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Der erste Gesang der „Quattro Canzoni" verzichtet aufs Wort. Nur der Schmelz der Stimme soll wirken. Die Melismen des Gesanges sind eingebettet in einen irisierenden impressionistischen Klang. Der zweite Gesang gibt einer traumhaften Stimmung Ausdruck. Xylophon. Vibraphon und Tam-Tams verleihen ihm seine Sonderfarbe. Im dritten Gesang schlügt Egk Ständchen töne an. Ein Liebhaber singt seine Verlassenheit der Angebeteten seines Herzens zu — er klagt sie (immer Gitarre klimpernd) der Grausamkeit ihm gegenüber an. Das letzte Lied ist die mit Brillanz und Scharm hingelegte Klage eines armen Mannes, der weder Haus noch Bett besitzt und sogar seine Hosen verkaufen würde, für einen Teller Makkaroni. Dieses tarantellen artige Stück atmet alle Wärme und den Glanz des Südens, aber es parodiert auch die Zungenfertigkeit eines Lazaronis. Egk gibt mit den 4 Gesängen zugleich 4 Bilder Italiens, er wirft Schlaglichter auf dieses Volk, das mit seiner „Musik des Südens“ uns Deutsche immer wieder magisch anzieht und in seinen Bann schlägt. Die IV. Sinfonie in f-moll (op. 36) von Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840 bis 1893), geschrieben 1877, gehört zu den selten zu hörenden Werken des großen russischen Komponisten, die im Schatten der berühmten sechsten und auch der oft zu hörenden fünften Sinfonie stehen. Aber zu Unrecht. Es steckt soviel große und bedeutende Musik in diesem Werk, daß die Zurücksetzung gar nicht zu begreifen ist. Sie ist nicht so aus gesprochen pathetisch wie die sechste Sinfonie, aber doch von einer Aussagekraft, die immer wieder zu größter Bewunderung hinreißen muß. Man hat diesem Werk, das der absoluten Musik zugehört, ein Pro gramm unterlegen wollen, das man aus Briefen, die der Komponist einem Freunde schrieb, entnommen hatte. Aber diese subjektiven Auslegungen und Deutungen, die Tschaikowsky nachträglich in das Werk hineingelieimnist hat, können die ursprüngliche und spontane Sprache der Töne nicht umfassend erklären oder gar ersetzen. Er spricht vom Wechsel zwischen düsterer Wirklichkeit und flatternden Träumen vom Glück. Träume seien schöner als das wirkliche Leben. So der erste Satz. Melancholie und Traurigkeit, die Schwestern des Leides, machen den Komponisten mutlos. Dies empfindet er in der Musik des zweiten Satzes. Im dritten will er in den kapriziösen Arabesken und unfaßlichen Figuren Einbildungen und Halluzinationen eines vom Weine berauschten Menschen erkennen. Die musikalischen Bilder sind unverständlich, bizarr, zerrissen. „Man denkt an Nichts", sagt er selbst und erinnert mit diesem Wort merkwürdig genau an die Auffassungen moderner Pessimisten. Tschaikowsky gibt aber ein Rezept für solche freudlose Menschen. „Schau Dich um. Geh ins Volk. Sieh’, wie es lustig ist." „Freue Dich an der Freude anderer, auch wenn Dein Schicksal Dir nahesteht und Dich bedrückt.“ So deutet der Komponist selbst sein Werk, das, nach all diesen Worten, ein pessimistisches, ein Traurigkeit ausstrahlendes, ein düster klagendes Werk ist. Aber es ist erfüllt mit Musik vom ersten bis zum letzten Ton — und daß Tschaikowsky trotz seiner seelischen Niedergeschlagenheit Töne und Klänge, Melodien und Rhythmen fand, ist eigentlich ein verheißungsvolles Zeichen. Und so sollte das Werk wirken. t Johannes Paul Thilman 4. Philharmonisches Konzert am Mittwoch, dem 14. Dezember 1949 Dirigent: Prof. Heinz Bongartz . Solist: Max Michailow, Berlin (Violine) Werke von Poot, Tschaikowsky und Brahms