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Erläuterungen 1. Anton Bruckner: Zweite Sinfonie C-Moll Bruckners zweite Sinfonie entstand 1871/72 in Wien und kam dort am 26. Oktober 1873 unter des Meisters eigenen Leitung zur Aufführung. Sie ist mit offenbarer Absicht im Bau möglichst einfach und übersichtlich gehalten, ohne freilich, daß Bruckner darum die Eigentümlichkeiten seiner Muse preis gegeben hätte. Der erste Satz (Moderato, c-moll, allabreve), stellt zunächst sehr klar die thematischen Gegensätze auf: eine drängende, bewegte, doch nie aus einer gewissen verhaltenen Leidenschaft herauskommende Hauptthemengruppe, und eine gesangvoll in warmen friedsamen Klängen dahinfließende Seitengruppe. Die geheimnisvoll beginnende Durchführung spielt beide Stimmungen gegen einander aus. Der Ausdruck bleibt meist elegisch überschattet und stets inner lich gebändigt, ohne fessellose Gefühlsausbrüche. Wiederholung des Themen teils und eine auf kraftvolle Steigerung des Hauptthemas gestellte Coda runden den Satz ab. Das als zweiter Satz folgende Andante (As-dur *U) hat religiöse Stimmung. Es läßt ein Motiv aus Bruckners F-Moll-Messe anklingen. „Benedictus qui venit in nomine Domini.“ „Gesegnet, wer im Namen des Herrn kommt.“ Ein Dankgebet also an die erlösende Macht der Gottheit. Das einfache, inbrünstige Gesangsthema wird in zwei Variationen durch geführt, mit gesteigerter Wärme des Ausdrucks und immer erhabenerer Feierlichkeit, ln höchster, reinster Verklärung entschweben schließlich die Klänge nach lichten Höhen. Das Scherzo (C-Moll 3 /i) poltert in drolliger Plumpheit einher: ein tönendes Abbild urwüchsigen Bauernfrohsinns, dem mit einer wiegenden Flötenmelodie auch die echt Brucknersche Ländlergemütlichkeit nicht fehlt. Im Trio wird intimere Naturstimmung lebendig. Die Bratsche bringt eine fröhliche Volksliedmelodie, deren variierte Entwicklung sich allmählich zur schwärmerischen Träumerei abtönt und in zarten Klangfarben verhallt. Mit prächtiger Gegensätzlichkeit schließt sich die Wiederholung des derben Scherzofrohsinns an. Finale. (C-Moll, Allabreve.) Der im ersten Satz verhaltene und gebändigte leidenschaftliche Trotz bricht im Finale endgültig durch. Er ver körpert sich in dem trio'lenmäßigen Hauptthema, das freilich erst nach längerer gleichsam tastender Einleitung zur Herrschaft kommt. Am Gipfel seiner Entwicklung schlägt die Stimmung und Tonart jäh um: nach C-Moll folgt A-Dur: nach Leidenschaft beschauliche, behagliche Ruhe und Anmut. Mit dramatischer Lebendigkeit wird dieser Gegensatz in der Durchführung ausgebreitet, wobei das trotzige Triolenthema immer bedrohlicheres Ueber- gewicht gewinnt. Da klingen plötzlich beruhigend und ausgleichend-feierliche Choralklänge dazwischen. Nochmal beginnt nach kurzem ehrfürchtigem Schweigen der Wettkampf der Themen. Aber auch die Choralklänge bringen sich kurz vor dem Ende abermals mahnend in Erinnerung, ln einer sieg haften C-Dur-Stretta klingt das Werk jubelnd aus. —h.— 2. Carl Maria von Weber: Ouvertüre zu „Freischütz“ Ein drohendes Unisonomotiv kündet das Emporsteigen finsterer Mächte an. Auch der Friede des Waldes, der in einer ruhigen Hörnermelodie wieder klingt, wird durch eine zu unheimlichem Streichertremolo auftauchende Spuk gestalt gestört. Im raschen Hauptsatz entfaltet sich ein verzweiflungsvolles Ringen des bedrohten Menschen mit den ihn umgarnenden Mächten. Vorübergehend klingen wohl tröstliche hoffnungsvolle Töne herein, aber zu letzt scheint der Kampf doch in Erschöpfung zu enden. Da kündet ein jubelnd sich aufschwingender Schluß doch noch den endlichen Sieg des Guten.