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DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 3. April 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. KONZERT IM ANRECHT C Dirigent: Lothar Seyfarth Solistin: Renate Schorler, Berlin, Klavier Ludwig van Beethoven 1770-1827 Rondo B-Dur für Klavier und Orchester op. posth. Allegro — Andante — Allegro - Presto Sergej Prokofjew 1891-1953 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Des-Dur op. 10 Allegro brioso — Andante assai - Allegro scherzando PAUSE Antonin Dvorak 1841-1904 Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 Allegro con brio Adagio Allegretto grazioso Allegro ma non troppo RENATE SCHORLER, die heute zu den führenden jüngeren Vertretern ihres Faches in un serer Republik gehört, studierte bei den Professoren Heinrich Bergzog und Gerhard Puchelt. Mit 15 Jahren erhielt sie ein Diplom des Bach-Wettbewerbes, 16jährig spielte sie erstmals im Rundfunk, und im Alter von 17 Jahren wirkte sie erstmalig als Solistin in einem Sinfoniekonzert mit. 1960 gewann sie beim VI. Internationalen Chopin-Wettbewerb ein Diplom und vervollkommnete anschließend während eines zweijährigen Studien aufenthaltes in Leningrad bei Prof. Pawel Serebrjakow ihr Können. 1963 nahm sie ihre Konzerttätigkeit — Klavierabende, Rundfunkaufnahmen, Orchesterkonzerte — wieder auf. Konzertreisen führten Renate Schorler u. a. nach Polen und nach Frankreich. Bei der dresdner Philharmonie war sie bereits 1961 und 1968 zu Gast, ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethovens Rondo für Klavier und Orchester B-Dur op. posth. entstand wahrscheinlich um 1795, also im 25. Lebensjahr des Komponisten, der vermutlich dabei auf Vorarbeiten aus seiner Bonner Ju gendzeit zurückgegriffen hat. Möglicherweise, obgleich dies nicht mit Sicherheit zu behaupten ist, war das Stück ursprünglich als Schlußsatz des Klavierkonzertes Nr. 2 op. 19 bestimmt, mit dessen Rondofinale es in Tonart, Taktart (*’ s ) und Orchesterbesetzung — Streicher, Flöte, je 2 Oboen, Fagotte und Hörner — über einstimmt. Die autographe Handschrift, die 1827 bei der Versteigerung des Beet hoven-Nachlasses in private Hand gekommen war und 1829 als Stichvorlage für den Erstdruck gedient hatte, galt jahrzehntelang als verschollen und wurde erst 1898 in Diabellis Nachlaß in Wien wieder aufgefunden. Der österreichische Pianist und Klavierlehrer Carl Czerny, Schüler Beethovens, hatte 1829 die Druckreif- machung des Manuskriptes besorgt, d. h. die Kadenzen hinzugefügt und das in der Handschrift z. T. nur angedeutete Passagenwerk ausgearbeitet. In dieser Ge stalt erklingt das frohgemute, brillante Konzertstück in Rondoform in unserer heutigen Aufführung. Das K I a v i e r k o n ze rt N r. 1 Des - Durop. 10 schrieb Sergej Prlokof jew als Zwanzigjähriger. Die Uraufführung erfolgte im Sommer des Jahres 1912 in Moskau. Viele Hörer standen der jugendlich-aggressiven Vehemenz des Stückes zunächst ablehnend gegenüber. Doch bald trat das strahlend-optimistische Werk, die erste reife künstlerische Leistung des jungen Komponisten, seinen Siegeszug durch die Konzertsäle der Welt an. „Dieses Konzert kann wahrhaft als glänzend bezeichnet werden, glänzend sowohl durch den Charakter seiner Themen wie auch durch die Anlage des Klavierparts, der reich ist an unzähligen und ungewöhn lichen Schwierigkeiten, dabei aber interessant und ansprechend. Prokofjews Kon zert ist eines der originellsten Werke in der Literatur der Klavierkonzerte", urteilte der sowjetische Komponist Nikolai Mjaskowski. „Prokofjew hat das Konzert als einsätziges Werk in Sonatenform geschrieben, hinzu kommen jedoch einige Veränderungen, deren Resultat eine Interpolation des sinfonischen Zyklus in die Sonatenhauptsatzform ist. So ergeben sich folgende Abschnitte: Zunächst erklingt eine Introduktion (Allegro brioso) — mit dem ersten Thema, das in seinen festlich optimistischen Klängen und der stolzen Gestik als Motto für das ganze Werk zu verstehen ist. Dem folgt eine Überleitung (Poco piü mosso), in der das Soloinstrument etüdenartig zur ersten virtuosen Entfaltung ge führt wird, und erst dann setzt die eigentliche Exposition ein. Das Hauptthema ist als schneller Tanz geprägt, der Tarantella oder dem Saltarello verwandt, seiner konzertanten Entwicklung sind verschiedene virtuose Raffinessen eingefügt, von Skalen- und Terzenketten bis zum offensichtlich dominierenden Oktaven- und Akkordspiel. Im Gegensatz dazu prägt die Intonation eines Trauermarsches den Seitensatz (Meno mosso). Weite Intervalle gestischen Charakters und ornamen tale Ausweitungen bestimmen den Solonart und fügen sich zunächst in den Trauermarsch ein, werden dann aber zu einem Animato gesteigert, bis das Tutti wieder zum Thema der Introduktion zurückkehrt und damit die Exposition be schließt. Nach einer Generalpause würde man nun die Durchführung erwarten, es folgt jedoch ein Andante assai mit selbständigem Thema. Es steht hier (im Sinne der zuvor angedeuteten Verschachtelung von Sonate und sinfonischem Zy klus) anstelle eine langsamen Satzes, in der Gestaltungsweise einem Nocturno ähnlich. Die Musik ist von höchster lyrischer Intimität und angefüllt mit virtuosen Verdichtungen. Im Interesse der exakten Interpretation hat der Komponist den Klavierpart teilweise auf drei Linien notiert. Nun erst folgt die eigentliche Durch führung im Allegro scherzando. Tänzerische Elemente beherrschen die Verarbei tung des Haupt- und des Nebenthemas, so daß man den Durchführungsteil auch