Russische Musik aus tänzerischem Impuls Strawinsky, Mussorgski, Tschaikowsky — drei Repräsentanten russischen Musikschaffens von europäischer Spannweite. Eine Fülle von reizvollen und aufschlußreichen Perspektiven ergibt diese Linie. Eine rein historische Problematik wäre ebenso möglich wie eine musiksoziologische Auseinandersetzung. Indes für den Hörer erscheint es wichtiger, Zugang zur Substanz der Werke zu gewinnen. Drei Musikertypen, scharf profiliert in ihrem Eigenwuchs, doch einer Wurzel entsprungen. Die gemeinsame Grundlage ihres Schaffens bildet das russische Volkstum. Freilich sehr verschieden artig entwickeln sie diesen geistigen Komplex. Tschaikowsky blickt nicht nur nach dem europäischen Westen, sondern für ihn ist einfach die Einheit russischer Volksmusik mit französischer Geistigkeit und deutscher Romantik eine Realität, eine Tatsache, bei der er beide Faktoren absichtsvoll miteinander verquickt. Nach ihm spaltet sich die Lage. Mussorgski betont mit starker Heffigkeit die nationale Strömung, das russische Milieu. Er löst sich ganz bewußt von westlerischer Eleganz; seine Klänge sind hart, streng, dafür ekstatisch und sub jektiv inbrünstig. Strawinsky dagegen drängt es eindeutig zu einer internationalen Ausweitung seiner Persönlichkeit. Paris, seine zweite Heimat, be sitzt für ihn mehr als atmosphärische Bedeutung. Er beginnt im Stil des französischen Impressionismus, dem aber sehr bald eine Besinnung auf die konstruktiven musikalischen Mittel, auf Rhythmik, Motorik, Klangspannung und Klangspalfung, Kontrapunktik und Polyphonie folgt. Urrussische Lebenskräffe brechen dabei vital hervor, eine Nähe zu kultischer Primitivität wird erstrebt, die wie derum ihre Spiegelung in einer weltumspannenden Metaphysik findet. Diese mittlere Periode der geistigen Auseinandersetzung mit vorwiegend rhythmischen Triebkräften wird von einer Schaffens zeit abgelöst, die zu innerer Abklärung und klassizistischer Durch sichtigkeit drängt, übrigens ein Parallelfall zu Hindemith, der die gleichen Stationen schöpferischer Entwicklung durchschreitet. Dabei kommt es bei Strawinsky zu bedeutender Umschichtung künstle rischer Strebungen. In der Form setzt eine zwingende Verdich tung des Geschehens ein, eine Konzentration, die den geistigen Gehalt aufs engste zusammenpreßt. Daher entstehen typische Kurzformen aller Gattungen. Freizügigkeit der Harmonik führt zur