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BENJAMIN BRITTEN Serenade op. 31 1. Pastorale (Cotton) Der Tag wird alt, die Sonne sinkt, nur kurz ist ihres Wagens Bahn. Die Rosse ziehn im Zügel fest heimzu den Wagen hügelab. Die Schatten dunkeln riesengroß; der Dornbusch gleicht dem Zederbaum, Maulwurfs Haus dem Berg, und der Käfer wandelt sich zum Fabeltier. Der kleinen Herde Winzigkeit verdreifacht sich im Schattenspiel. Der schlanke Hirte folgt der Schar gewaltig wie ein Polyphem. Und abends auf des Dorfes Platz findet sich jung und alt beim Schwatz, bis Phoebus nach des Tages Hast im Westen findet Ruh und Rast. 2. Nocturno (Tennyson) Der Abend glänzt in Schlosses Stein und rötet schneebedeckte Berge. Ein Abglanz schimmert überm See, der wilde Wasserfall stürmt vom Felsen. Horn, schalle hell, wecke das wilde Echo — schalle, Horn! Klinge wider, Echo — ldinge, klinge! Nun horch und hör, wie zart und klar und zarter, klarer noch von ferne. . . Wie süß und bang vom Klippenhang das Horn von Elfland leis verklingend. Horn, wecke uns des Purpur tales Stimme. Schalle, Horn, klinge wider Echo, klinge, klinge, . . Mein Lieb, es stirbt am Firmament, es stirbt an Hügels Hang am Ufer. Des Echos Ruf von dir zu mir erklingt für ewig und für immer. Horn, schalle hell, wecke das wilde Echo, und klinge wider, Echo, klinge, klinge.. . 3. Elegie (Blake) O Rose, du siechst; der heimliche Wurm im Schutze der Nacht, in des Sturmes Geheul: Er fand deines Bettes Purpurpracht, und du stirbst am Geheimnis der Liebe. 4. Grabgesang (Verfasser unbekannt, 15. Jahrhundert) Nacht um Nacht, Nacht um Nacht, in alle Ewigkeit Feuer, Flut und Kerzenschein, und Christ erbarm sich dein. . . Wenn du von hier den Abschied nimmst in alle Ewigkeit, zum Friedhof führt der letzte Weg, und Christ erbarm sich dein. Die Gaben, die du einstens gabst, in alle Ewigkeit Zierde dir und Ehrenkleid und Christ erbarm sich dein. Wer niemals gab von seiner Hab’ in alle Ewigkeit, Distel und Dorn durchdring sein Gebein und Christ erbarm sich dein. Vom Friedhof führt ein Weg sodann in alle Ewigkeit, zur Schlucht der Furcht kommst du danach, und Christ erbarm sich dein... . Vom Ort der Angst, wenn er dich ruft in alle Ewigkeit, ins Fegefeuer mündet dann dein Weg und Christ erbarm sich dein. Wer aber gab von Speis’ und Trank in alle Ewigkeit, des Feuers Flamme brennt ihn nicht, und Christ erbarmt sich sein. . . .Wer Speis’ und Trank niemals geteilt in alle Ewigkeit, das Feuer durchdringt ihm Fleisch und Bein; — o Christ, erbarm dich sein.. . Nacht um Nacht, Nacht um Nacht, in alle Ewigkeit Feuer, Flut und Kerzenschein und Christ erbarm sich dein. 5. Hymne (Ben Jonson) Königliche Jägerin, sank in Schlummer Helios, steigst du auf den Silberthron Hof zu halten eh und je. Hesperus erfleht dein Licht. Göttin, Göttin, o versage dich ihm nicht. Erdenschatten soll sich nicht stellen vor dein Angesicht. Cynthias Leuchte ward gesetzt an den Himmel nach dem Tag. Segne uns mit deinem Licht, Göttin, Göttin, o versage dich uns nicht. Leg den Perlenbogen ab und den Köcher aus Kristall, gönne Atemholens Lust fiücht’gem Hirsch, so kurz sie sei. Du verwandelst Tag in Nacht, Zaub’rin du. Göttin, Göttin, o versage dich uns nicht. 6. Sonett (Keats) Du Wächter an dem Tor zur Mitternacht, ach schließe gnädig meines Auges Lid, das Dunkel sucht. Der Tag hat müd gemacht; nun spende mir Vergessens Gnadenlohn. O süßer Schlaf! Und wenn du magst, über dem Gebet schließ meines Auges Lid, oder beim „Amen“, eh’ des Mohnkorns Saat sproßt um mein Bett und lullt mich gnädig ein. Hilf mir, o, hilf mir von der Sorgenlast des Tages, der nun endet; sie war für mich zu schwer, behüte mich vor den Gedanken, bohrend in Nächten, wie der Maulwurf, der seinen Weg sich wühlt. Mit festen Händen schließe schnell das Schloß, versiegle meines Herzens stillen Schrein.