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KONGRESS - SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Dienstag, 18. April 1961, 19.30 Uhr 4. KAMMERMUSIKABEND der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Ausführende: Johannes Walter, Flöte Heinz Butowski, Oboe Werner Metzner, Klarinette Fritz Melzer, Baßklarinette Heinz Mann, Horn Helmut Radatz, Fagott Günter Siering, Violine Günther Schubert, Violine Herbert Schneider, Viola Erhard Hoppe, Violoncello PAUSE Streichquartett a-Moll op. 29 Allegro ma non troppo — Andante Menuetto, Allegretto — Allegro moderato Streichquartett D-Dur KV 575 (Das Veilchen) Allegretto — Andante Menuetto, Allegretto Allegretto „Mladi“ (Jugend), Suite für Flöte (Pikkolo), Oboe, Klarinette, Baßklari- nette, Horn, Fagott Allegro — Andante sostenuto — Vivace Allegro animato-presto Leos Janäcek 1854—1928 Wolfgang Amadeus Mozart 1756—1791 Franz Schubert 1797—1828 Wolfgang Amadeus Mozart widmete seine drei letzten Streichquartette dem cellospielenden Preußenkönig Friedrich Wilhelm II., den der Salzburger Meister bei einem Besuch in Potsdam und Berlin im Jahre 1789 kennengelernt hatte. Diese unter dem Namen ,,Preußische Quartette“ bekannten Kompositionen entstanden um 1789/90 in Wien und weisen eine Fülle herrlichster musikalischer Gedanken in erlesenster Form auf. Besondere Aufgaben hat der Komponist — im Hinblick auf den Besteller — dem Violoncello zugewiesen. Das heute erklingende erste der sogenannten ,,Preußischen Quartette“ in D-Dur, KV 575, entstand im Juni 1789 und ist eines der schönsten Streichquartette Mozarts überhaupt. Das melodisch-motivische Material des ersten Satzes (Allegretto) entwickelt sich aus einem einzigen strahlend-freund lichen Hauptthema, während Nebengedanken kaum selbständige Bedeutung ge winnen, aber mit zur durchweg konfliktlosen Durchführung und zur harmonischen Schlußbildung beitragen. Von schlichtem Charakter ist der langsame Satz (Andante). Tänzerisch beschwingt gibt sich der dritte Satz, ein liebenswürdiges Menuett mit einem innigen Trioteil. Einen bezaubernden Abgesang bringt das Rondo-Allegretto, dessen Hauptthema an das Kopfmotiv des ersten Satzes erinnert. Franz Schubert, dem Meister des deutschen Liedes, danken wir eine Reihe hoch bedeutender Kammermusikschöpfungen, die nicht nur zu seinen besten Leistungen gehören, sondern auch in der gesamten Wiener Klassik einzigartig dastehen. Das trifft ganz besonders auf seine drei letzten und berühmtesten Streichquartette in a-Moll, d-Moll und G-Dur zu. Das 1824 entstandene Streichquartett in a-Moll, op. 29, ist das erste und optimistischste dieser Gruppe. Jede tragische Stimmung hat der Komponist darin bewußt vermieden, obwohl das Hauptthema des ersten Satzes durchaus Wehmut und Sehnsucht ausdrückt (dazu rhythmisch beharrlich wieder kehrende leere Quinten in den Unterstimmen und ruhige Achtelumspielungen der zweiten Violine). Eine Wendung nach A-Dur bringt zunächst eine gewisse Auf hellung, bis die Grundstimmung wieder Oberhand gewinnt. Ein energisches Baß motiv, aufwärtsstrebende Trioienfiguren, Akkordschläge bringen einen Kontrast und vorübergehend auch einen Stimmungsumschwung, der sich mit einem freundlichen C-Dur-Seitenthema der zweiten Geige ankündigt. Aber auch im Durchführungsteil beherrscht trotz aufbegehrender Episoden schließlich das melancholische erste Thema das Gesamtbild. Selbst noch in der Coda ist sein träumerisches Wesen zu spüren, ehe der Satz mit unvermutet schroffen Impulsen schließt. Dem träumerisch schlichten Andante (C-Dur) liegt ein lieblich-idyllisches Liedthema zugrunde, dessen melodischen Kern wir noch anderorts bei Schubert begegnen, in der Schauspielmusik zu ,,Rosamunde“ und im Impromptu B-Dur, op. 142, Nr. 3, für Klavier. Der Mittelteil, eine melodisch-harmonische Variante des Themas, bringt einen kleinen expressiv gesteigerten Stimmungskontrast. Zögernd, gleitend, beginnt der dritte Satz mit punktiertem pp-Rhythmus des Violoncellos, dem sich die anderen Stimmen in launisch-gedämpftem Spiel mit Motivsplittern anschließen. Nur zweimal erklingt die liebenswürdige viertaktige Hauptmelodie zusammenhängend. Ländlerhaft, schel misch wirkt das Trio. Vollends fröhlich und ausgelassen gibt sich das Finale, dessen erstes Thema (mit Praller und Voranschlägen) an ungarische Volksmusik gemahnt. Auch ein zweites Moll-Thema in punktiertem Rhythmus vermag diese Fröhlichkeit des Satzes nicht zu trüben. Im Juli 1924, also in dem Monat, in dem der größte mährische Meister der Gegen wartsmusik, Leos Janäcek, siebzig Jahre alt wurde, schrieb der Komponist sein Sextett für Holzbläser, dem er den beziehungsvollen Titel ,Jugend“ (Mladi) gab, weil damals verständlicherweise seine Gedanken ganz besonders in die un-