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Beethovens Schüler, schreibt einmal: „Wenn sich Beethovens Spiel durch eine ungeheure Kraft, Charakteristik, unerhörte Bravour und Geläufigkeit auszeichnete, so war dagegen Johann Nepomuk Hümmels (eines Schülers Mozarts) Vortrag das Muster höchster Reinheit und Deutlichkeit, der anmutigsten Eleganz und Zartheit, und die Schwierigkeiten waren stets auf den höchsten, Bewunderung erregenden Effekt berechnet, indem er die Mozartsche Manier mit der für das Instrument so weise berechneten Clementischen Schule vereinigte. Die beiden Parteien feindeten sich mit aller Macht an. Hümmels Anhänger warfen Beethoven vor, daß er das Fortepiano malträtiere, daß ihm alle Reinheit und Deutlichkeit mangle, daß er durch den Gebrauch des Pedals nur konfusen Lärm hervorbringe und daß seine Kompo sitionen gesucht, unnatürlich und außerdem unregelmäßig seien. Dagegen behaupte ten die Beethovenisten, Hummel ermangle aller echten Phantasie, sein Spiel sei monoton wie ein Leierkasten, die Haltung seiner Finger sei kreuzspinnenartig und seine Kompositionen seien bloße Bearbeitungen Mozartscher und Haydnscher Motive . . Das Klavierkonzert in C-Dur, op. 15, ist nach Beethovens eigner Angabe das erste druckreife (obwohl es drei Jahre später komponiert wurde als das B-Dur- Konzert). Es wurde von Beethoven 1798 uraufgeführt, 1801 gedruckt. Der schon erwähnte Tomaschek gibt eine begeisterte Schilderung einer Prager Aufführung des Konzerts durch Beethoven. Auch Ferdinand Ries, ein Schüler Beethovens, schreibt von dem C-Dur-Konzert: ,,Beethoven sagte mir einige Noten, die ich seinen Kom positionen zusetzen sollte ... im Rondo seines ersten Konzerts in C-Dur, wo er mir mehrere Doppelgriffe angab, um es brillanter zu machen. Überhaupt trug er das Rondo mit einem ganz eigenen Ausdruck vor. Im allgemeinen spielte er sehr launig . . . bald gab er in der rechten, bald in der linken Hand irgendeiner Stelle einen schönen, schlechterdings unnachahmbaren Ausdruck!“ Auch Franz Liszt erwähnt das C-Dur- Konzert in seinen Erinnerungen an Beethoven. 1823 brachte ihn sein Lehrer Czerny zu Beethoven, obwohl Beethoven die Wunderkinder — Liszt war reichlich 11 Jahre alt — nicht leiden mochte. Liszt spielte Bach und Ries, faßte dann Mut: ,,Darf ich jetzt etwas von Ihnen spielen? fragte ich. Ich spielte den ersten Satz aus dem C-Dur- Konzert. Als ich fertig war, faßte mich Beethoven an beiden Händen, küßte mich auf die Stirn . . .“ Vom Klavierkonzert Nr. 2 in B-Dur, op. 19, 1795 von Beethoven öffentlich gespielt, 1798 in die heutige Form umgegossen, berichtet Tomaschek weniger günstig: ,»Beethoven spielte diesmal das Konzert in B-Dur. Sein Spiel und die Kompositionen machten nicht den gewaltigen Eindruck auf mich . . . nicht selten wird der unbefangene Zuhörer durch die kühnen Absprünge von einem Motiv zum anderen gewaltsam aus seiner überseligen Stimmung herausgeworfen. Das Sonder bare und Originelle schienen Beethoven diesmal die Hauptsache zu sein ...“ Beethoven betrat mit seinen Konzerten den feingepflegten musikalischen Wiener Kulturboden — noch lebte die Tradition Mozarts, sein von edler Anmut getragenes Klavierspiel auf den zartgebauten Wiener Instrumenten der achtziger Jahre. Von seinem Lehrer Neefe weniger zur gefälligen Wiener Spielart, mehr dagegen zum kraftvoll-ausdrucks reichen Spiel, auf die Ausbildung eines farbenreichen Anschlags, auf die Entfaltung herber Energie dem Instrument gegenüber erzogen, blieb Beethoven in diesen ersten beiden Klavierkonzerten in der äußeren Form wohl der Wiener Tradition treu, in der klavieristischen Ausführung blieb er aber Beethoven! In beiden Konzerten führt traditionsgemäß im ersten Satz (jeweils Allegro con brio) zunächst das Orchester allein das Themenmaterial vor, während — wirkungsvoll durch je einen schönen, langsamen Satz (Largo bzw. Adagio) getrennt — die Final-Ronden munter vom Soloklavier allein begonnen werden. Trotz naheliegender Ähnlichkeit mit den über kommenen Musiziergut, vor allem mit Mozarts Konzertform, spricht hier der junge Beethoven schon seine eigne Sprache. Noch Beethovenscher ist das dritte Klavier-