Volltext Seite (XML)
ZUR EINFÜHRUNG Johann Sebastian Bach (1685—1750), wohl der größte Musiker, den die Menschheit bisher hervor gebracht hat, ist durch die großen Gedenkfeierlich keiten des Jahres 1950 gerade uns Deutschen in einer Art und Weise nahegebracht worden, wie es vorher nicht vorstellbar war. Bach, den man gern nur als Kirchenkomponist betrachten möchte, hat aber eine solche Fülle von weltlicher Musik ge schrieben, daß jene Anschauung einseitig ist. Di^ Brandenburgischen Konzerte sind wohl der Gipfel punkt Bachscher weltlicher Musik. Er hat die sechs Konzerte als Kapellmeister in Köthen geschrieben. Sie sind im Aufträge des Markgrafen Christian Lud wig von Brandenburg komponiert worden und haben daher ihren Namen. Das vierte Brandenburgische Konzert steht in G-Dur Einem Streichorchester, dem sogenannten „Tutti“ (heißt auf deutsch ,,alle“), stehen drei Einzelspieler oder Solisten gegenüber, nämlich ein Geiger und zwei Flötisten. Diese Solistengruppe nennt man das „Concertino“, die kleine Konzertgruppe — das ge samte odef das volle Orchester nennt man hier bei Bach und seinen Zeitgenossen „Concerto grosso“. Die beiden Gruppen befinden sich in einem Wett streit (concertare heißt streiten). Das ist der Sinn dieser Konzerte. Im Wechsel zwischen Solisten und dem vollen Streichorchester entstehen reizvolle far bige Kontraste, der Virtuosität der Solisten wird Rechnung getragen, und die männlich-herbe Sprache Bachs führt das Zwiegespräch der beiden Gruppen auf eine bedeutende geistige Höhe. Aber trotzdem ist Bachs Musik von allen Menschen zu verstehen, weil er aus den Tiefen des Volkstums schöpft. Die drei Sätze sind mit größter Meisterschaft geschrie ben. Der erste ist vorwärtsdrängend und lebendig, fast tanzfreudig. Der zweite ist voll tiefer Innerlich keit und Verhaltenheit. Der dritte Satz ist polyphon gearbeitet und enthält eine Kraftfülle, die ganz selten in der Musik wieder erreicht worden ist. Bach hat sein ganzes Leben mit Stolz auf seine Kapell- meisterzeit in Köthen und die dort geschriebenen Werke gesehen. Er hatte allen Grund dazu. Wolfgang Amadeus Mozart (1756—1791) ist neben Bach das andere unbegreifliche musikalischeWunder. Er hat in seinem kurzen Leben eine solche Fülle von Werken geschrieben, daß mehr als ein halbes Tau send zusammenkam. Später sind alle seine Werke in einem Verzeichnis katalogisiert worden. Man nennt dieses Verzeichnis nach seinem Herstellerdas Köchel verzeichnis. Darin hat das Violinkonzert in A-Dur die Nummer 219. Das Werk ist 1775 komponiert worden, als Mozart 19 Jahre alt war. Es gehört mit zu Mozarts bedeutendsten Werken. Es ist in der Form abgerundet, im Inhalt vollendet, so daß man von einem klassischen Werk sprechen muß. Der erste Satz ist in der damals neugewonnenen Sonatenform geschrieben, mit seinen zwei Themen, die männliche Kraft und weibliche Zartheit ausdrücken sollen. Der zweite Satz ist ein Adagio mit einer überfülle von bezaubernden Melodien. Mozart beginnt den Schluß satz mit einem Menuett, das die volkstümlichen Tanzweisen Österreichs enthält. Pausenlos schließt sich daran das Schlußrondo von größter Aus gelassenheit und Lustigkeit an. Eigentlich sind es also vier Sätze, wie sie in der Sinfonie üblich sind — aber durch die Zusammenziehung von Menuett und Rondo zu einem Schlußsatz erzielt Mozart die für das Solokonzert üblichen drei Sätze. Es ist über flüssig, zu sagen, daß er der Solo-Violine dankbare virtuose und melodische Aufgaben stellt. Mit einer kurzen Wiederholung des Menuetts rundet Mozart den Schlußsatz und damit das Konzert ab, von dem wir wissen, daß er es oft selbst als Solist gespielt hat. Anton Bruckner (1824—1896) schrieb an seiner 4. Sinfonie, die er selbst die „Romantische“ nannte, mehrere Jahre, nämlich von 1874 bis 1880. Die Wiener Philharmoniker hatten das Werk erprobt und mit der Bemerkung zurückgegeben: „Nur der erste Satz ist aufführbar — das übrige verrückt“. Bruck ner hat mit diesem Werke etwas Unvergängliches geschaffen. Er hat in ihm seine ganze große Sehnsucht nach etwas Unnennbarem ausgesagt. Sein Biograph, Ernst Decsey, faßte dies in folgende Worte: „Natur andacht, die ein großer Heimattraum ist, wie ihn die Vereinsamten der großen Städte träumen.“ In vier ausgedehnten Sätzen (das Werk steht in Es-Dur) ent faltet Bruckner ein gewaltiges Bild seiner inneren Gesichte, seiner Phantasie. Es ist unmöglich, in knappen Worten und kurzen Sätzen einen Über blick über die von Bruckner in diesem Werke ge leistete ungeheure handwerkliche Arbeit zu geben. Die Gedahken und Einfälle sind in einer solchen überfülle vorhanden, daß die üblichen zwei Themen, die sonst im ersten Satz einer Sinfonie auftreten, gar nicht genügen, sondern daß er Themengruppen schaffen muß und sogar ein drittes musikalisches Thema hinzufügt. Es genügt, wenn der Hörer emp findet, daß in Bruckners Werk ein Reichtum sonder gleichen aufquillt. Der zweite Satz ist in seiner Grundhaltung melancholisch. Bruckner soll gesagt haben, er drücke die Stimmung der „zurückgewiese nen Liebe eines verliebten Burschen“ aus. Heute sieht man in diesem Satz den Ausdruck dafür, daß alles vergänglich sei. Der dritte Satz dagegen, ein echtes Brucknersches Scherzo, ist voll von echter Naturbejahung. Er führt uns eine Jagd vor in den deutschen Wäldern. Man riecht förmlich den Duft des Waldes, man hört den lustig schmetternden Hörnerschall. Das Trio trug ursprünglich die Über schrift : „Tanzweise während der Mahlzeit zur Jagd“. Der Schlußsatz faßt in der Hauptsache das gesamte Werk noch einmal zusammen, hebt es aber empor in eine überirdische Welt. Feierlich und erhaben klingt die Sinfonie aus, die zu den bekanntesten und beliebtesten Sinfonien Bruckners gehört. Johannes Paul Thilman VORANKÜNDIGUNG Sonntag, 21. Oktober: Dienstag, 23. Oktober: Sonntag, 28. Oktober: Sonntag, 11. November: Sonntag, 18. November: 1. Beethoven-Abend (Öffentl. Hauptprobe: Sonnabend, 20. Oktober) Werke von Hindemith (Requiem) und Dobias Werke von Schostakowitsch, Gerster, Beethoven (7. Sinfonie) 2. Philh. Konzert (Griesbach, Prokofieff, Reger, Mozart-Variationen) 2. Beethoven-Abend (Öffentl. Hauptprobe: Sonnabend, 17. November)