Volltext Seite (XML)
ZUR EINFÜHRUNG Von Hermann Gütz (1840—1876) ist die komische Oper „Der Widerspenstigen Zähmung“ allein leben dig geblieben. Götz verdient jedoch nicht, der Ver gessenheit anheim zu fallen. Er war ein gediegener Musiker, von dessen Können die Ouvertüre zu dieser Oper Zeugnis ablegen kann. Sehr lebendig und spritzig beginnt sie, immer voll pulsenden Lebens, aber mehrere Male in Fermaten erstarrend. Eine wirkungsvolle Coda schließt das auf einen echt heiteren Ton abgestimmte Werk ab. Robert Schumanns (1810—1856) Konzert für Violoncello und Orchester, op. 129, ist auch ein echt romantisches Werk. Wohl wie kein zweites In strument (außer dem von den Romantikern bevor zugten Horn) ist das Violoncello geeignet, einen sehnsuchtsvollen, gefühlsbeladenen Gesang an zustimmen. Es hat die lyrische Weichheit mancher Tenorstimme, aber auch die etwas dunklere Fülle des Baritons, es hat den edlen, etwas verträumten Schmelz, den tiefe Empfindungen auslösen können. Schumann hat diese Eignung des Instrumentes für romantische Stimmungen und Gefühlswerte erkannt und ihm ein Werk auf den Leib geschrieben, das alle jene Vorzüge enthält. In den drei Sätzen dieses Konzertes blüht eine Welt des Traumes auf, so schön und melodienreich, daß es fast schmerzhaft ist, sie der Wirklichkeit gegenüberzustellen. Zur Berühmtheit Felix Mendelssohn - Bar thol- dys (1809—1847) hat wesentlich seine Musik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ beigetragen. Die Ouvertüre, die er mit 17 Jahren niederschrieb, ist ein genialer Wurf gewesen. Sie wird oft gespielt. Aber die übrigen Nummern dieser Schauspielmusik, die Mendelssohn 1843 komponierte, sind nicht so sehr bekannt. Von ihnen erklingen das Scherzo, das Notturno und der Hochzeitsmarsch. Das sehr leb hafte Scherzo zeigt alle Vorzüge von Mendelssohns Schreibweise: die Mühelosigkeit, die formale Ab rundung, den klaren Klang. Das Notturno bringt die Töne, die alle kennen: es ist so, als hörte man eins seiner Lieder ohne Worte. Der Hochzeitsmarsch hat einen triumphalen Charakter. Man kann sich seinem Glanze und seinem hinreißenden Schwung nicht entziehen. Auf ihn ist es wohl am meisten mit zurückzuführen, daß diese geniale Musik zu dem Schauspiel durch andere Komponisten nicht ver-N drängt werden konnte. Franz Schubert (1797—1828) begann seine sechste Sinfonie im Oktober 1817 niederzuschreiben. Sie steht ebenso wie ihre berühmte Schwester, die sie bente, in C-dur. Was Schubert in ihr aussagen wollte, ist mehr der klassischen Welt und ihren Idealen ver haftet als der romantischen. So zeigt der erste Satz den klaren Sonatenaufbau mit breiter Einleitung, zwei Themen (die klar gegliedert und gut unter scheidbar sind) in der Aufstellung, eine Durch führung, eine Wiederholung des Aufstellungsteiles und eine Coda. Es ist alles übersichtlich und durch sichtig und von fast haydnscher Prägung. Im zweiten Satz, dem Andante, kommt der uns bekannte und liebe Schubert stärker zum Durchbruch. Das sehr lyrische Thema wird in diesem Satz variiert und figuriert. Das Scherzo, im Prestotempo, arbeitet mit kontrastreichen Lautstärkeunterschieden. Im Triq töiien echt schubertsche Kantilenen auf. Der Schlußsatz läuft in Form eines redseligen Rondos ab. Von uns bekannten schwärmerischen, gefühls erfüllten Schubert ist in diesem Werke nach klassi schem Vorbild nicht viel zu hören. Im Februar 1818 beendet er diese Sinfonie. Carl Maria von Weber (1786—1826) war dem Mär chen und dem Elfenreich, dem Lande der Träume und Dämonen verfallen wie kein zweiter Roman tiker. Seiner Phantasie stand die Kraft zu Gebote, die Visionen und inneren Gesichte, die Traum erlebnisse und Sehnsüchte, das Fernweh und die Ahnungen einer sich verzehrenden Seele genau so in Töne zu bannen wie die Naturerlebnisse, die Mondnacht und Wald, Felsenschlucht und Berges höhe in ihm hervorriefen. Weber hat die Frische und Ursprünglichkeit der Frühromantik, die ihm unter allen Meistern dieser Epoche einen besonderen Rang einräumt. Worte können die holde Süße und Weh mut der Töne, ihre Zartheit uud zugleich den un- verwclklichen Glanz nicht schildern, die gerade in der Oberon-Ouvertüre von keinem Menschen, der ein fühlendes Herz besitzt, überhört werden können. In Weber hat die Romantik wohl jene Aussage ge funden, die am deutschesten war. Johannes Paul Thilman. Sonntag, den 20. November 1949, 19 Uhr, in der Martinskirche - 3. Abend im Brahms-Zyklus »Ein deutsches Requiem« Leitung: Prof. Rudolf Mauersberger; Mitwirkende: Kreuzchor, Bach-Chor Solisten: Elfriede Weidlich, Hans Löbel