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DRESDNER PHILHARMONIE ZUR EINFÜHRUNG Freitag, den 17. April 1970, 20 Uhr Sonnabend, den 18. April 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Carlo Zecchi, Italien Joseph Haydn 1732-1809 Sinfonie Nr. 96 D-Dur Adagio - Allegro Andante Menuetto (Allegretto) Finale (Vivace assai) Wolfgang Amadeus Mozart Divertimento D-Dur KV 251 1756-1791 Marcia alla francese Allegro molto Menuetto Andantino Menuetto (Tema con Variazioni) Rondo (Allegro assai) PAUSE Bela Bartok 1881-1945 Ungarische Bilder Ein Abend auf dem Lande Bärentanz Melodie Etwas angeheitert üröger Hirtentanz Maurice Ravel 1875-1937 Suite „Le Tombeau de Couperin" Prelude Forlane Menuett Rigaudon CARLO ZECCHI, der heute im 66. Lebensjahr stehende italienische Dirigent und Komponist, wurde in Rom geboren, wo er Schüler von Licinio Refice war. In Berlin wurde er sodann von Ferruccio Busoni und Artur Schnabel ausgebildet. Seit 1920 trat der Künstler zunächst als Pianist auf. In dieser Eigenschaft musizierte er 1925 als 22jähriger mit den Dresdner Philharmonikern Liszts Klavierkonzert Es-Dur. In den Jahren 1938 bis 1941 bildete er sich in der Schweiz zum Dirigenten aus. Seither konzertiert Carlo Zecchi, der an der Accademia Nazionale di S. Cecilia in Rom und an der Sommerakademie des Mozarteums in Salzburg lehrt, als Pianist (auch als Begleiter des Cellisten Enrico Mainardi) und vor allem als Dirigent. Gastspiele führten den prominenten italienischen Künstler in viele Musikzentren der Welt, Zu Unrecht ist die Sinfonie Nr. 96 D-Dur von Joseph Haydn ein verhältnismäßig seltener Gast in unseren Konzertsälen; denn das 1791 kompo nierte Werk besitzt durchaus alle Vorzüge der populären Haydnschen Sinfonien: eine geistreiche, frische Tonsprache von satztechnischer Virtuosität, eine aus drucksvolle empfindsam-schwelgerische Melodik und harmonische Ausgewogen heit im formalen Aufbau. Besonders bedeutend ist der erste Satz der Sinfonie, dessen stimmungsvolle Adagio-Einleitung nach lichtem Beginn zu schmerzlichem Ausdruck findet, der sodann von der Festlichkeit des nachfolgenden Allegro- Hauptsatzes abgelöst wird. Die Struktur des Allegroteiles ist eher fantasieartig denn an einen Sonatensatz erinnernd. Eine mit freien Zwischensätzen versehene Variationenfolge stellt der zweite Satz, Andante, dar. Das Thema schwankt zwi schen Verhaltenheit und freudigem Überschwang. In der Coda, in der Trompeten und Pauken schweigen, treten zwei konzertierende Soloviolinen hervor. Freundlich, tanzselig gibt sich das Menuett. Im Trio begegnet jene für Haydn typische Kopp lung von Violine und Fagott, aber auch anmutige Flötensoli gehören zum pastell farbenen Bild dieses Stückes. Verspielt, schwerelos ist der Charakter des abschlie ßenden Rondo-Finales, dessen heitere Laune auch durch einen plötzlich einset zenden Moll-Teil nicht grundsätzlich getrübt wird. Bis 1800 waren die Grenzen zwischen Kammermusik und Sinfonik, zwischen in timem und festlich-repräsentativem Musizieren, ja zwischen Konzertsaal- und Freilichtaufführungen fließend. So gibt es gerade von Haydn und Mozart sowie ihren Zeitgenossen eine Fülle von Werken, die zwischen Kammermusik und Sin fonik stehen, zwischen Konzertantem und Sinfonischem, die in geschlossenen Räu men ebenso wirken wie im Freien. Zu solchen Schöpfungen rechnen auch die zahl reichen Divertimenti Wolfgang Amadeus Mozarts, worunter eine suitenähnliche, locker gefügte Kompositionsform leichter, unterhaltender Art zu verstehen ist. Das Divertimento D-Dur KV 251, auch Finalmusik ge nannt, erklang zum ersten Male bei einer Salzburger Hofmusik am 21. November 1776. Das merklich eilig, fast nachlässig geschriebene Werk, ein typisches Stück höfischer Gesellschaftskunst des 18. Jahrhunderts, soll angeblich für den 25. Ge burtstag von Mozarts Schwester Nannerl, also zum 30. Juli 1776, komponiert wor den sein. Es ist „für sieben Instrumente" bestimmt, für Oboe, zwei Hörner und Streichquartett, wobei der Streichkörper auch mehrfach zu besetzen ist. Unge wöhnlich ist der Einsatz der Oboe, die hier gern der ersten Violine den Rang streitig macht. Als charakteristischstes Merkmal dieses Divertimentos fällt die starke Berücksichtigung französischer Stilelemente auf (Marica alla francese zu Beginn nach „französischer Art" mit elegant-punktiertem Marschrhythmus, das zweite Menuett mit Variationen an Stelle des üblichen Trios, Hauptthema und Bau des etwas lang geratenen klangfreudigen Schlußrondos mit seinem kontra stierenden Mollteil.) Auch Anklänge an das volkstümliche deutsche Lied begeg nen. Einen der bedeutendsten, weil geschlossensten Suitensätze Mozarts stellt übrigens der zweite Satz (Allegro molto) dar mit seiner an Haydn gemahnenden thematisch-sinfonischen Einheit. Die „Ungarischen Bilder" schuf Bela Bartok im Jahre 1931. Es handelt sich dabei um orchestrale Umarbeitungen von bereits früher komponier ten kleinen Klavierstücken. So entstammen die beiden ersten Teile des Werkes den „Zehn leichten Klavierstücken" (1908), Nummer 3 den „Vier Klageliedern" (1909), das vierte Stück den „Drei Burlesken" (1911), und der abschließende Titel erschien zuerst im 2. Band der Reihe „Für Kinder" (1908 09). Die Orchesterfassung tastete die Originalgestalt der einzelnen Stücke nicht an. Sowohl die leicht über schaubaren Formen, die klare harmonische Ordnung als auch die geistvolle, ab wechslungsreiche Melodik blieben unverändert erhalten.