Erläuterungen Die Haydn-Variationen von Johannes Brahms Robert Schumann machte in einem Aufsatz: „Neue Bahnen“ (1853, Zeitschrift für Musik) auf Johannes Brahms (1833—97) als einen ganz außergewöhnlichen Musiker auf- nAam; und Brahms wurde dadurch mit einem Schlage bekannt. Seine Stellung in defMusikgeschichte ist allerdings dann nicht die eines Tonsetzers geworden, der die Musik in „neue Bahnen“ lenkte, sondern vielmehr die eines verspäteten Klassikers, der nur neuen Inhalt in die alten, feststehenden Formen goß. Aus einem kleinen, musika lischen Kern (Motiv, Thema) durch alle erdenklichen Satzkünste ein großes Gebilde zu entwickeln, so wie es unübertrefflich in Beethovens 5. Sinfonie geschehen war, das ist auch Brahms’ Stärke. In dem heute gespielten Werke handelt es sich um Variationen (Veränderungen, Umdeutungen) eines Themas, welches Brahms in der Handschrift eines Haydn’schen Orchesterwerkes fand: des sogenannten Antonius-Chorales. Man hat Brahms’ Werk in Beziehung zu dem Feuerbach’schen Gemälde: „Die Versuchung des heiligen Antonius“ gebracht, auf welchem die Musik scheinbar als Verführerin des Heiligen figuriert. Brahms’ Musik ist aber als „absolute“ anzusehen, d. h. als nicht durch irgendwelche außermusikalische Gedankengänge beeinflußt. Die Freude am Umschaffen, am Verarbeiten eines Themas, am Drehen und Wenden nach allen Seiten ist der An trieb zu diesen Haydn-Variationen gewesen. Jede der acht Variationen ist ein in sich geschlossenes Stimmungsbild. Man findet im Wechsel die Charaktere etwa des Lieblichen, des Leidenschaftlichen, Heldenhaften, des Harmlosen, Mysteriösen ausgeprägt. Das Doppelkonzert für Violine und Cello von Brahms entstand 1887 am Thuner See inmitten von Naturschönheiten oder wie Beethoven sich ausgedrückt haben würde: in der „schweizerischen großen Natur“. Der Charakter des Werkes ist im allgemeinen freundlicher als der anderer Instrum entalwerke von Brahms. Es steht hier nicht nur wie sonst in Konzertwerken ein Soloinstrument mit dem Or chester im Wettstreit, sondern deren zwei, die sich auch noch gegenseitig beeinflussen. Der Wiener Kritiker Hauslick meinte, als er das Werk kennen lernte, daß das ebenso bedenklich wäre, als wenn ein Drama zwei Helden hätte. Wir werden finden, daß Brahms dem Cello mehr zugedacht hat als der Violine. Am kunstreichsten ist der erste schnelle Satz mit seinen rhythmischen Finessen gestaltet. Ein anmutiges Idyll ist der langsame zweite'Satz. Unruhvoll beginnt der Endsatz. Nach Ansätzen zu einer Steigerung verliert sich die Energie der Bewegung.