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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 3. März 1962, 19.30 Uhr Sonntag, 4. März 1962, 19.30 Uhr 8. Philharmonisches Konzert DIRIGENT Prof. Heinz Bongartz SOLIST Stanislav Knor, Prag Rolf Liebermann geb. 1910 Peter Tschaikowski 1840-1893 Furioso für Orchester Konzert für Klavier und Orchester b-Moll, op.23 Allegro non troppo c molto maestoso Andantino simplice Allegro con fuoco PAUSE Werner Egk geb. 1901 Variationen über ein karibisches Thema Thema 1. Variation Perpetuum mobile (Moderato - Allegro) 2. Variation Chaconne (Adagio) 3. Variation Ostinato (Allegro) 4. Variation Concertino (Moderato) 5. Variation Evocation (Andante) 6. Variation (Allegro) ZUR EINFÜHRUNG RöZ/ Liebermann wurde 1910 in Zürich geboren und nach juristischem Studium von Hermann Scheichen zum Dirigenten und von Wladimir Vogel zum Komponisten ausgebildet. Mit Unter haltungs- und Kabarcttmusik begann er unel ist als Zwölftonkomponist bekannt geworden. 1950-1957 leitete er die Orchcstcrabteilung des Schweizerischen Landessenders Beromünster, ab 1957 die Musikabteilung des Norddeutschen Rundfunks Hamburg, seit 1959 regiert er als Inten dant die Staatsoper Hamburg. 1947 rückte ihn die Uraufführung seines „Furioso für Orchester“ unter Hermann Scherchen beim Musikfest in Kranichstein bei Darmstadt in den Blickpunkt der musikalischen europäischen Öffentlichkeit. Liebermanns Musik ist eine originelle Verbindung polytonalcr (= vicltonaler) Mittel mit zwölf- tönigen Prinzipien. Im Allegro vivace-furioso jagt das einsätzige Orchesterwerk „Furioso“ (= wild, rasend) vom ppp bis zum sffz, vom Pianopianissimo bis zum doppelten Sforzato, und reizt durch seine kühne Klanggestaltung und seine kompromißlose Linearität zu Für- und Widerspruch. Im gesangvollen Andanteteil unterbrechen die Flöte, das Englischhorn, die Oboe, die Geigen und Trompeten das Furioso. Zwei Zwölftonreihen, die sich ineinander schlingen (für den Hörer nicht wahrnehmbar!) und durch den polytonalen Satz farbig ausgestaltct werden, bilden die Struktur des Werkes. Prof. Dr. Mlynarczyk Das b-Moll-Klavierkonzert, op. 23, vom Jahre 1875 hatte P e t c r T s c h a i k o w s k i für Nikolai Rubinstein geschrieben, der ihn, den er als Thcoriclchrcr an das neugegründete Moskauer Kon servatorium berufen hatte, in sein Haus aufnahm und von dem er bedingungslose Gefolgschaft erwartete. Tschaikowski, der als Pianisten Nikolai über dessen Bruder Anton Rubinstein stellte, gedachte das Werk auch dem Erstgenannten zu widmen. Dieser aber erklärte das Werk für nicht spielbar und verlangte Änderungen. Daraufhin durchstrich der Komponist die Widmung an N. Rubinstein und dedizierte cs Hans von Bülow. Dieser setzte sich in Amerika und Europa für das Werk ein, in Moskau spielte cs erstmals Tschaikowskis Schüler Sergej Tancjew. Rubin stein, den Bülows Erfolge mit dem Konzert nicht ruhen ließen, nahm es schließlich auch in sein Repertoire und erspielte ihm in Rußland und im Auslände bedeutende Erfolge. Schreibt auch Tschaikowski im Hinblick auf die Konzeption des Konzerts: „Prinzipiell tu ich mir Gewalt an und zwinge den Kopf, Klavierpassagcn auszudenken“, so widerspricht solche von versteckt sich äußernden Krankheitssymptomen diktierte Aussage dem Zuschnitt des Werkes, das, die reichen Mittel der Klaviertechnik nutzend, doch das virtuose Element dem sinfonischen Geschehen ein ordnet und so überzeugend das Erbe Liszts und Schumanns den Charakteristika der Persönlich keit Tschaikowskis unterstellt. Nicht immer wurde in der Vergangenheit Tschaikowskis Anteil an der Betonung des nationalen Elementes der russischen Musik voll gewürdigt. Gewiß: Bei