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Sehnsucht. Man war mäßig und arbeitsam, um daö Fest recht innig und auSgiebig mit feiern zu können; man vergnügte sich lange vorher mit der bloßen Freude auf das Fest, lange nachher mit der Erinne rung an dasselbe. Seit dem natürlichen Vergnügungstriebc des Vol kes diese wohlthätige Richtung genommen wurde, ist er zur Vergnü gungssucht geworden und hat nebst vielen andern Uebeln auch die ver derbliche Krankheit des Wirthshauslcbcns erzeugt. Man will nun alle Tage sein Vergnügen haben und weiß cs sich nicht und nirgend an ders zu verschaffen als durch langes Sitzen, Rauchen, Spielen und Zechen in den Kneipen. Eine große Menge von Jünglingen und Män nern bringt in der That die größere Hälfte des Lebens im Wirths- hause zu, und selbst die höchst verderbliche Gewohnheit, schon vor Mit tag zu kneipen, greift täglich weiter und tiefer. Den zeitweiligen all gemeinen Rausch der Volksfeste hat man beseitigt, an seine Stelle aber ist ein immerwährender, Leib und Seele aufreibender Dusel getreten. Nicht wer sich manchmal bei besonders freudigen Anlässen berauscht ist ein strafbarer Säufer, sondern wem ein kleiner Rausch zum täg lichen Bedürfniß geworden ist. Der Mangel der Volksfeste aber hat diesen traurigen Zustand bei Tausenden und Tausenden veranlaßt. An erkannt ist cs, daß wir Volksfeste brauchen, aber wie sollen wir sie bekommen? Volksfeste auf hohen Befehl gedeihen nicht. Sic sind an der neukirchlichcn Lcbcnsansicht, an der hoffärtigen Absonderung der obern, an der äffischen Vornehmthuerei der untern Stände, an Hin dernissen und Verboten der ängstlichen Obrigkeiten zu Grunde gegan gen, Alles, was man für sie thun soll, dürfte zunächst im Aufhören jener Hindernisse und Verbote bestehen. Es ist auch in dieser Hinsicht ein neuer Geist in unserm Volk erwacht. Es strebt nach öffentlicher Freude und gibt dies durch Vereine und Feste der mannichfachstcn Art zu erkennen. Man hindere diese wohlthätige Richtung nicht, man för dere sie vielmehr durch Anregung mancher 'volksthümlichen Sitte und Erinnerung und durch volksfreundliche Thcilnahme. ** Berlin, 23. Jun. Aus amtlichem Wege ist heute eine Ueber- sicht der im Jahr 18-11 im gesammten Zollvereine (dessen Bevöl kerung in dem angegebenen Zeiträume 27,142,323 Köpfe betrug) statt- gchabten Waaren-Ein-, Aus- und Durchfuhr, inglcichen der durch Verzollung oder als zollfrei in den freien Verkehr getretenen fremden Waarcn veröffentlicht worden. Daraus mag Folgendes hier entnom men werden: Rohe Baumwolle. Gcsammteinfuhr: 84,871 Ctr., Ein- gangsverzollung 60,669, Ausfuhr: 50,218, Durchfuhr: 37,085. Un gebleichtes ein- und zweidrähtigeS Baumwollengarn. Gesammteinfuhr: 546,588, Eingangsvcrzollung 434,353, Ausfuhr 30,583, Durchfuhr 68,081. Ungebleichtes drei- und mehrdrähtiges, gezwirntes, gebleich tes und gefärbtes Garn 15,522, 6539, 20,173, 5603. Baumwol lene Stuhl- und Strumpfwaaren 76,836, 16,504, 87,013, 50,066. Roheisen aller Art 1,000,257, 986,373, 66,062, 13,743. Weizen 2,412,347, 345,114, 8,108,877, 1,594,-588 Scheffel. Branntwein aller Art 40,247, 29,435, 405,282, 10,912 Ctr. Wein 313,628, 239,116, 136,512, 59,399. Frische Apfelsinen und Citroucn 46,835, 34,588, 38,640. Steinkohlen 4,256,825, 4,245,544, 8,591,732, 73,254. * Dresden, 21. Jun. (Fortsetzung aus Nr. 88.) v. Polenz beginnt die Debatte mit einer Frage an den Referenten nach dem Sinne, den die Deputation mit ihrem Vorschläge verbinde, wenn sie einerseits die vicrundzwanzigstündige Frist in Wegfall bringe,, anderer seits cs aber bei der Einreichung eines Freiexemplars lasse. Referent: Der Verleger habe ein Freiexemplar einzureichen, die Behörde hierüber ein Empfangsbekenntniß auszustellen, und jener dürfe den Vertrieb nicht eher beginnen, als bis er dieses in den Händen habe. Der Un terschied des Vorschlags der Deputation und des Beschlusses der II Kammer bestehe darin, daß nach jenem der Verleger einer Schrift mit deren Vertrieb Anstand nehmen müsse, bis er den Empfangschein er halte, während er nach diesem gleichzeitig mit der Einreichung des Frei exemplars den Vertrieb beginnen könne, v. Wclck: Wenn das Wort „sofort" in tz. 2 stehen bleiben solle, so folge daraus, daß der Blick der Kreisdirectionen in die bei ihnen eingereichten ccnsurfreien Schrif ten nur ein höchst flüchtiger sein könne. Prinz Johann entgegnet dar auf, daß über den Vorbereitungen zum Vertriebe der Schrift, z. B. dem "Verpacken, denn doch in der Regel noch einige Zeit vergehe, so daß wol kaum der Vertrieb sofort mit der Aushändigung des Em- pfangschcinö beginnen werde. Referent: Die Deputation verstehe den Ausdruck „sofort" in dem Sinne von „mit der größten Beschleuni gung". König!. Kommissar: Der Regierung sei es sehr angenehm, daß Lie Deputation durch den Vorschlag, den Vertrieb mit der Aus händigung des Empfangöbekenntnisses beginnen zu lassen, den Ansich ten der Regierung sich einigermaßen genähert habe. Der Herr Com- missar entwickelt nun den Unterschied zwischen der Ansicht der Regie rung und der der Deputation und fährt dann fort: Wenn die Depu ¬ tation sage, 24 Stunden würden nicht zurcichcn, um die cingereichten Schriften besser als oberflächlich zu prüfen, so könne dies als richtig zugegeben werden; aber daraus folge nicht Das, waö die Deputa tion vorschlage, sondern das Gegentheil, da eine Frist von 24 Stun den, wenn sie auch kurz sei, doch immer besser sei als gar keine. Ohne eine solche Frist würde hinsichtlich des Rechts und der Verpflichtung zur Beaufsichtigung und Unterdrückung anstößiger Schriften die Re gierung in der That in ihrer Wirksamkeit zu sehr beschränkt und ge hemmt werden, und häufigere Beschlagnahmen würden von einer zu kurzen Frist die unausbleibliche Folge sein. Referent: Bei der großen Menge von Schriften, welche namentlich vor der Messe bei venKreis- dircctionen eingcreicht werden würden, könnte die Prüfung, auch wenn die Frist eine vierundzwanzigstündige wäre, in nichts Anderm bestehen, als in einem oberflächlichen Blick in das Buch oder auf den Titel, und in diesem Falle würde auch nichts übrig bleiben als die Anord nung vorläufiger Beschlagnahme. Bei dem hohen Interesse, das eine schnelle Versendung mancher Preßcrzeugnissc für ihren Absatz habe, sei daher der Wegfall jener ohnehin ungenügenden Frist eine schonende Rücksicht auf den Buchhandel. Königl. Commissar: Bei dem Kreise, welchen die Schriften über 20 Bogen im Drucke bildeten, würde die Zahl der Fälle, wo die Regierungsbehörde von der Frist von 24 Stun den Gebrauch zu machen Anlaß erhielte, ohnehin nicht groß sein. Aber für die Fälle sei sie doch nothwendig, wo sich gegen Schriften dieser Gattung Bedenken ergäben, um über ihre Anstößigkeit zu einem Ur- thcile zu gelangen. Prinz Johann: Hauptsächlich wegen der Anbah nung einer endlichen Vergleichung mit der II. Kammer sei er für den Wegfall der Frist von 24 Stunden, die er sonst nicht bedenklich halte für den Buchhandel. Bürgermeister Wehner: Aus den Mcßkatalogen ersehe man, daß der Kreis der Schriften über 20 Bogen keineswegs klein sei, und deshalb würde auch eine vierundzwanzigstündige Frist eben so wenig nützen als eine noch kürzere. Er erkläre sich daher für die Ansicht der II. Kammer. Königl. Commissar: Er habe nicht behauptet, daß die Zahl der Schriften über 20 Bogen nicht stark sei, sondern nur, daß darunter nicht viele sein würden, die einer ängstlichen Be aufsichtigung bedürften. Secretair Ritterstädt: Er spreche sich für die Ansicht der Deputation aus. Die Frist von 24 Stunden vertrage sich nicht mit der beabsichtigten Umwandlung der Prävcntivcensur in Re pressivmaßregeln. Bürgermeister Starke: Welches Verfahren sollstatt finden, wenn sich findet, daß nur einzelne Stellen anstößig sind; soll da das ganze Werk mit Beschlag belegt werden? Königl. Commis sar: Die Regierung habe in solchen Fällen nicht die Beschlagnahme oder Confiscation der ganzen Schrift angeordnet, sondern den theil- weisen Umdruck durch Cartons gestattet, und bei diesem Verfahren werde cs auch künftig verbleiben, was Referent als die der Deputa tion schon mitgelheilte Ansicht der Regierung bestätigt. Noch bemerkt Bürgermeister Schill in Betreff des §. I 0.: Man habe so viel von Nachcensur gesprochen. Seines Wissens sei eine solche durch die Ver ordnung vom 13. Oct. 1836 nicht eingeführt worden, sie sei auch nicht bei allen Kreisdirectionen gebräuchlich gewesen. Dies bemerke er, um dem Mißverständnisse zu begegnen, als ob in Sachsen im Allgemei nen eine Nachcensur bestehe. Bei der Abstimmung wurde das Dc- putationszutachten hinsichtlich des tz. 2 des Entwurfs einstimmig ange nommen, ebenso hinsichtlich des ß. 4, dagegen gegen 3 Stimmen (v. Welck, v. Posern und v. Schönberg-Purschenstein) hinsichtlich dcS tz. 3 gegen 2 Stimmen der Vorschlag, den H. 1 e. abzulchncn, einstim mig der Vorschlag wegen Ablehnung der übrigen §§. I c., Ick. und I k. Gegen 2 Stimmen wurde noch der an die Stelle des §. I e. zu setzende ständische Antrag angenommen. (Fortsetzung folgt.) ** Frankfurt a. M., 24. Jun. Wie man aus guter Quelle vernimmt, wird der Erzherzog Stephan von Stuttgart über Wild bad, Baden und Karlsruhe nach dem Rhein gehen und einige Zeit auf dem Johannisberge verbringen. Von dem Fürsten v. Metternich wurden die nöthigen Befehle erlassen, das Schloß zur würdigen Auf nahme des hohen Gastes in den Stand zu setzen. Auf dem nahen Schlosse Numpenheim, der einzigen kurhessischcn Besitzung auf dem lin ken Mainufer, erwartet man im Laufe dieses Sommers unter mehren andern hohen Personen auch den Besuch des Kronprinzen und der Kronprinzessin vonDänemark. Der junge Prinz Friedrich zuHessen, Sohn des Landgrafen Wilhelm, Gouverneurs von Kopenhagen, wird im August von seiner großen Reise, die er nun von Wien nach Pe tersburg ausgedehnt hat, zu Rumpcnheim erwartet. Da diesem Prin zen nicht allein die Negierung in Kurhessen, sondern auch der Thron von Dänemark in Aussicht steht, so ist sein Besuch an den Höfint von Wien und Petersburg nicht ohncpolitischeBcdeutung.—Obgleich "ein Mangel an politischen Zeitungen ist, die hiesigen auch hier und auswärts stark verbreitet sind, wird doch die Ausgabe einer neuen Zeitung, bei welcher sich einige angesehene Bankiers betheiligen wol-