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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Dienstag, 14. November 1961, 19.30 Uhr Mittwoch, 15. November 1961, 19.30 Uhr 3. Außerordentliches Konzert DIRIGENT Siegfried Geißler SOLISTIN Helene Boschi, Paris Paul Wiese Orchestersuite Nr. 1 „Dumky“ geboren 1894 Comodo Poco moderato Vivace impetuoso L. v. Beethoven •4w»get-Rftt?hffianinoW" Konzert für Klavier und Orchester •^3 -943 c-Moll, Ofr- 18 Op. 3? Allegro con brio Adagio nontenuto ° v.;..,ech^odo Eondo “ Allegro PAUSE Peter Tschaikowski 2. Sinfonie c-Moll, op. 17 I84O—X893 All • Andante sostenuto—Allegro vivo Andante marziale, quasi moderato Scherzo: Allegro molto vivace Moderato assai — allegro vivo — presto Helene Boschi ZUR EINFÜHRUNG Paul Wiese, der heute in Pirna lebende und schaffende Komponist, wurde am 10. Juni 1894 in Braunschweig geboren. Im ehemaligen Posen wuchs er auf. Hier besuchte er auch die Schule und trieb vorbereitende musikalische Studien am Konser vatorium, die vier Jahre lang durch den ersten Weltkrieg unterbrochen wurden. Danach studierte er am Dresdner Konservatorium und legte 1921 das Kapellmeister examen ab. In der Folgezeit war Paul Wiese verschiedentlich an deutschen Bühnen (u. a. an der Dresdner Staatsoper) als Korrepetitor oder Chordirektor bzw. Kapell meister tätig. 1932 legte er unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Hans Joachim Moser das Staatsexamen für Kirchen- und Schulmusik ab. In den letzten drei Jahrzehnten widmete er sich vornehmlich der konzertierenden und kompositorischen Tätigkeit. Vielseitig und umfangreich ist das Werk, das Paul Wiese bisher vorlegte. Es umfaßt vor allem Orchester-, Klavier- und Kammermusik, daneben einige Kompositionen für Orgel, Lieder und A-cappella-Chöre. Seine 1. Sinfonie brachte Rudolf Kempe 1943 in Chemnitz zur erfolgreichen Uraufführung. Beachtung fand auch das fünf- sätzige Divertimento für zwölf Instrumente, das Mitglieder der Dresdner Staats kapelle 1947/48 in Pirna musizierten. Für sein Klavier- und Orgelschaffen setzten sich u. a. Gudrun Brandner-Siegert und Gerhard Paulik ein. Die Dresdner Philhar moniker brachten 1953 unter Franz Jung seine dritte Orchestersuite. Auch das Staatliche Kreiskulturorchester Pirna, das Städtische Orchester Zwickau und das Staatliche Sinfonieorchester Schwerin trugen die Werke Wieses in die Öffentlichkeit. Unter den Orchesterwerken seien hier zumindest die ,,Deutschen Tänze“, die ,,10 slawischen Tänze“, die ,,7 polnischen Tänze“ und unter der Kammermusik vor allem das Klavierseptett, ein Klaviersextett, verschiedene Klaviertrios sowie drei Violinsonaten genannt. Wieses Kompositionen zeigen bei traditionell tonaler Grund lage seine enge Verbundenheit mit der slawischen Folklore, vor allem mit der ur wüchsigen Melodik und vitalen Rhythmik der polnischen Volksmusik, die er in seiner Kindheit und Jugendzeit persönlich kennenlernte. Auch die den heutigen Abend eröffnende, 1946 entstandene und bereits mehrfach aufgeführte Dumky-Suite (1. Orchestersuite) ist der temperamentvollen slawischen Folklore verpflichtet, ihren eigenartig fesselnden rhythmisch-melodischen Elementen. Das Werk will die Freude über die Schönheiten der Natur besingen, zugleich aber auch eine gewisse melan cholische Sehnsucht zum Ausdruck bringen. Kompositorisch wurde versucht, eine Einheit zwischen der Spontaneität slawischer Lied-und Tanzformen und der strengen Form herzustellen. Der erste Satz (Mäßig bewegt) bezieht seine Bewegungsimpulse aus einer bukolisch-tänzerisch anmutenden Melodie, die gleich zu Beginn in den Holzbläsern, vom Streicherkörper rhythmisch grundiert, vorgestellt wird. Diese gesangvolle wellenförmige Weise leitet in ein rhythmisch schärfer profiliertes 2 / 4 -Tanzthema über (zuerst in der Oboe und in der ersten Violine). Der Satz steigert sich zu leidenschaftlicher Aussage und gipfelt in einer Entfesselung der orchestralen Mittel. Der zweite Satz (Poco moderato) entwickelt sich organisch aus dem ersten, allerdings wechselt grundsätzlich der Gefühlsausdruck der Musik, die nunmehr ein beschaulich-idyllisches Naturbild gibt. Aus zartem Streicher-Vibrato löst sich eine pastorale, wiegende Oboenmelodie, die allmählich in eine rhythmisch bestimmtere Tanzliedweise hinüberwächst. Nach einer dynamischen Steigerung wird der Satz mit dem Tanzlied abgeschlossen. Der dritte Satz (Vivace impetuoso) bezieht seine gegensätzlichen Spannungen aus der scharf profilierten Rhythmik und einer knappen, prägnanten Motivformel (zuerst in Flöte und Oboe). Daraus entwickelt sich ein