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ZUR EINFÜHRUNG Das Konzert für Orchester von Fidelio F. Finke entstand 1932. Finke, 1891 geboren, hatte starke geistige Beziehungen zu dem Kreis um Arnold Schönberg in Wien. Er, der von Brahms und Reger herkommt, ver schmolz seine schon immer eigenwillige und charaktervolle Sprache mit den Klängen aus der Schönberg- schen Welt, so daß etwas durchaus Eigenes entstand. Bemerkenswert ist seine Vorliebe für einen kauzigen Humor und eine ausgesprochene Skurrilität, für einen bedächtigen Witz und eine eigenwillige, etwas ver schrobene Abseitigkeit. Aber daneben gibt es musikantische Ausbrüche, philosophisch tiefe Stellen, große Bögen und kraftvolle Impulse. Finke ist durchaus ein Eigener, seine Werke lassen seine Persönlichkeit er kennen. Das Konzert besteht aus 3 Sätzen. Der erste Satz ,,alla marcia“ bringt gleich am Anfang ein gewaltig daher schreitendes Thema, in welchem die Vorliebe für synkopierte Rhythmen auffällt. Rhythmische Verschie bungen der Schwerpunkte bringen eine interessante Note in diesen Marsch, der leise aufhört und damit zum zweiten Satz, einem gedämpften „Notturno“ überleitet. Eine große, gehaltene Stimmung strömt durch diese Musik, die eine Fülle erlesener und seltsam verwobener Melodien ausstreut. Der Schlußsatz ist ein Quodlibet (ein Allerlei musikalischer Art von freier Form), in welchem Finke seine starke Phantasie nicht nur in Hinsicht auf die Erfindungsgabe, sondern auch als instrumentaler Könner beweist. Auch hier eine Vielfalt der Melodien und Themen, eine Menge rhythmischer Feinheiten, die den Satz beleben, eine erstaun liche Kombinationsgabe, die dieses abschließende Stück des Konzertes bereichert. Dieses Werk wird das Bild des Komponisten Finke für uns wesentlich ausweiten. Die Serenade für Tenor, Horn und Streicher, op. 31, schrieb Benjamin Britten 1943- Brittens Name war für uns nach Beendigung des Krieges ein neuer Name am Musikhimmel. Während unserer Isolierung von der Welt war sein Name in der Welt inzwischen ein Begriff geworden. Er, der vor allem durch einige Opern (Peter Grimes, Lukretia usw.) bekannt geworden war, ist — ähnlich Egk — ein ausgesprochenes Theater talent. Seine Musik verarbeitet viele Einflüsse aus verschiedenen Richtungen der Neuen Musik vom Impres sionismus bis zur Atonalität. Die Serenade soll den Charakter der Unterhaltungsmusik, den sie ursprünglich besaß, umformen zu einer geistigen Unterhaltung. Sechs kurze, inhaltlich sehr ähnliche Sätze (deren Texte auf verschiedene englische Dichter zurückgreifenl, werden eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog, die das Horn spricht. Interessant ist, was Britten aus dem Streichorchester herausholt. Durch die Anwendung aller Möglichkeiten (des Pizzikato, des Flageolet, des Glissando, des Trillers, des Vibrato, des Tremolo) erzielt er eine erstaunliche Farbigkeit des Klanges. Im Pastorale wird eine Abendstimmung besungen, die märchenhafte Träume hervorlockt — aber dann zur Ruhe sinkt. ' Im Nocturno, einem farbigen Nachtstück, gesättigt von dunkler Stimmung, blasen Elfenhörner, deren Echos in der Weite der Natur sich verlieren. Auch in der Seele klingen Echos auf. Die Elegie besingt das Schicksal der Rose, die vom Wurm zerstört wird. Das Gedicht „Dirge" eines anonymen mittelalterlichen Dichters regt Britten zu einem düsteren Marsch an, in dem immer und immer wieder der Refrain aufklingt: Christ, erbarm sich Deiner Seele! Die Hymne schlägt die Töne einer Jagd an, in ihr kann das Horn seine Künste zeigen. Besungen wird die Mondgöttin und der Abendstem. Das abschließende Sonett gibt ebenso mitter nächtigen Stimmungen Ausdruck. Die Serenade beschwört alle Eigentümlichkeiten der Romantik: Nacht, Traum, Tod, Stern und Sehnsucht werden zum Klingen gebracht. Britten wendet sich in diesem Werke jenem dunklen, aber auch süß-geheimnis vollen Reiche der Seele zu und verklärt es durch farbige Klänge. Werner Egk (geboren 1901) schrieb 1932 die „4 Gesänge“ für Tenor und Orchester. Egk ist eine starke Persönlichkeit im neuen deutschen Musikschaffen. Er wirkt durch die eigenartige Mischung: Die starke Triebhaftigkeit seines Wesens in einer ausdrucksgesättigten Sprache zu verkünden und sie in ein Orchester gewand zu hüllen, das in seiner Farbgebung sehr neuartig ist. Egk ist vor allem Theatermensch, Musik sieht er als dramatische Kraft an, als ein Mittel, eine überzeugende Gestik zu erzielen. Er weiß um die Geheimnisse des Theatralischen, das neben vielen anderen Eigenheiten des Eros der menschlichen Stimme nicht ent- raten kann.