Johannes Brahms schrieb sein Violinkonzert D-Dur, opus 77, in den Sommerwochen des Jahres 1878, und zwar in Poertzschach am Wörther See, und es ist in dieser Musik — ähnlich wie in der kurz zuvor entstandenen 2. Sinfonie mit der gleichen Tonart — manches von der schönen Landschaft zu spüren. Zugleich aber gibt das Violinkonzert Aufschluß von der heiteren, gelösten Stimmung, in der sich Brahms damals befand. Das Werk ist in engster künstlerischer Gemeinschaft mit dem Geiger Joseph Joachim entstanden, dem das Violinkonzert auch zugeeignet wurde. Eduard Hanslick, einer der gefürchtetsten Kritiker seiner Zeit, nannte das Werk mit Recht „eine reife Frucht der Freundschaft zwischen Joachim und Brahms". Wie in der klassischen Sinfonie werden im ersten Satz zwei gegensätzliche Themen aufgestellt (liedhaft das erste, rhythmisch bestimmt das zweite), die von Brahms frei verändert und umgestaltet werden. Der Satz schließt mit einer technisch ungemein schwierigen Kadenz, die unmittelbar in das Hauptthema übergeht und in einer kurzen Coda verklingt. Das Adagio zeichnet sich durch Klangschönheit und Innigkeit des Gefühls aus. Die Oboe beginnt eine pastorale Weise, die den Grundcharakter des Satzes bestimmt. Nach einem elegischen Zwischenspiel schließt das Adagio mit der Wiederholung des ersten Themas. Der dritte Satz ist ein Rondo (Wiederkehr eines Themas wie im Rundgesang, unterbrochen durch unterschiedliche Zwischenspiele) und erinnert vor allem mit seinem ersten Thema (von der Solovioline in Terzen gespielt), an die rhythmisch beschwingte Volksmusik der Zigeuner. Johannes Brahms wendet sich in diesem Konzert von einer nur äußeren und blendenden Virtuosität ab, die nichts weiter als virtuos sein will. Die Technik wird gleichsam musikalisch beseelt, das Orchester übt keine nur begleitende Funktion aus, sondern wird „zum ebenbürtigen Glied in der Gesamtkomposition" (Eberhard Creuzburg). Das Werk gehört mit Recht zu einem der beliebtesten Violinkonzerte des 19. Jahr hunderts. Es wird in aller Welt gespielt.