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ZUR EINFÜHRUNG DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 20. Februar 1970, 20 Uhr Sonnabend, den 21. Februar 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden Dirigent: Kurt Masur Solistin: Lidia Kantardjiewa, VR Bulgarien, Violine Richard Strauss Tod und Verklärung 1864-1949 Tondichtung für großes Orchester op. 24 Jean Sibelius 1865-1957 Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47 Allegro moderato Adagio molto Allegro ma non tanto PAUSE Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie Nr. 2 c-Moll op. 17 Andante sostenuto - Allegro vivo Andantino marziale, quasi moderato Scherzo (Allegro molto vivace) Finale (Moderato assai - Allegro vivo — Presto) LIDIA KANTARDJIEWA, 1042 in Sofia geboren, stammt aus einer Musikerfamilie. Bereits >m Alter von fünf Jahren erhielt sie ersten Violinunterricht durch Christo Petkow. 1956 nahm sie ihre Studien an der Musikhochschule in Sofia bei Prof. Awranow auf und setzte sie 1961 am Moskauer Konservatorium bei David Oistrach und Dmitri Ziganow fort. 1963 errang Lida Kan tardjiewa, die zu den hervorragendsten Nachwuchskünstlern ihres Landes gehört, ein Diplom im Internationalen Jacques-Thibaud-Wettbewerb. Ihre Konzerte in Bulgarien und in der Sowjet union fanden große Anerkennung- „Neben ,Don Juan' und .Till', den beiden Haupttreffern seiner Programmsinfonik, neben dem nur noch gelegentlich zu hörenden herb-kraftvollen .Macbeth' (nach Shakespeare) komponierte Richard Strauss mehrere Tondichtungen, de ren Inhalt uns heute ferngerückt ist", stellte der Strauss-Biograph Ernst Krause fest. Tod und Verklärung' (1889) ist die Frucht seiner intensiven Be schäftigung mit Schopenhauers Philosophie während der Münchner und Weimarer Jahre. Der Blick des Komponisten schweifte vorübergehend nach dem Jenseits. Das Werk mit eigener Krankheit oder solcher von Freunden in Beziehung zu brin gen (wie es fast immer geschieht), läßt sich historisch nicht rechtfertigen. Alles, was in dem Tonpoem vorgeht, entsprang der Phantasie des Komponisten. Irdi sches Leid und himmlischer Sieg werden in dem melodisch reichen, die Ausdrucks bereiche des Weihevollen und Hymnischen bevorzugenden Werk in einer klang lich und formal sinnfälligen Weise besungen, die es ihm bei seinem Erscheinen besonders leicht machte, in die Breite zu dringen. Heute ist ,Tod und Verklärung' gegenüber den weniger idealistischen und pathetischen Orchesterwerken in den Schatten getreten. Man kann die .Tondichtung für großes Orchester' (der Alexan der Ritter erst nachträglich schwülstige Verse unterlegte) ohne jede Anspielung auf außermusikalische Einflüsse als einen sinfonischen Sonatensatz erklären, der von einer großen getragenen Introduktion eröffnet und von einem Hymnus nach Art einer Coda beschlossen wird, innerhalb dieses Formgefüges wickelt sich ein vielfältiges, streng durchgeführtes thematisches Leben mit den Kontrasten des Fieberwahns und Todeskampfes wie der Erlösung und Verklärung ab. Das be herrschende, einfache Verklärungsthema klingt am Ende des ersten Teiles, von der Tiefe her aufsteigend, an, um im Verlaufe des Tonstücks immer kraftvollere, majestätische Gestalt anzunehmen. Unschwer wird man heraushören, daß auch bei dieser recht naiv geschauten Vision vom Übergang einer Menschenseele ins Jenseits der Musiker Strauss der Diesseitige, dem Leben Verbundene bleibt." Eine eigenartige, ja einsame Stellung in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts nimmt Jean Sibelius, der Begründer einer national-finnischen Kunstmusik großen Stils, ein. Der 1865 in Hämeenlinna (Tavestehus, Finnland) Geborene sollte eigentlich Jurist werden, studierte jedoch Musik bei M. Wegelius in Helsinki, bei Albert A. Becker in Berlin und schließlich bei Karl Goldmark und Robert Fuchs in Wien. 1893 kehrte er wieder in die Heimat zurück und wirkte zunächst als Theorielehrer an Helsinkier Musikschulen, bis er sich, da er vom finnischen Staat ein Stipendium auf Lebenszeit erhielt, gänzlich seinem kompositorischen Schaffen widmen konnte. 37 km nördlich von Helsinki, in Järvenpää, ließ er sich 1904 in herrlichster Landschaft ein Haus bauen, in dem er bis zu seinem Tode im Jahre 1957 lebte und arbeitete. Seit 1929 veröffentlichte Sibelius keine Werke mehr. Er schrieb fortan nur noch Musik, die niemand, nicht einmal seine Frau, hören durfte. An Stapeln von Noten blättern klebten Etiketten: „Nicht anrühren" oder „Erst nach meinem Tode zu öffnen". Aber der Nachlaß enthielt kaum Manuskripte. Der Komponist hatte offenbar alles kurz vor seinem Tode vernichtet. Er soll einmal gesagt haben: „Diktatur und Krieg widern mich an. Der bloße Gedanke an Tyrannei und Unter drückung, Sklavenlager und Menschenverfolgung, Zerstörung und Massenmord machen mich seelisch und physisch krank. Das ist einer der Gründe, warum ich in über zwanzig Jahren nichts geschaffen habe, was ich mit ruhigem Herzen der Öffentlichkeit hätte geben können. Ich habe manches geschrieben, aber etwas aufführen zu lassen, dazu fehlte mir ... ja, das wollte ich eben nicht." Zum Bilde Sibelius' gehört es auch, daß er sich kurz vor und nach der Jahrhundertwende der national-finnischen Freiheitsbewegung gegen die Unterdrückungsmaßnahmen