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Wortlaut der Gesänge. 4. Gesang der Geister Des Menschen Seele gleicht dem Wasser: vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es, und wieder nieder zur Erde muß es, ewig wechselnd. Strömt von der hohen, steilen Felswand über den Wassern. Goethe. der reine Strahl, dann stäubt er lieblich in Wolkenwellen zum glatten Fels, und leicht empfangen wallt er verschleiernd leis rauschend zur Tiefe nieder. Ragen Klippen dem Sturz entgegen, schäumt er unmutig, stufenweise zum Abgrund. Im flachen Bette schleicht er das Wiesental hin, und in dem glatten See weiden ihr Antlitz alle Gestirne. Wind ist der Welle lieblicher Buhle; Wind mischt von Grund aus schäumende Wogen. Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser! Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind! 1. Psalm 23. Gott ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln, er leitet mich an stillen Bächen, er lagert mich auf grüner Weide, er labt mein schmachtendes Gemüt, er führt mich auf gerechtem Steige zu seines Namens Ruhm. Und wall’ ich auch im Todesschattentale, so wall’ ich ohne Furcht, denn du beschützest mich. Dein Stab und deine Stütze sind mir immerdar mein Trost. Du richtest mir ein Freudenmahl, du salbst mein Haupt mit Öle und schenkst mir volle Becher ein. Mir folget Heil und Selig keit in diesem Leben nach, einst ruh’ ich ew’ge Zeit dort in des Ew’gen Haus. 2. Arie aus der Osterkantate „Lazarus“. Lazarus, einst ein froher Genießer des Lebens, ist durch lang wieriges, unheilbares Siechtum zur Gott ergebenen Todessebn sucht bekehrt. Die Frauen des Hauses denken mit Grausen an die dunkle Pforte, die vom Leben zum Tode führt; für Lazarus hat sie jeden Schrecken verloren, ln innigster Anteilnahme um stehen Martha und Maria das Schmerzenslager des Todgeweihten. Lazarus sieht gerade im Leiden Gottes erbarmende Liebe. Da hebt Maria an: „Der Trost begleite dich hinüber in das Reich des Lichts, wo sich viele unsrer Brüder sammeln, die dieser Trost in Todes stunden letzte. Wie trüge sonst der Mensch von Erde der Leiden Last! Wenn nun mit tausendfachen Qualen der Schmerzen Herr sich um ihn drängt, wenn in den Becher, der nicht mehr erquicket, vom wunden Auge sich die Träne mengt, im heißen Kampf die Wange glühet, vom Lager weg die Ruhe fliehet, auf dem das Elend matt die Hände ringt, die atemlose Brust mit jedem Hauch ein neuer Dolch durchdringt! — Die sinkende Natur erliegt und trägt es doch und möchte gern das Qualenleben dem Schöpfer willig wiedergeben, und seufzt, und ringt zu sterben, und leidet noch gewaltiger, und trägt es doch. — Wer hält ihn da, daß er nicht sinkt? Gottes Liebe, du bist seine Zuversicht! Fels im Meer, ob die Wellen bis zum Gipfel schwellen, du bist seine Zuversicht! In der Leiden bängster Nacht, wenn des Zweifels Sturm erwacht, faßt er dich und wanket nicht, in der Leiden bängster Nacht ist Gottes Liebe seine Zuversicht!“ 5. Stabat mater. Friedr. Gottl. Klopstock. 1. Chor: Jesus Christus schwebt am Kreuze! Blutig sank sein Haupt herunter, blutig in des Todes Nacht. 2. Arie (Sopran): Bei des Mittlers Kreuze standen bang Maria und Johannes, seine Mutter und sein Freund. Durch der Mutter bange Seele, ach durch ihre ganze Seele, drang ein Schwert. 3. Chor: Liebend neiget er sein Antlitz: „Du bist dieses Sohnes Mutter! Und du dieser Mutter Sohn“. 4. Duett (Sopran, Tenor): Engel freuten sich der Wonne, jener Wonne, die der Mittler seiner Mutter, seinem Freunde sterbend gab. Abgetrocknet sind nun ihnen alle Tränen, mit den Engeln freu’n sie sich. 5. Chor: Wer wird Zähren sanften Mitleids nicht mit diesen Frommen weinen, die dich,Herr, imTodesah’n? Wermitihnen nicht verstummen, die dich, Herr, im Tode sah’n? Wer wird sich nicht innig freuen,daß derGottversöhnerihnen,Himmei,deinenVorschmack gab, ach, daß Jesus Christus ihnen, Himmel, deinen Vorschmack gab. 6. Arie (Tenor): Ach, was hätten wir empfunden am Altar des Mittleropfers, am Altäre, wo er starb. Seine Mutter, seine Brüder sind die Treuen, die mit Eifer halten, was der Sohn gebeut. 7. Chor: Erben sollen sie am Throne, in der Wonne Paradiese, droben strahlt die Krone, am Throne strahlt die Krone. 8. Arie (Baß): Sohn des Vaters, aber leiden, leiden müssen deine Brüder, eh’ sie droben an dem Throne, eh’ mit dir sie Erben sind. Nur ein sanftes Joch, leichte Lasten, o göttlicher Mittler, o göttlicher Vollender, sind deinen Treuen alle Leiden dieser Welt. 9. Chor: O du herrlicher Vollender, der sein Joch mir, seine Lasten sanft und leicht allein, alleine macht. Dort rufst du mich von der Erde laut gen Himmel, mich zu jenem Erb’ im Licht, ach, zum Erb’ im Licht hinauf. Auf dem hohen Todeshügel, auf der dunklen Schädelstätte, da, da lernen wir von dir, Versöhner. 10. Terzett (Sopran,Tenor, Baß): Erdenfreuden und ihr Elend möchtet ihr dem Wandrer nach Salem Staub unterm Fuße sein. Tenor-Solo: Möcht’ ich, wie auf Adlers Flügeln, hin zu euch, ihr Höhen, eilen, ihr Höh’n der Herrlichkeit! Mitgenossen jenes Erbes, Mitempfänger meiner Krone, meine Brüder, leitet mich. Nr. 11. Terzett und Chor: Daß dereinst wir, wenn im Tode wir entschlafen, dann zusammen droben unsre Brüder seh’n, daß wir, wenn wir entschlafen, ungetrennet im Gerichte droben unsre Brüder seh’n.