Atonalitäf, ja zum Geräusch; Beschränkung der melodischen Ent wicklung gestattet eine Entfaltung aller rhythmischen Werte, die in ungehemmter Variabilität aufzüngeln. Rhythmus aber ist zutiefst mit dem tänzerischen Element verknüpft. Man kann Strawinskys Werk zu einem wesentlichen Teil unter dem Begriff des Tänze rischen sehen, freilich nicht im landläufigen Sinne, sondern tänzerisch aufgefaßt, als Ausdruck höchster geistiger Auseinandersetzung mit dem Rhythmus schlechthin. Früh ist Strawinsky mit dem Tanz in Berührung gekommen, vor allem durch Diaghilew mit seinem russischen Ballett. Vom »Feuervogel«, dem impressionistischen Auftakt, führt eine Linie,die mit »Petruschka« den Einbruch in neue Bezirke ankündigt, um zunächst mit dem »Frühlingsopfer« in einer vulkanisch erregten Welt zu enden. Unter dessen weitet »Die Geschichte vom Soldaten« den metaphysischen Hintergrund und wird zum Spiegel von Leben und Tod, steigert sich in die Tierburleske »Renard« zur naturalistischen Rhythmikstudie, wird in der Oper »Die Nachtigall« wie im szenischen Oratorium »Oedipus rex« nicht zuletzt vom Rhythmischen her eine neue Statik erprobt. Die Linie des Balletts aber wird mit »Pulcinella« wieder aufgegriffen, nunmehr in klassischer Klarheit weitergeführt bis »Apollon Musagete«. Stilistisch und thematisch bringt »Der Kuß der Fee« eine artige Verbeugung vor Tschaikowsky, während »Das Kartenspiel« wieder echten, persönlichen Strawinsky darstellt. Ganz von tänzerischem Geist ist das Werk erfüllt. Ein Pokerspiel in drei Runden gewissermaßen. Originell, apart im Einfall,fast un terhaltsam aufgelockert in der Gestik, sprühend witzig und delikat im Klangbild. Die Instrumente werden oft solistisch behandelt. Das Ganze erscheint kammermusikalisch durchsichtig, ja spröde und zerbrechlich wie Glas. Strawinsky hat sich gelegentlich zu einer seiner Sinfonien geäußert: »Wie gestochen muß diese Partitur erklingen, wie durch ein scharfes Fernglas gesehen.« Man könnte das Bild auch für diese Suite anwenden. Typisch die verdichtete, konzentrierte knappe Form. Ein witziges Spiel mit kecken Themen, persönlich geformt und durchleuchtet, ein sinnfälliges Zeugnis eines neuklassizistischen Stils von hoher Geistigkeit. In Dresden fand einst die deutsche Uraufführung statt. In Zürich tanzten es kürz lich Mitglieder vom Pariser Theätre des Champs Elysees,der Bühne, die Strawinskys Weltruf mitbegründen half. Auch Mussorgskis sinfonische Dichtung »Eine Nacht auf dem kahlen Berge« kann man unter dem Blickwinkel des Tänzerischen sehen. Es kommt zwar nicht zu stilisierten Formen, sondern es entwickelt sich vielmehr ein orgiastisch entfesselter Tanz der Hexen und