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DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 8. Mai 1970, 20 Uhr Sonnabend, den 9. Mai 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 9. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solist: Klaus Schließer, Dresden, Fagott Franz Schubert 1797-1828 Sinfonie Nr. 3 D-Dur Adagio maestoso — Allegro con brio Allegretto Menuetto (Vivace) Presto vivace Gordon Jacob geb. 1895 Konzert für Fagott, Streicher und Schlagzeug Allegro Adagio Rondo (Allegro giocoso) Erstaufführung Igor Strawinsky geb. 1882 PAUSE Le Sacre du Printemps (Das Frühlingsopfer) Bilder aus dem heidnischen Rußland in zwei Teilen 1. Teil: Die Anbetung der Erde (Introduktion - Die Vorboten des Frühlings, Tanz der Jünglinge — Das Spiel der Entführung — Frühlingsreigen - Kampfspiel der feindlichen Städte — Auftritt des Weisen — Anbe tung der Erde, Tanz der Erde) 2. Teil: Das Opfer (Introduktion — Geheimnisvolle Rei gen der Mädchen — Verherrlichung der Auserwählten — Anrufung der Ahnen - Ritualtanz der Ahnen — Opfertanz der Auserwählten) KLAUS SCHLIESSER wurde im Jahre 1940 in Berlin geboren. Sein Musikstudium begann er 1954 in Sondershausen und bildete sich 1958 bis 1961 an der Franz-Liszt-Hochschule Weimar bei Raimund Mages zum Fagottisten aus. Nach dem Examen wurde er Mitglied der Staatskapelle Weimar. Seit 1966 wirkt er als Solofagottist an der Dresdner Philharmonie. 1965 errang er ein Diplom beim Internationalen Wettbewerb in Budapest, 1968 wurde er Preis träger des Internationalen Wettbewerbes anläßlich des „Prager Frühlings". Klaus Schließer ist Mitglied des namhafen Kammertrios „aulos"; er konzertierte häufig im Rahmen der „Stunde der Musik“ und produzierte Aufnahmen für den Rundfunk. ZUR EINFÜHRUNG Franz Schubert hat einige seiner Sinfonien als recht junger Mensch ge schrieben. So ist auch seine Sinfonie Nr. 3 D - Du r ein Werk, das er mit 18 Jahren schuf. Am 24. Mai 1815 begann er mit der Komposition, am 19. Juli 1815 schrieb er die letzten Noten dieses Werkes. Etwas mehr als anderthalb Monate brauchte er also zur Niederschrift, was schon allein eine bewunderungswürdige Schreibarbeit darstellt. Schubert war mit 18 Jahren noch Mitglied des Kapell- knaben-lnstituts in Wien, als er diese Sinfonie komponierte, also im gleichen Jahre, in dem er einen so genialen Wurf machte wie den „Erlkönig". Ein Genie geht oft wunderliche Wege - und so ist es nicht seltsam, daß Schubert neben die ser schon ganz eigenen und überaus persönlichen Leistung im Liedschaffen sich auf dem Gebiet der Sinfonie noch ganz an frühklassische Vorbilder anlehnt. 1815 sind von Beethoven acht Sinfonien schon geschrieben und in Wien aufgeführt worden, und es ist anzunehmen, daß Schubert diese Werke gehört hat, da er nie ein Hehl daraus machte, wie sehr er gerade den Sinfoniker Beethoven schätzte und verehrte. Hat er nun die Einmaligkeit des Beethovenschen Schaffens gefühlt, da er bei Haydn und Mozart anknüpft? Die Sinfonie klingt also klassisch, oft von einer unbeschwerten Musizierlust erfüllt, die sich vor allem im ersten Satz kaum bändigen kann. Einen eigentlich langsamen Satz gibt es in dieser dritten Sinfonie in D-Dur nicht, dafür steht ein melodienreiches Allegretto, in welchem Schubert auf eine einfache Art das schlichte Thema variiert. Im Menuett wird „geländlert" — allerdings verlangt Schubert schon ein recht lebhaftes Zeitmaß. Der Schußsatz ist ein Rondo von ausgelassener und beinahe übermütiger Haltung, einen Schu bert zeigend, der ganz anders ist als der Schubert der „Unvollendeten". Der englische Komponist Gordon Jacob, 1895 zu London geboren, stu dierte am Royal College of Music Komposition bei Stanford und Vaughan Wil liams, Harmonielehre und Kontrapunkt bei Herbert Howells sowie Dirigieren bei Adrian Boult. 1924 bis 1954 wirkte er als Kompositionsprofessor am gleichen In stitut, wo er ausgebildet worden war. Außerdem trat er in der Öffentlichkeit als Dirigent — vorwiegend seiner eigenen Kompositionen — in Erscheinung. Auch zum Leiter der Royal Amateur Orchestral Society wurde er ernannt. Der mehrfach aus gezeichnete, verdienstvolle Künstler - 1947 wurde er Ehrenmitglied der Royal Academie of Music — zog sich 1954 von seinem Lehramt zurück, um sich fortan nur mehr dem kompositorischen Schaffen widmen zu können. Seine zahlreichen Orchesterwerke, Sinfonien, Suiten, Instrumentalkonzerte (z. T. für seltene Solo instrumente), Kammermusikschöpfungen, Lieder, Chöre, Film- und Schauspiel musiken erweisen ihn als einen Komponisten modern-sachlicher Haltung, als ei nen „englischen Hindemith" etwa, als souveränen Beherrscher der kontrapunk- tischen Satztechnik und der Instrumentation, der auch mit Büchern wie „Orchestral Technique" und „How to Read a Score" Wesentliches zu sagen hat. Das aus den 40er Jahren stammende Konzert für Fagott, Streicher und Schlagzeug in drei Sätzen zeigt Jacobs Verwurzelung in der Tradition ebenso wie es ein charakteristisches Bild von der künstlerischen Persönlichkeit des Komponisten entwirft. So ist der Einleitungssatz (Allegro), der von zwei prägnan ten, jeweils vom Orchester eingeführten Themen getragen wird, durch eine vitale Rhythmik gekennzeichnet, während der kurze Mittelsatz — ein Adagio — die lyri schen Qualitäten des Autors demonstriert. Und das virtuose Schluß-Rondo schließ lich - Allegro giocoso mit Solokadenz — offenbart den musikalischen Humor Gordon Jacobs (das Hauptthema wird sogleich vom Soioinstrument angestimmt). Das aus umfassender Kenntnis von den instrumentalen Möglichkeiten des Fagotts hervorgegangene Konzert ist ein effektvolles, für den Interpreten höchst dank bares Werk und zugleich eine wertvolle Bereicherung der nicht eben umfangrei chen Konzertliteratur für dieses Instrument. Mit dem Ballett „Der Feuervogel" errang im Jahre 1910 in Paris der damals 28- jährige Igor Strawinsky einen Sensationserfolg. In rascher Folge entstan den danach, unter bestimmendem Einfluß des Choreographen Sergej Djagilew, jene beiden Ballette, die den erworbenen Weltruhm des jungen Komponisten