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17 2. Rhapsodie, Fragment aus Goethes „Harzreise im Winter“ für eine Altstimme, Mannerchor und Orchester (Werk 53). a) Goethes Gedicht. Über sein schwer verständliches Gedicht „Harzreise im Winter“ hat Goethe selbst, angeregt durch eine Schrift des Rektors Kannegiesser in Prenzlau (1820), erläuternde Bemerkungen gemacht. Das Wichtigste davon sei hier, zugleich mit dein Abdruck des ganzen Gedichtes, mitgeteilt. „Was von meinen Arbeiten durchaus, und so auch von den kleineren < iedichten gilt, ist, dass sie alle, durch mehr oder minder bedeutende Gelegen heit aufgeregt, im unmittelbaren Anschauen irgend eines Gegenstandes ver fasst worden, deshalb sie sich nicht gleichen, darin jedoch Übereinkommen, dass bei besonderen äusseren, oft gewöhnlichen Umständen, ein Allgemeines, Inneres, Höheres dem Dichter vorschwebte. Die Harzreise ward Ende November 1777 gewagt. Ganz allein, zu Pferde, im drohenden Schnee, unternahm der Dichter ein Abenteuer, das man bizarr nennen könnte, von welchem jedoch die Motive im Gedicht selbst leise angedeutet sind. „Dem Geier gleich, Der, auf schweren Morgenwolken Mit sanftem Fittig ruhend, Nach Beute schaut, Schwebe mein Lied.“ Der Reisende verlässt am frühesten Wintermorgen seinen im Augen blick behaglich-gastfreundlichen thüringischen Wohnsitz, wo ihn später eine zweite Vaterstadt beglückte, er reitet nordwärts bergauf; ein schwerer, schneedrohender Himmel wälzt sich ihm entgegen. „Denn ein Gott hat Jedem seine Bahn Vorgezeichnet, Die der Glückliche Rasch zum freudigen Ziele rennt.“ Begonnene Ausführung eines bedenklichen und beschwerlichen Unter nehmens stählt den Mut und erheitert den Geist. Der Dichter gedenkt seines bisherigen Lebensganges, den er glücklich nennen, dem er den schönsten Erfolg versprechen darf.