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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 2. Dezember 1961, 19.30 Uhr Sonntag, 3. Dezember 1961, 19.30 Uhr 4. ZYKLUS-KONZERT DIRIGENT Siegfried Geißler SOLIST Manfred Reichelt, Dresden DIE WIENER KLASSIK Karl Ditters von Dittersdorf Sinfonie C-Dur 1739—-1799 Joseph Haydn 1732—1809 Allegro molto Larghetto (attacca) Menuetto (attacca) Prestissimo - Menuetto Konzert für Violoncello und Orchester D-Dur PAUSE Allegro moderato Adagio Allegro Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Es-Dur KV 543 1756—>79> Adagio - allegro Andante con moto Menuetto - allegretto Allegro ZUR EINFÜHRUNG Karl Ditters von Dittersdorf, Zeitgenosse Haydns, mit dem er freundschaftlich verbunden war, darf zu den wichtigsten Vertretern der Wiener Schule gezählt werden. Der ge bürtige Wiener lernte früh das Violinspicl und wurde izjährig als „Kammerknabc“ in die Pnivatkapelle des Prinzen von Hildburghausen aufgenommen, der ihm 1761 eine Stelle im Wiener Hofopcrnorchestcr verschaffte. 1763 unternahm Karl Ditters (so lautete sein eigentlicher Name vor der späteren Erhebung in den Adelsstand) gemeinsam mit Gluck eine Reise nach Italien und wurde dort als Violinvirtuose gefeiert. Zwei Jahre später wurde er Nachfolger Michael Haydns als Kapellmeister beim Bischof von Großwardein in Ungarn und trat dann nach Auf lösung der Kapelle für 26 Jahre in die Dienste des Breslauer Fürstbischofs Graf Schaffgotsch in Johannisberg. Seine letzten Lebensjahre verbrachte der sehr gichtlcidendc Komponist, der nach dem Tode des Fürstbischofs (1796) in bedrängte Lage geraten war, auf dem Schlosse eines böhmischen Grafen, bei dem er ein Unterkommen gefunden hatte. - Dittersdorf hinterließ eine außerordentlich große Anzahl von Werken, neben Kirchenmusik, Kammermusik und Instrumen- talkonzerten allein über 40 Bühnenwerke und über 100 Sinfonien. Ein hochbegabter, wenn auch freilich nicht genialer Musiker, hat der bescheidene, liebenswürdige Komponist, obwohl er sich Zeit seines Lebens nicht aus höfischer Abhängigkeit zu befreien vermochte und durchaus nicht ein bürgerliches Selbstbewußtsein wie etwa Haydn und Mozart besaß, in seiner durch spru delnde Einfallskraft, satztechnisches Können und gesunden, kräftigen Humor gekennzeichneten Musik doch stets eine starke Bindung zur Volksmusik seiner österreichischen Heimat bewahrt, die sich in seinem gesamten Schaffen immer wieder abzeichnet. Besondere Bedeutung erlangte Dittersdorf auf dem Gebiet der Oper. Seine Singspiele, darunter das berühmte „Doktor und Apotheker“ (1786), das anfangs sogar über Mozarts „Figaro“ triumphierte, stellen eine wichtige Stufe der Entwicklung der deutschen komischen Oper dar. Von den oft in kürzester Zeit ge schriebenen und bei ihrer großen Anzahl natürlich nicht gleichwertigen sinfonischen Werken des ehemals sehr beliebten und geschätzten Komponisten wurden vor allem die 12 Programm-Sinfo nien nach Begebenheiten aus Ovids „Metamorphosen“ bekannt. Eine der gelungensten und wichtigsten unter den programmlosen Sinfonien ist die 1787 erstmalig erschienene C-Dur-Sinfonie. Schon die bei Dittersdorf keineswegs übliche große Orchcstcrbesct- zung hebt diese Sinfonie, in der neben Haydnschen und Mozartschcn Elementen auch italienische Einflüsse zu finden sind, etwas aus anderen Werken dieser Gattung heraus, ebenso die von dem Komponisten im allgemeinen nur selten angewandten kontrapunktischen Künste im Schlußsatz. - Im ersten, besonderen Einfallsrcichtum aufweisenden Satz (Allegro molto), der zu Beginn noch Anklänge an die alte italienische Opernsinfonie bringt, wechseln heitere, jubelnde Stimmung mit sinnenden, trüb-wehmütigen Episoden. Das anschließende Larghetto besteht aus einem drei teiligen, zierlich-beschaulichen Hauptthema, drei einfachen Variationen darüber und der Coda, auf die sogleich das 1. Menuett folgt, das thematische Reminiszenzen an den ersten Satz zeigt und von einem als 2. Menuett bezeichneten ruhigen, schönklingenden Trio ergänzt wird. Un mittelbar nach der Wiederholung des 1. Menuetts und der Coda setzt nach einem Halbschluß das durch eine Tripelfuge gekrönte, sprühende Finale (Prestissimo) ein. Den Schluß des Werkes aber bildet als Besonderheit die nochmalige Wiederholung beider Menuette, die die Sinfonie in der Rückkehr zur Stimmung des ersten Satzes abrunden. Joseph Haydns konzertantes Schaffen besitzt nicht die Bedeutung wie seine Sinfonik. Seine zahlreichen Violin-, Violoncello- und Klavierkonzerte, zumeist Gelegenheitsarbeiten, sind bis auf ganz wenige Ausnahmen vergessen. Allenthalben erklingen noch das D-Dur-Klavier konzert, das Trompetenkonzert in Es-Dur und — von den insgesamt sechs bis acht Ccllokonzcr- ten - das in D-Dur, das allerdings zu den beliebtesten Konzertwerken für dieses nicht eben reichlich mit virtuoser Literatur versehene Instrument gehört. Obwohl noch immer nicht restlos geklärt werden konnte, ob das Violonccllokonzert D-Dur tatsächlich von Haydn stammt, erfreut es sich seit jeher der Gunst der Spieler und Hörer durch seine eingängige, kantable, empfin dungsreiche Melodik, seine Klangschönheit und seine klare dreisätzige Form. Der Cellopart ist ungemein dankbar für den Solisten. Er bietet reichlich Gelegenheit zu virtuoser und tonlicher Entfaltung. Am inhaltsreichsten sind die beiden schnellen Ecksätze, die das etwas verhaltene Adagio umsäumen. Schwärmerischer Ausdruck kennzeichnet den ersten Satz. Das Schlußrondo wird von kapriziöser Munterkeit beherrscht, obwohl auch hier der schwärmerische Ton bzw. leidenschaftlich drängende Moll-Episoden als Kontraste begegnen. Wolfgang Amadeus Mozarts große Es-Dur-Sinfonie KV 543 ist eine der berühmten letzten drei Sinfonien des Meisters, die auf diesem Gebiet seines Schaffens Ab schluß und Höhepunkt zugleich darstellen. In unmittelbarer Folge wurden die Es-Dur-Sinfonie nach Mozarts Katalog am 26. Juni 1788 beendet und die Sinfonien g-Moll KV 550 und C-Dur KV 551 im Sommer 1788 in der unfaßbar kurzen Zeit von zwei Monaten niedergeschrieben. Es ist uns kein bestimmter Anlaß für die Entstehung dieser ihrem Charakter nach so verschieden gearteten Meisterwerke bekannt; wir wissen nicht einmal, ob Mozart sie überhaupt jemals auf geführt und gehört hat. In einer Zeit schwerster Existenzsorgen geschaffen (gerade vom Juni 1788 liegen uns verzweifelte Briefe des Komponisten vor), hat die in ihrem Grundton heitere, dem Leben zugewandte Es-Dur-Sinfonie, die später von unbekannter Seite die durch nichts zu rechtfertigende, romantisierende Bezeichnung „Schwanengesang“ erhielt, immer wieder Erstau nen erregt. „Wenn wir sie als Ausdruck von Mozarts persönlicher Stimmung betrachten dürfen, so war die Zeit, wo er diese Sinfonie schrieb, eine sehr glückliche“, bemerkte der Musikwissen schaftler Hermann Krctzschmar. Aber einerseits ist cs natürlich denkbar, daß das Werk in der schöpferischen Phantasie Mozarts bereits vor der Zeit der eigentlichen Niederschrift entstanden ist, andererseits wies auch der Mozart-Biograph Hermann Abert darauf hin, daß sich die Alltags bedrängnisse und Sorgen keineswegs immer unmittelbar im Schaffen des Meisters abzeichneten. Und selbst, wenn wir nicht soweit gehen wollen, hier jeden Zusammenhang zu leugnen, finden wir doch auch in dieser Sinfonie trotz der dominierenden idyllischen Anmut und Daseinsfreude durchaus Kontraste, sinnend-elcgischc wie auch heroisch-pathetische, ja selbst finstere Züge. Einer spannungsvollen, feierlich-prächtigen Einleitung in straffem, punktiertem Rhythmus, die deutlich spürbar „Don Giovanni“-Tönc anklingen läßt, folgen im anschließenden Allegro als Hauptthema oin singendes, sehnsuchtsvolles Thema der Violinen, dem Hörner und Fagotte ant worten, darauf ein energisches Tutti mit mehreren neuen Motiven. Die ungewöhnlich kurze Durchführung dieses Satzes, für den plötzliche Stimmungsumschläge charakteristisch sind, wird vor der Reprise jäh durch eine Generalpausc abgebrochen. - Das in As-Dur stehende Andante, mit einem einfachen, marschartigen Thema beginnend, entfaltet sich in durchsichtiger Instrumen tation von fast kammermusikalischcm Gepräge zu kunstvollem, vielstimmigem Spiel, doch weist auch dieser Satz einige heftig-leidenschaftliche Ausbrüche auf. - Der dritte Satz besteht aus