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ZUR EINFÜHRUNG Die Musik zu dem Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ schrieb Beethoven um 1800. Von den 16 Nummern des Balletts, das bei der Uraufführung 1801 nur wenig Widerhall fand, wird heute zumeist noch die Ouvertüre gespielt. Prometheus war eine Heldengestalt aus der griechischen Sage, ein Göttersohn, dem später die Schöp fung des Menschen zugeschrieben wurde. Die Geschichte der Menschenschöpfung, tänzerisch dargestellt, war auch der eigentliche Inhalt des Balletts. Durch dieses Werk wurde Beethoven von Schikaneder, dem Textdichter der „Zauberflöte“, an das damals neue „Theater an der Wien“ verpflichtet. Hatte Beethoven 1801 noch in einem Brief ausgesagt: „Ich habe alles geschrieben bis auf Opern!“, so kam er jetzt mit dem Theater in engste Verbindung, und wenige Jahre später, 1804, begann der Meister seine einzige Oper zu schreiben, das Meisterwerk „Fidelio“. Die Ouvertüre zu dem Prometheus-Ballett ist ein lebendiges, frisch empfundenes Werk, in dem die musikalischen Hauptgedanken lose aneinandergereiht werden. Nach einer langsamen Einleitung erklingt ein schneller Satz, aus dem Heiterkeit, beschwingte Freude und tänzerischer Übermut sprechen. Den gleichen musikali schen Gedanken finden wir wieder in Beethovens Variationen für Klavier, op. 35, und im letzten Satz der 3. Sinfonie (Eroica). 1795 schrieb Beethoven sein erstes Klavierkonzert op. 15 in C-Dur und brachte es vermutlich noch im Dezember des gleichen Jahres zur Uraufführung. Der Anlaß war der, daß Joseph Haydn, bei dem Beethoven eine kurze Zeit Kompositions unterricht genossen hatte, nach London eingeladen war, um dort zu dirigieren. Um sich von der Wiener Musikgesellschaft zu verabschieden, veranstaltete er eine Akademie, also ein öffentliches Konzert gegen Eintritt. Er forderte Beethoven zur Mitwirkung auf, der dabei als Pianist dieses Klavierkonzert vortrug. Beethoven war in Wien schon als guter Klavierspieler bekannt, vor allem aber als Improvi sator, also als ein am Klavier seinen Einfällen sofort nachgehender Musiker. In seinem ersten Konzert, op. 15, zeigt Beethoven sein pianistisches Können. Er hat, wie es damals üblich war, zunächst durchaus für seine eigene Technik und seine eigene pianistische Fähigkeit geschrieben und hatte eben dabei den Ehrgeiz, sein Können ins beste Licht zu rücken. Läufer, gebrochene Akkordketten, Triller, Trioiengänge und eine besondere Geläufigkeit und Geschicklichkeit der rechten Hand, der Virtuosenhand, zeichnen den ersten Satz aus. Er wird eingeleitet von einer großangelegten Orchestereinleitung im Hauptzeitmaß, die den klassischen Grundriß, die Zweithematik, aufzeigt. Das Soloklavier ist vor allem an der aus gedehnten Durchführung beteiligt. Im Largo, dem zweiten Satz, der in der später für Beethoven so charakteristischen Tonart As-Dur steht, klingen schon solche Töne an, die Beethoven einst von seinen Zeitgenossen abhoben. Auch hier ist dem Klavier vor allem die Aufgabe der Zier, der Ausschmückung gegeben — doch tritt im zweiten Thema dieses Satzes die Beethovensche As-Dur-Romantik schon einmal klar zutage. Das Rondo am Schlüsse beginnt mit einem lustig tollenden Thema des Soloklaviers, das vom Orchester in seiner Ausgelassenheit nochmals bekräftigt wird. In den Zwischenspielen ist für den Solisten genügend Raum zur Entfaltung einer derb fröhlichen Virtuosität — und dieser glasklare, durchsichtige Satz endet in einer überschäumenden Stretta. Beethoven steht darin noch ganz im Banne Haydns — und das ist keinesfalls etwas Schlechtes und etwa Beethovens spätere Größe Herabwürdigendes. Gottfried Schmiedel 1802 sagte Beethoven zu seinem Freunde Krumpholz: „Ich bin mit meinem bisherigen Schaffen nicht zufrieden; von nun an will ich einen neuen Weg betre ten.“ Dieser Ausspruch ist ein Beweis dafür, daß ab und zu auch das Neue in der Kunst „gewollt“ ist, was viele Menschen nicht gern wahrhaben möchten. Bei Beethoven war es in Hinsicht auf seine Dritte Sinfonie, die „Eroica“, so. Diese Heldensinfonie, diese einem Heros geweihte Musik soll nicht nur seinem Drang nach Neuem Ausdruck verleihen, sie soll auch Spiegel des Zeitgeschehens sein. Beethoven bewunderte Napoleon in seiner Eigenschaft als Erster Konsul der neuen französischen Republik, er bewunderte seine Willenskraft und die Größe seines Charakters, er sah in diesen Eigenschaften die Hauptmerkmale eines „Helden“, der für den Frieden und nicht für den Krieg arbeitet. 1804 aber setzte sich Napoleon die Kaiserkrone auf und enttäuschte damit Beethoven aufs tiefste. „Ist der auch nichts anderes als ein gewöhnlicher Mensch? Nun wird er auch alle Menschen rechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden!“ Die Widmung an „Bonaparte“, die vor dem Werk stand, mußte verschwinden. Beethoven nannte sie die „Eroica“. 1805 wurde diese Sinfonie mit dem Hinweis auf die Vorstellung des Heldenhaften, den Empfindungsausdruck des Heldischen, uraufgeführt. Den damaligen Hörern war sie befremdlich wegen ihrer Länge (ein Hörer rief, er gäbe noch einen Kreuzer, wenn es nur bald aufhörte!), ungewöhnlich im Klang, unverständlich im Sinn. Im ersten Satz, der seinen Charakter vom Fleidenthema in Es-Dur erhält, das sich als gebrochener Es-Dur-Akkord ausweist, ist ein Reichtum an Einfällen und Über raschungen, an ungewöhnlichen Wendungen und Neuartigkeiten, ist eine Fülle von Gedanken vorhanden, daß der bisher übliche Zuschnitt an Länge nicht mehr aus reichte. Der zweite Satz ist als Trauermarsch berühmt geworden — aber er ist mehr als ein Marsch, er ist ein schmerzerfülltes, tränenlösendes Seelengemälde. Mit dem dritten Satz schafft Beethoven sein erstes Scherzo. Das ist etwas ganz Neues für das damalige zeitgenössische Schaffen. Er macht diesen Satz den anderen eben bürtig. Der Inhalt ist phantastisch. Das Trio dagegen verbreitet Wohlbehagen und Fröhlichkeit. Der Schlußsatz ist in der Variationsform gehalten. Pathos und Groß artigkeit sprechen aus ihm. So rundet sich das Bild eines heroischen Daseins, das wohl im Grunde Beethovens Dasein selbst war. Johannes Paul Thilman 6473 Ra III-9-5 859 0,7 ItG 009/59