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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 28. März 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 9. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solistin: Annerose Schmidt, Leipzig, Klavier Gerhard Tittel geb. 1937 Konzert für zwei Streichergruppen, Klavier, Pauken, Schlagzeug und Kontrabaß Larghetto — Sostenuto — Animato — Sostenuto Lento Allegro con brio - Larghetto — Allegro vivace Erstaufführung Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester d-Moll KV 466 1756-1791 Allegro Romanze Rondo (Allegro assai) PAUSE Johannes Brahms 1833-1897 Konzert f. Klavier u. Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15 Maestoso Adagio Rondo (Allegro non troppo) ANNEROSE SCHMIDT gab bereits im Alter von neun Jahren Konzerte und legte zwölfjährig eine Prüfung als Konzertpianistin vor einem Gremium der Landesregierung Sach sen-Anhalt ab. Nach langjähriger Ausbildung bei ihrem Vater studierte sie an der Hochschule für Musik in Leipzig bei Professor Hugo Steurer und bestand nach drei Jahren 1957 das Staats examen mit besonderer Auszeichnung. Sie ist Preisträgerin im V. Internationalen Chopin-Wett bewerb 1955, 1. Preisträgerin im Gesamtdeutschen Pianisten-Wettbewerb Leipzig 1955, 1. Preis trägerin im Internationalen Schumann-Wettbewerb 1956 und erhielt 1961 den Kunstpreis der DDR sowie 1965 — während der 13. Westdeutschland-Reise der Dresdner Philharmonie, an der sie als Solistin teilnahm — in Würdigung ihrer hervorragenden Leistungen den Nationalpreis unserer Republik. Konzertreisen führten die erfolgreiche junge Künstlerin u. a. nach der So wjetunion, VR Bulgarien, Jugoslawien, Westdeutschland, Finnland, Schweden, Dänemark, den Volksrepubliken Polen und Ungarn, England, Holland, der CSSR, der SR Rumänien, dem Liba non und nach Ägypten. Außerdem wirkte sie bei den Salzburger und Dubrovniker Festspielen mit. Bei der Dresdner Philharmonie ist Annerose Schmidt ständiger Gast. ZUR EINFÜHRUNG Der heute in Berlin lebende und wirkende Komponist Gerhard Tittel wurde im Jahre 1937 in Vielau bei Zwickau geboren. Er erlernte zunächst in Zwickau den Beruf eines Technischen Zeichners, ehe er das Studium der Musik an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler" in Berlin aufnahm, das er 1963 abschloß. Seine Lehrer waren u. a. Otto Klinge (Violine) und Günter Kochan (Komposition). Nach einer Lehrtätigkeit an der Musikschule in Strausberg wurde er 1964 Aspirant, später Assistent und wirkt jetzt als Oberassistent für Tonsatz und Komposition an der Hochschule für Musik Berlin. 1966 67 erhielt er das Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stipendium des Ministeriums für Kultur, 1967 den Ernst-Zinna-Preis I. Klasse der Hauptstadt der DDR. An Kompositionen entstan den bisher u. a. die Oper „Der Bauer und sein König" (1965), das musikalische Märchen „Die Goldgans'' (1966), ein Konzert für Blasorchester (1966), eine Sonata für Orchester (1966), Musik für Streichorchester (1967), Doppelkonzert (1968), Violinkonzert (1968), „Unsere Liebe" - Konzert für Sprecher, Klavier und Streichorchester (1968), Chorsinfonie „Vom Menschen" (1969), Nonett (1969) sowie weitere Orchester- und Kammermusik. über das heute zur Dresdner Erstaufführung gelangende Werk äußerte der Komponist: „ Das Konzert für zwei Streichergruppen, Klavier, Pauken, Schlagzeug und Kontrabaß komponierte ich 1966. Die Anregung zu dieser Komposition erhielt ich beim Abhören einer Stereoaufnahme. Um einen solchen Stereoeffekt zu verstärken, wählte ich zwei Streichergruppen, wobei die zweite Gruppe bis auf wenige Takte con sordino (mit Dämpfer) zu spielen hat und damit eine dynamische Abstufung von vornherein gegeben ist. Der optische Eindruck bei der Anordnung der beiden Gruppen soll die gewünschte Wirkung noch unterstreichen. Mein inhaltliches Anliegen war die Gestaltung und Überwindung eines Konfliktes. So erscheint das thematische Material des ersten Satzes in kleinen Intervallen, größtenteils im polyphonen Satz, ständig drängend nach einer Lösung suchend. Der zweite Satz ist im wesentlichen besinnlich, wenn gleich eine Lösung noch nicht erreicht ist, in abgewandelter Form erscheint hier wieder das thematische Material des ersten Satzes. Um eine neue Haltung an zudeuten, vermeide ich im dritten Satz Anklänge an das Thema des ersten Satzes. Das neue Thema steht hier, in weiten Intervallen gestaltet, dominierend über einem impulsiven, rhythmisch akzentuierten musikalischen Hintergrund." Das Konzert wurde im Mai 1969 von der Staatskapelle Berlin unter Leitung von Kurt Masur uraufgeführt, der es auch bei den Salzburger Festspielen 1970 mit den Wiener Philharmonikern musizieren wird. Wolfgang Amadeus Mozart hat mit seinen Klavierkonzerten, die zunächst für den eigenen Gebrauch komponiert wurden, einen außerordentlich bedeutenden Beitrag zur virtuosen Klavierliteratur geleistet. Meist sind diese Werke dem Unterhaltungsideal der aristokratischen Gesellschaft der Mozartzeit verpflichtet. Die Reihe der heiter strahlenden, überwiegend in Dur-Tonalität stehenden Werke hat der Salzburger Meister jedoch zweimal mit Konzerten in einer Moll-Tonart unterbrochen, mit dem heute gespielten Konzert d-Moll, KV 466, aus dem Jahre 1785, das übrigens Beethoven sehr schätzte, und später mit dem c-Moll-Konzert, KV 491. In beiden Schöpfungen erscheint uns Mozart als Künder einer neuen Epoche. Die Konvention der feudal-aristokratischen Gesellschafts kunst wird durchbrochen, ja zurückgewiesen. Ein neues Ideal — der Mensch als Individuum — spricht aus dieser Musik. Neue Empfindungen, die auf Beethoven und auf die Zeit der Romantik hinweisen, werden ausgedrückt. Das d-Moll- Konzert KV 466, das der Komponist in einem Subskriptionskonzert am 11. Februar 1785 uraufführte, versetzt uns im ersten Satz (Allegro) in eine