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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 11. September 1971, 20 Uhr Sonntag, den 12. September 1971, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 1. ZYKLUS-KONZERT UND 1. KONZERT IM ANRECHT C Dirigent: Kurt Masur Solisten: Adele Stolte, Potsdam, Sopran Wolf Reinhold, Leipzig, Tenor Jürgen Pilz, Dresden, Violine Christian Collum, Leipzig, Orgel Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Wolfgang Berger Rainer Kunad Konzert für Orgel, zwei Streichorchester und Pauken geb. 1936 (Auftragswerk der Dresdner Philharmonie) Uraufführung Johann Sebastian Bach Konzert für Violine und Streichorchester a-Moll 1685-1750 BWV 1041 Allegro Andante Allegro assai PAUSE Georg Friedrich Händel Cäcilien-Ode 1685—1759 für Sopran, Tenor, Chor, Orgel und Orchester Ouvertüre Rezitativ (Tenor): Durch Harmonie, des Himmels Harmonie Chor: Durch Harmonie, des Himmels Harmonie Arie (Sopran): Wie hebt und senkt Musik der Seele Flug! Arie (Tenor): Der Schall der Trompete Chor: Der Schall der Trompete Marsch Arie (Sopran): Der Flöte Klageton Arie (Tenor): Hell singt der Geige Ton Arie (Sopran): Doch ach, wess' Stimme gleicht Arie (Sopran): Orpheus bezwang die wilde Brut Rezitativ (Sopran): Und doch, Cacilia wirkt noch größ're Tat Sopran und Chor: So, wie durch heil'ger Lieder Macht ZUR EINFÜHRUNG Rainer Kunad wurde 1936 im damaligen Chemnitz geboren. Während det Schulausbildung besuchte er die Volksmusikschule in seiner Heimatstadt und er hielt erste kompositorische Unterweisung durch Paul Kurzbach und Werner Hübschmann. Das nach dem Abitur am Dresdner Konservatorium begonnene Studium schloß er 1959 an der Musikhochschule Leipzig als Schüler der Profes soren Fidelio F. Finke und Ottmar Gerster ab. Zunächst tätig als Dozent für Musiktheorie und Gehörbildung am Robert-Schumann-Konservatorium Zwickau, wirkt er seit 1960 als Leiter und Komponist der Schauspielmusik am Staatstheater Dresden. Neben seinen Dresdner Verpflichtungen ist der Komponist seit 1970 als Mitarbeiter der Entwicklungsdramaturgie der Deutschen Staatsoper Berlin tätig. Kunads bisheriges Oeuvre umfaßt verschiedene Bühnenwerke, ein Orato rium, Orchester- und Kammermusik sowie zahlreiche Musiken zu Schauspielen und Fernsehspielen. Sein schöpferischer Durchbruch erfolgte 1965 mit der Ur aufführung der Einakter „Bill Brook" und „Old Fritz“ an den Landesbühnen Sachsen. Seitdem hat der Komponist, der stilistisch in der Auseinandersetzung mit der Orff-Schule begann, mehr und mehr die Merkmale einer persönlichen Handschrift ausgeprägt. Er geht dabei kompromißlos und kühn zu Werke mit der ihm eigenen rhythmischen Vitalität, seinem ausgesprochen expressiven Wil len - kurz mit einer Haltung, die eine ungemein aktivierende Kraft besitzt. Seine erwiesene musikdramatische Begabung — erinnert sei an die an acht Bühnen der DDR gespielte heitere Oper „Maitre Pathelin“ — hat längst Äquivalente auf sin fonischem Felde gefunden, so in der Sinfonie 64, dem Concerto per archi, dem Divertimento, dem Klavierkonzert (1969). Das Ballett mit Gesang „Wir abet nennen Liebe lebendigen Frieden" wird im März kommenden Jahres seine Ur aufführung an der Dresdner Staatsoper erleben, über sein heute zur Urauf führung gelangendes neues Werk schreibt Rainer Kunad: „Das Konzert für Orgel, zwei Streichorchester und Pau ken entstand 1970/71 im Auftrag der Dresdner Philharmonie und in der gesell schaftlichen Partnerschaft eines Kollektivs der Orgelbauanstalt Jehmlich Dresden, aus deren Produktion die Orgel im Kulturpalast stammt. Das Werk ist der dritte Teil einer Konzerttrilogie, die ausschließlich den Tasteninstrumenten gewidmet ist. Der erste Teil, ein Klavierkonzert, wurde in der vergangenen Saison ebenfalls durch die Dresdner Philharmonie uraufgeführt, während der zweite Teil, ein Konzert für Tasteninstrumente (Cembalo, Klavier, lonica, Celesta) noch der Ur aufführung harrt. Mit der Wahl der Orgel, der Königin der Instrumente, als .Krö nung’ der Trilogie, wird zugleich ein verpflichtender Akzent gesetzt. Alle drei Konzerte verbindet die Auseinandersetzung mit der Bogenform: Untereinander korrespondierende Teile bilden Bögen und demonstrieren die Absicht, die klassi sche dreiteilige Form im Sinne einer Synthese weiterzuentwickeln. Das Orgelkonzert besteht aus fünf Abschnitten (Dialogen zwischen Soloinstru ment und zwei Streichorchestern), die durch Solokadenzen verbunden sind und die in der Folge 1—5, 2—4 miteinander korrespondieren, wobei der dritte Ab schnitt durch die Einbeziehung eines alten Friedenshymnus das inhaltliche Anlie gen formuliert, dem das ganze Werk gewidmet ist: Das Ringen um Frieden als einer Grundaufgabe unserer Epoche. Hineingestellt in das stereophone Span nungsfeld zweier symmetrisch aufgebauter Streichorchester und Paukengruppen, wird die Orgel im dialektischen Wechselspiel zur Verkünderin des Friedens gedankens. Nicht beschauliche, pseudo'-friedliche Idyllik, sondern kämpferische Auseinandersetzung mit dem Ergebnis einer aktiven Friedenshaltung will diese Musik demonstrieren. So wird der alte Hymnus herausgelöst aus seinem ur sprünglichen Kontext und zeitgenössischer Interpretation dienstbar gemacht Diatonisches und dodekaphones musikalisches Material wird dabei miteinander konfrontiert. Das Konzert beginnt mit einer expressiven Solokadenz und erfährt eine Entwicklung harter Auseinandersetzung, die schließlich sieghaft mündet in einen Dur-Schluß: Zielpunkt des Lösungsgedankens dieses Stückes wie der gan zen Trilogie." Jürgen Pilz Christian Collum