macht der Musik geschrieben, keineswegs aber aus dem Drang einer mystischen Gläubigkeit heraus. Denn gerade Schubert galt in seinem ganzen Leben niemals als Frömmler. Das Gute und das Echte waren für ihn der einzige Maßstab, das Humanistische der Inbegriff des Höchsten. Besonders aufschlußreich für seine diesbezügliche weltanschauliche Ein stellung ist ein Absatz aus einem Brief an seine Eltern aus dem Jahre 1825, in dem er über die Verwunderung berichtet, die die Innigkeit des Aus druckes seines „Ave Maria“ ausgelöst hatte: „Auch wundert man sich sehr über meine Frömmigkeit, die ich in einer Hymne an die heilige Jungfrau| ausgedrückt habe, und, wie es scheint, alle Gemüther ergreift und zur An-" dacht stimmt. Ich glaube, das kommt daher, weil ich mich zur Andacht nie forcire, und außer wenn ich von ihr unwillkürlich übermannt werde, nie dergleichen Hymnen oder Gebete componire, dann aber'ist sie auch ge wöhnlich die rechte und wahre Andacht." In dem darauffolgenden Jahre entstand die sog. „Deutsche Messe“, deren Titel jedoch nicht von Schubert selbst herrührt. Sie war, mit dem Text von Joh. Friedrich Philipp Neumann, als „Gesang zur Feier des heiligen Opfers der Messe“ den Zöglingen des Polytechnikums zu Wien zugedacht. Diese Messe Schuberts, bestehend aus einer Reihe einfacher, aber sehr melodiöser Gesänge, von echt kindlichem Geist durchweht, ist qines der anspruchlosesten Vokalwerke seiner Zeit und wurde schon damals sehr beliebt in der einfachen Bearbeitung seines Bruders Ferdinand für drei stimmigen Chor und Orgelbegleitung. Den Höhepunkt der Schubertschen Chorwerke, zugleich ein gewaltiges Denkmal seines Genies, bildet die große Es-dur-Messe, an welcher er mit großer Vorliebe gearbeitet hat. Ihre Komposition fiel in das Sterbejahr 1828, das trotz des äußerst schwankenden Gesundheitszustandes des Meisters mehr denn je erfüllt war von fieberhaftem Schaffen. Trotz seiner Leiden und Bedrängnisse kannte er keine Schonung, und außer zahlreichen kleineren Stücken entstanden die. große C-dur-Sinfonie, die Es-dur-Messe, die letzten drei Klaviersonaten, das Streichquintett C-dur und der Lieder zyklus „Schwanengesang“. Fast scheint die Messe wie ein Abschiedsgruß Schuberts an das Leben, an die Zukunft seiner Kunst. Wie kein anderes greift gerade dieses letzte kirchliche Werk mit seiner meisterhaften Sprache der Polyphonie auf die fugierten Meßsätze zurück, die Schubert während seiner Konviktzeit und in der Lichtenthaler Kirche kennenlernte. Kennzeichnend für seine innere Einstellung ist, daß er auch hier, wie im Credo aller seiner lateinischen Messen, die dogmatisch wichtige Stelle strich: „Credo in unam sanctam ecclesiam catholiam apostolicam “ („Ich glaube an eine heilige katholisch-apostolische Kirche“ ...) und damit bereits die Grenzen des eingehenden kirchlichen Dogmas überwand. Ein tief empfundener Ruf an seinen Gott beschließt die Messe: „Dona nobis pacem.“ (Gib uns Frieden!“)