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Erläuterungen Georg Schumann, Variationen und Gigue über ein Thema von Händel (beendet 21. Juli 1924). Professor Dr. Georg Schumann, der 1866 in Königstein (Elbe) geborene be kannte Dirigent der Berliner Singakademie (als solcher z"gleich Mitglied der Akademie der Künste) trat mehrfach als Komponist von Konzertwerken hervor und zeichnete sich dabei als vollkommener Beherrscher des klassizistischen Stiles etwa Brahmsischer Richtung aus. Seine Stärke liegt weniger in der Erfindung eigenpersönlicher Thematik als vielmehr in der Fähigkeit, Themen mit allen technischen Künsten des polyphonen Satzes in Chor oder Orchester zu verarbeiten. Tonsetzer dieser Art sind gewöhnlich tüchtige Variationenmeister. Das heißt sie vermögen ein Thema in allen denkbaren Abwandlungen vorzuführen: verlängert, verkürzt, anders har monisiert oder instrumentiert als Marsch, Walzer oder sonst irgendwie verkleidet. Ihre Stärke liegt nicht im Neuschaffen, sondern im Umschaffen von Themen. Gern wählen sie dazu Themen, die von genialen Melodikern erfunden wurden, wie in dem vorliegenden Falle: von Händel. Nach einem von den Streichbässen lange, ganz leise gehaltenen, tiefen E tragen die Fagotte und Klarinetten das freundliche Händel-Thema vor. Dann be ginnen die Streicher mit den Bläsern als Antwortende die erste Variation vorzu bereiten. Sie selbst setzt Allegro (rasch) ein. Scharf rhythmisiert, gezackt er scheint Händels Thema, aus der Tiefe der Streicher in die Höhe der Bläser springend. Als besonderen Reiz bringt Schumann inmitten des Satzes ein Wechselspiel herunter stürzender und heraufstürmender Skalen (Tonleitern). Im folgenden Molto an dante cantabile (gesangsmäßig, langsam) wird das Thema zum Choral, feierlich von Hörnern und Tuben gespielt. Klarinetten und Oboe singen eine weiche Gegen melodie. Im Andantino molto grazioso (zierlich bewegt) spinnt zu duftigen Harfenläufern und einem wiegenden Klarinettenrhythmus die Flöte eine graziöse Linie. Allmählich kommen die anderen Instrumente dazu, aber alle in Zurückhaltung. Das folgende Presto (ganz schnell) ist ein Fugato, d. h. es wird nach bestimmten Ge setzen das, was vorher in einer Stimme oder auch Gruppe von Stimmen (wie im .vorliegenden Falle) vorgespielt wird, in andern Stimmen nachgeahmt. Im Andante Pespressivo (ausdrucksvoll, gehend), einem duftigen Frühlingsbild, spielen zwei Harfen die beherrschende Rolle, mit ihrer vom Säuseln zum Schwirren und im Verein mit dem übrigen Orchester gar zum Rauschen anwachsenden, dann wieder verklingenden Bewegung. Das Molto Allegro (sehr rasch) jagt ein energisches, markiertes Motiv durch alle Klangzonen von der Tiefe zur Höhe. Das gegenseitige Ablösen von Streichern und Bläsern im Vortrag des ganzes Motives oder auch nur von Teilchen gibt dem Abschnitt interessantes Leben. Das Molto Adagio (sehr ruhig) bringt zu nächst, vom Streichquintett vorgetragen das Händel-Thema im zarten Piano, natürlich nicht ganz getreu, sondern verwandelt. Die Halbtonfortschreitung (Chromatik), die hier besonders hervortritt, gibt dem Ganzen etwas Weiches, ebenso auch dem kurz danach folgenden fugierten Allegro. Allmählich beruhigt sich die Bewegung und leitet über zum Adagio molto espressivo (sehr ausdrucksvoll), welches wieder eine weiche Linie in stetiger Steigerung bis zur größten Stärke entwickelt, dann aber bis zum Verhauchen abebben läßt. Reizvoll wird der Giguen-Satz (Gigue ist ein alter französischer Tanz; das Wort ist ein Spottwort für Fiedel, Geige) mit Signalrufen der Hörner eingeleitet. Eine sehr geschäftige 12 / s -Bewegung ergreift nach und nach das ganze Orchester. Zuletzt erstrahlt bei Verbreiterung des Zeitmaßes das ver änderte Händel-Thema im höchsten Glanze. In feierlichem Adagio klingt das ganze Werk aus.