Volltext Seite (XML)
Nr. SW Zschopau« Tagevlau u«0 a»zr«grr Sonnabend, de» SS. Dezember tSi G Tannenbaum, o Tannenbaum Die Tanne im Weihnachtsbrauchtum Neberoll brennen jetzt in deutschen Gauen die kleinen Kerzen am Kranz aus duftendem Tannengrün. Und wenn sich ihr Lichterlreis am vierten Advcntstag gerundet hat, oaun folgt das ewig-junge Weihnachiswunder mit seinem glitzernden Tanncnbaum. Wir können uns heute das schönste aller Feste kaum vorstellen ohne Tannenduft und Kcrzcnschein. Und doch ist die Geschichte des Tannenbaums .,IS schimmernder Wächter deutscher Weihnacht längst nicht so alt Ivie andere mit diesem Fest verbundene Bräuche. Ter älteste „Ahnherr- des deutschen Tannenbaums wird vor mehr als 330 Jahren im alten Straßburg be zeugt. „Auff Wcihenachten-, heißt es in einer vergilbten Cbronik von 1605, „richtet« man Dannebäum zu Straß- bürg in den Stuben uff; daran hencket man roßen ans vielfarbigem Papier geschnitten, Aepsel, Oblaten, Zischgolt, Zucker etc. Man Pfleget darum einen Vierecken! Nahmen zu machen.. - Die Sitte, blühende Zweige zur Weih nachtszeit durch den Tannenbaum abzulösen, soll sich in Straßburg schnell eingebürgert haben; nicht eben zur un getrübten Freude des damaligen Münsterpfarrers Dann- hauscr, der um die Mitte des «7. Jahrhunderts schreibt: „Unter anderen Lappalien, damit man die alte Weih nachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begeht, ist auch der Taiiucnbaum, den man zuhause aufrichtct, denselben mit Puppen und Zucker behängt und hiernach schüttelt und abblümen läßt. Wo die Gewohnheit Herkommen, weiß ich nicht Es ist ein Kinderspiel, doch besser als andere Phanlasey .. " Mit Kerzen scheinen jene „Dannenbäumc" noch nicht geschmückt worden zu sein. Auch Peter Hebel erwähnt in seinen Alemannischen Gedichten nichts davon: „Jez wär er nsstafsiert / Und wie ne Maibaum ziert. / Und wenn bis srueih der Tag verwacht, / Hat's Wichnachtschindlie alles mach«" Den brennenden Weihnachtsbaum bezeugt zum ersten mal der Wittenberger Dozent Gottfried Kißling in seiner Schrift „Von heil. Ehrist-Geschenken": Sobald die Ge schenke verteilt und darunter (unter dem Tannenbaum aus- gelcget und die Lichter auf Bäumen und neben ihnen aw gezündet waren, traten die Ihren der Neihe nach ins Zimmer - Auch Jung-Stilling erzählt im „Heimweh": „Mir war S bei diese» Worten zumute, als wie einem Kinde bei den apokrpphischcn.Sprüchen seiner Mntter am Tage vor l dem Ehristfeste: es ahm etwas Herrliches, bis es früh auswach« und zum hell erleuchteten Lebcnsbaum mit ver- I goldctcn Nüssen und zu den Schäfchen, Christkindchcn, Pnppen, Schüsseln mit Obst und Konfekt geführt wird.' Goethe soll den Zauber deS Weihnachtsbaums nicht im elterlichen Hause, sondern später in Leipzig in HM Familie des Kupferstechers Stock kennengelernt haben. DK; Kupferstechers Töchterlein, „Frau Appellmionsgerichtä- räthin" Körner, erzählt, daß der junge Goethe einst d?n Wcihnachtstag bei ihren Eltern verbrachte: „Goethe und der Bater trieben ihren Mutwille«« soweit, daß ste an dem Christabend ein Christbänmchen für Joli, mit allerhand Süßigkeiten behangen, aufstellten, ihm ein rotwollenes Kamisol anzogen und ihn ans zwei Beinen zu dem Tischchen, das für ihn reichlich besetzt war, führten, wäh rend wir mit einem Päckchen braunen Pfefferkuchen, wel chen mein Herr Pathe aus Nürnberg geschickt hatte, uns begnügen mußten. Joli war ein so unverständiges, ja ich darf sagen, so unchristliches Geschöpf, daß er für die von uns unter unserem Bäumchen aufgcputzte Krippe nicht den geringsten Respekt hatte, sondern alles beschnoperte und mit einem Haps das zuckerns Christkindchen ans der Krippe riß und aufknabberte, worüber Herr Goethe und der Pater laut auflachten.." Pon Straßburg aus hat der „Dannenbaum" seinen — wenn auch zuerst nur langsamen — Siegeszug ange- trctcn und sich im Laufe der Jahrhunderts alle deutschen Gaue und Herzen erobert. Die üblichen blühenden Zweige, und kunstvollen Pyramiden mußten ihm Wohl oder übel allmählich das Feld räumen. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts behauptete auch in Berlin noch die „große mit vielen, vielen Lichtern besteckte Pyramide" ihren Platz, und nur in wenigen Häusern wird das fest liche Bild um 1816 schon so ausgesshen haben, wie es Amadeus Hofsmann in seinem Märchen vom Nußknacker und Mausekönig erzählt: „Als das Schönste an dem Wunderbau, der viele goldene und silberne Aepsel trug, und wie Knospen und Blüten keimten Zuckermandeln und bunte Bonbons und was es sonst noch für schönes Nasch- merk gibt, aus allen Aesten, mußte aber Wohl gerühmt wer- deu, daß in seinen Zweigen hundert kleine Lichter wie Stern lein funkelten und er selbst in sich hinein-- und heraus leuchtend die Kinder freundlich einlud, seine Mitten und Früchte zu pflücken." Heute ist der Tannenbaum Allgemeingut geworden, schimmernder Wächter in jedem deutschen Hause. Und die „kleinen Lichter wie St-ernlsin" funkeln über des Jahres dunkelste Tage hinüber zu neuem Hoffen und neuem Leben. / Genesung um Kleines Erlebnis von Du sitzt in der Straßenbahn. Es ist Tauwetler. Die Luft ist feucht, und du verspürst ein leichtes Kratzen im Halse. „Un sinn!" denkst du und blickst durchs Fenster. Da, wie du bei seitwärts gedrehtem Kopf schluckst, verspürst du einen winzigen Schmerz. Dieser eigentümlich ziehende Schmerz im Halse — armer Mensch, wer ihn kennt! Oh, ich kenne das gut! Aber natürlich will ich es nicht gleich wahrhaben — bis dann das Fieber kommt und mir sein Frösteln über den Rücken jagt. So war es auch damals, kurz vor Weihnachten. Meine Frau braute mir einen Grog und packt? zwei Betten über mich. Doch fühlte ich, daß die Mandeln Mischwollen wie Fußballblascn, die ausgepumpt werden. „Es ist ratsam, Sic gehen ins Kranken haus", sagte der Arzt. — „Ist es gefährlich?" fragte Maria. — „Nein", antwortete der Arzt, „aber meiner Ansicht nach ist es ratsam, unser Patient geht ms Krankenhaus." Er legte den Löffel weg, den er mir in den Hals gesteckt hatte, und wusch sich die Hände. „Dann besuche ich dich jeden Tag", sagte Maria und machte ein ausgckratzt mutiges Gesicht, wie sie es immer aufsctzt, wenn ihr zum Weinen zumute ist. So kam ich also ins Krankenhaus. Zwölf Betten standen in dem Saal. In der Nacht gaben Weihnachten Earl Conrad die Atemzüge der Kranken ein Geräusch, wie wenn man nähend einen Faden durch festen Stoff zieht, etwa Leinen. „Sie nähen ihre Totenhemden", dachte ich, und schon saß mir wieder diese Angst am Herzen. Mein Herz war nicht stark. Ich hatte Todes angst. Nach zwei Wochen ging das Fieber zurück. In der Weihnachlsnacht weckte mich Orgelspiel. Ich fühlte meine Knie an. Sie waren kühl, doch fror ich nicht. „Das ist die Gesundheit", dachte ich. Schmerzen beim Schlucken hatte ich auch nicht mehr. Ich lauschte auf das Orgelspiel, dessen Her kunft mir unerklärlich war, ebenso wie die des Gesanges, den ich jetzt hörte. Da ich mich stark fühlte und das Kraftgefühl der Gesundheit mich durchströmte, sprang ich aus dem Bett. Es war Warin im Saal, denn die Heizung schnurrte und brodelte die ganze Nacht. Ich hing mir eine Wolldecke über und begann zu gehen. Obgleich der Äoden nachgiebig zu fein schien wie aufgcweichter Asphalt und beschwerlich wie Sand, war es doch schön, endlich ein»,al wieder zu gehen! Gesang und Musik waren nicht mehr zu hören, aber ich setzte dennoch meine Wande rung fort. Im Korridor lag das Licht der mondhellen Winter nacht. Ich sah durch ein Fenster auf verschneite Bäume und einen Turm... Photo: Scherl (M). Staunende Kinderaugeu am Weihnachtsbaum Da faßt mich jemand mit festem Griff am Arm. Ich drehe mich um und sehe, daß es die Nachtschwester ist. Ich denke: „Jetzt bin ich gesund, was hab' ich jetzt noch mit Kranken schwestern zu tun!" Ich reiße mich los. „Nun gehen wir aber schnell ins Bett", sagt die Schwester sanft. „So spricht man mit Kindern", denke ich verärgert und boshaft und sage: „Das fällt mir gar nicht ein! Erklären Sie mir lieber mal, was das vorhin für ein Gesang war." Sie faßt wieder meinen Arm und sagt: „Hier singt niemand!" — „Doch", sage ich, „Orgel wurde auch gespielt." — „Wir müssen jetzt M Bett", sagt sie. Das war also dieselbe Schwester, die mich, als ich in Fieberphantasien durchs Haus hetzte, immer wieder ins Bett gebracht hatte, und jetzt glaubte sie offenbar, ich phantasiere wieder. Dabei war ich doch gesund. Ich ärgerte mich furchtbar und wollte ihr etwas Unangenehmes sagen. Aber da fiel mir ein, was ich mir in der Nacht, als die Aerzte glaubten, es werd« zu Ende gehen, gelobt hatte: Nie mehr einem Menschen Weh« tun, allen gut sein! Ach, wie schwer das doch ist und wie schnell, wie beschämend schnell man es vergißt! Indessen brachte ich es fertig, zu sagen: „Sie haben recht, Schwester, ich geh' zu Bett." Sie lächelte und hatte nichts da gegen, daß ich mich bei ihr einhakte, und wir gingen durch den langen Korridor bis vor die Tür des Saales, in dem ich lag. „Gute Nacht, Schwester!" sagte ich. „Schlafen Sie gut!" sagt« sie. Ich blickte ihr nach und sah ihre Weiße Haube sich entfernen, Am anderen Morgen brachte sie mir einen kleinen Weih nachtsbaum mit Silberhaar. „Sie hatten doch recht", sagte sie, „wir hatten heute nacht in der Krankenhauskapelle WeH- nachsgottesdienst mit Orgelspiel und Gesang." schwerer Hegen Weihnachtsgeschichte von Walter Persisch Vom Fischdampfer herüber winkt ein Matrose dem Kutter zu. Ein anderer schreit durchs Megaphon: „Schleppen?" — Klas Pütt, der Fischer, schüttelt den Kopf unterm Oclsüdwester. Er will erst zurück, wenn die Fahrt sich gelohnt haben wird. Dreißig Minuten später, bei einer halben Wendung unterm Wind, ist nur noch der Schornstein über der Kimm zu sehen. Klas Pütt steht grübelnd am Steuer. Wäre nicht drei Tage Sturm gewesen, der den Kutter Immer wieder in seine wüsten Fänge klemmte, so könnte er jetzt auf der Heimreise sein, mit Ladung an Bord für Heiligabend, die Ledertaschcn offen für Geld der Fisch händler. Alles ist gegen ihn gewesen dieses Jahr. Lene liegt krank. Sie ist vopi dritten Kind sehr mitgenommen. Der Sommer brachte leere Netze — Wie festgcbttttdeu lag der Kutter die letzten Tage «uter dem Orkan. Der Jnng' — Ostern wird er erst konfirmiert — ersetzte schon einen ganzen Manu. Heute kann er endlich wieder schlafen. Er schnarcht, daß man's hier oben hört. Jan, der Bootsmann, pütschcrt unten in der Küche mit dem Essen. Sie machen gute Fahrt. Man wird heute noch die Netze werfen können — wenn nur der Regen weggcht! Ein paar gute Züge — dann will Pütt sofort zurück. Ter rote Kopf Jans taucht an der Luke auf. Breit kommt der Bursche her und nimmt das Ruder: „Geh man runter, Klas. Dein Essen steht auf'n Tisch. Und denn annßt du auch 'n büschen slasen. Heute abend gibt's Arbeit!" Der Tag hängt diesig unter den Wolken. Zwanzig Nieter und leinen Zoll weiter ist Sicht. So wird cs Abend. Pütt kommt ausgcruht wieder an Deck. Neben ihm der Junge. Sic müssen Netze werfen. „Los!" sagt Klas Pütt. „Morgen ist Weihnacht — da gibt uns der liebe Gott wohl 'n ornlichen Batzen Fisch — für Lene, Jungs!" Sic arbeiten Ivie Pferde. Endlich ist das Schlepp netz richtig vertäut. Sie müssen im Düstern langsam kreüzen. Geisterhaft brennen die Lampen am Mast. Fast ist es Nacht, da gibt es schwere Fahrt. Das Netz füllt sich. In einen dicken Fischschwarm, der nach Süden will, sind sie hineingeraten — von Minute zu Minute verlang samt sich die Fahrt. In der Eiseskälte schwitzend, setzen sie mit klammen Händen den Hilfsmotor in Gang. „Lene wartet nu", meint Jan, Klas nickt. Der Junge hört nichts und steht als erster an der Winsch. Aber er wird zum Ruder geschickt, und Vater und Onkel arbeiten. Kein Vorwärtskommen ist möglich, das Netz ist zu schwer! Da brauchen sie nicht zum zweitenmal auswer- feu — oder nur ein zweites Mal, dann wird der Lade raum bersten von Fischen! Was aber nützt es, das zu wisse»? Die Seile singen hart wie Metall. In den Segeln liegt feucht der Wind und bläst sie wie hohle Säcke voll. Der Kutter stakt mal backbord, mal steuer bord — das Gewicht unter Wasser hält ihn reglos am Fleck. Den Männern läuft der Schweiß über die Backen. Ihre Fäuste reißen sich wund am Eisengriff der Winde. Nicht einen Zentimeter rücken die Zahnräder weiter — die Spule steht. Hilflos tackt der Motor. Eine Stunde und noch eine vergeht. Der Regen klopft und klopft wie mit Totenfingern auf das Holz. Das Netz läßt sich nicht aufwinden. Sollen sie den Fang kappen? Wer weiß, wo sie jetzt liegen, ob ein zweites Netz- vollzukriegen ist? Es muß hereingeholt werden, das schwimmende Gold! Kein Stern steht über ihnen. Die glitzernden Weg weiser sind ,wohl vor-vier Tagen in die See gesaust vor dem trommelnden Ostnordost. Jan holt die kleine tickende Kombüsenuhr von unten und leuchtet mit der Taschenlampe auf die Zeiger. Drei Minuten nach Mitternacht zeigen sie. „Jetzt läutet der Hamburger Michel —" sagt er. „Ja", kommt es frisch vom Bengel rüber, „jetzt muß der Stern aufgchcn, Vadder!" Klas Pütt — er geht sonst nicht zum Pastor, es ist genug, wenn Kindtaufe, Konfirmation, Hochzeit und Be erdigung ihn in der Kirche sehen — Klas Pütt lacht den kleinen Kramper in seinen viel zu weiten Seestiefeln, die man im Düstern nicht sieht, heute nicht aus. „Mutter schläft nu schon —" sagt er bedächtig. Sie stehen zusammen und starren in den blciigen Streif unter der Laterne. Es mögen so Stunden ins Meer fallen mit dem Regen, und Stunden wieder auf steigen aus dem Urgrund, und es wird ein ganz lang sames Dämmern, das die Nässe mit sich fortzieht nach Westen, bis die Segel ganz schlaff hängen unter einem Dach aus Wolken. Jetzt geht Jan dicht an den Fischer ran: „Ich hatte man bloß Angst, daß das blaue Licht auch kommt, der Klabautermann, und Lene uns schon nachts im Traum gesehen hat. Wie die Carstens den Hinnerk, der vor'm Monat geblieben ist, Klas — nu ist bald Tag — denn holt er uns nich mehr!" Klas zieht sein Glas aus dem Rock und starrt ins Weite. Das Wasser wühlt geheim. Es hat etwas vor. — Die Windstille ist auch nicht gut — nach zwei Stunden, es wird bei schwacher Sicht hell, fegt der erste Stoß her über aus Westsüdwest. Sie müssen an die Segel. Wieder wird es still, und da kommt ganz schwach in der Kimmung eine Rauchfahne auf —. Hält« sie den Kurs hierher? Notflagge hoch! Die Männer und der Jung starren, hölzerne Figu ren an Deck, auf den qualmenden Schornstein — Nach einer Stunde g«ht ein Boot herüber. Die Breitseite des Dampfers liegt vor ihnen, Janmaaten Winken mit den Mützen — und das Torpedoboot schleppt Netz und Kutter nach Kiel —. Lene ist aufgestanden und geht durch das Haus. Immer wieder zum Fenster — immer wieder zur Tür — Die alte Mutter wartet an der Brücke mit einem Glas vom Vater und guckt durchs Dunkel nach dem Segler aus. Da legt der städtische Dampfer an — drei Mann steigen aus: Klas, Jan, Fritz der Junge. „Na — denn komm' mit, Großmutter!" Um zehn sieht Lene sie den Weg ans Haus hochkom men, die vier.. Sie springt in der Kälte vor der Tür ihrem Jungen an den Hals — Klas trägt ein großes Paket. Darin ist Wollstoff für die Frau. Er packt sie lachend mit der freien Hand ani Kopf. Hinter ihrem blassen Gesicht, durch die offene Tür, in die der Wind schießt, leuchtet der Baum mi« vielen flackernden Kerzen —