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„Das Werk wahrt die viersätzige sinfonische Anlage. Es beginnt mit einem unge mein schwungvollen Vivace-Satz, in dem jenes .Tokkata- oder Motor-Element' maßgeblich spürbar wird, zu dem sich Prokofjew selbst in seiner .Autobiographi schen Skizze' bekannt hat. Nach Art der improvisatorisch ungebundenen Musik form der barocken Tokkata wechseln in ihm spielerische Eleganz mit der kühlen Glätte leichtflüssiger motorischer Bewegung, brillantes Figurenwerk mit kräftiger Akkordik oder schwachen motivischen Ansätzen. Eine kraftvolle Rhythmik gibt dem Ganzen Schwung und Antrieb. Das folgende Andante entfaltet seine Reize in einer zartfließenden, innigen Melodik, die jene liebenswürdige Mischung von nobler Zurückhaltung und schlichter subjektiver Empfindsamkeit aufweist, die für Prokofjew bezeichnend ist. Der scherzoartige dritte Satz mündet nach einem kraftvollen Bläserauftakt und nach einem nachdenklichen Präludieren des Klaviers in einen bewegten Allegroteil, in dem neben einem sanglichen Neben thema das rhythmisch prägnante Hauptthema des Klaviers das Feld beherrscht. Der letzte, sehr kurze Satz greift mit dem Passagenmotiv des ersten Satzes zugleich auch auf die Stimmung des Anfangs zurück und verwendet es zu einem geistvoll virtuosen Spiel voll Eleganz und klavieristischen Effekten — ein Perpetuum mobile an Grazie und Brillanz, das den Höhepunkt und zugleich den schwungvollen Aus klang des Werkes bildet" (H. Koch). In allen Konzertsälen der Welt gilt Lu d wi g va n B eeth ove n s „S i nf o n i a e r o i c a “ E s - D u r o p. 5 5 als eines der populärsten sinfonischen Meister werke der musikalischen Weltliteratur. Die einzigartige Größe dieses Werkes ist breitesten Hörerschichten vertraut, die immer wieder begeistert werden von der Idee und dem wahrhaft revolutionären Kraftstrom dieser Musik. Es ist daher kaum mehr notwendig, in einem Einführungstext formale Einzelheiten von Beethovens „Dritter" anzuführen; es sollte darum mehr das große Ganze, Epochale dieses einmaligen Werkes herausgestellt werden. Fast legendär schon ist die Entste hungsgeschichte der Sinfonie. Beethoven, noch aus seiner Bonner Zeit ein glühen der Anhänger von Aufklärung, Demokratie und der Französischen Revolution, empfing 1798 von General Bernadotte, dem Wiener Gesandten der französischen Republik, die Anregung, ein großes Musikwerk zu Ehren des Revolutionsgenerals Bonaparte zu schaffen und ihm zu widmen. Begeistert griff Beethoven den Vor schlag auf, doch zögerte er mit der Ausführung so lange, bis die Werkidee einer ihm vorschwebenden Heldensinfonie mehr und mehr in ihm reifte, und er auch die technische Meisterschaft zu einem solch großen Vorhaben besaß. Erst im Jahre 1801 sind Skizzen für den Trauermarsch und das Finale nachweisbar, Die genaue Konzeption und schließliche Ausarbeitung seines Projektes begann Beethoven erst 1803 und beendete sie im Mai 1804. Zweifellos hatte der Meister in Bonaparte den ersehnten Freiheitshelden und Vollstrecker einer neuen gesellschaftlichen Ordnung gesehen, vermerkte er doch auf dem Titelblatt seiner neuen Sinfonie: „Geschrieben auf Bonaparte." Doch als sich am 18. Mai 1804 der erste Konsul der französischen Republik zum Kaiser aus rufen ließ, tilgte Beethoven, grausam enttäuscht über die Wandlung seines Idols zum Tyrannen, die Widmung und überschrieb das fertige Werk nun „Heroische Sinfonie, komponiert, um das Andenken eines großen Mannes zu feieren". Darin aber liegt auch die ganze programmatische Idee des Werkes begründet, das ganz allgemein „die Idee vom Heldentum eines von republikanischen Tugenden erfüllten großen Mannes, in dessen Erscheinung sich Beethoven die fortschritt lichen politischen und gesellschaftlichen Ziele seiner Zeit repräsentiert vorstellte'' (K. Schönewolf) gestaltet, nicht etwa Episoden aus dem Leben Bonapartes. Erstmals ging Beethoven in der „Eroica" — als Konsequenz seiner revolutionär demokratischen Weltanschauung — von einer bestimmten programmatischen Idee aus. Diese wiederum hatte zur Folge, daß er zu neuartigen künstlerischen Lö sungen kam, ohne dabei etwa die sinfonische Tradition aufzugeben. Dieses Neue, Epochale der schon rein umfangmäßig ungewöhnlichen 3. Sinfonie bewirkte auch, daß die Uraufführung des Werkes am 7. April 1805 im Theater an der Wien selbst bei den innigsten Anhängern Beethovens keineswegs auf vollstes Verständnis stoßen konnte. Ungewohnt aber erschien Beethovens Zeitgenossen nicht so sehr das scheinbar Maßlose einer bis dahin unerhörten „Musikentladung", sondern mehr noch die neue Ordnung dieser Sinfonie, die das bei Haydn und Mozart Gewohnte unermeßlich steigerte. Es war, kurz gesagt, die erstmals konsequent an gewandte Technik der „durchbrochenen Arbeit", ein differenziertes Entwicklungs prinzip des thematisch-motivischen Materials, das seinerseits zur Entfaltung neuer, erweiterter Proportionen bedurfte. Das sinfonische Schwergewicht ist auf die wesentlich erweiterte Durchführung, namentlich des ersten Satzes, gelegt; auch die abschließende Coda hat an Profil und Bedeutung gewonnen. Denkt man an Beethovens 1. und 2. Sinfonie, so wer den die Unterschiede gegenüber der 3. deutlich: der beträchtliche Sprung vom Einfachen zum Komplizierten in geistiger, formaler und instrumentatorischer Hin sicht. Die schroffen Dissonanzen und wilden Ausbrüche, die unerwarteten Modu-| lationen verleihen dem ersten Satz seine bestechende Wirkung. Einmalig in dei" gesamten sinfonischen Literatur ist wohl die Trauermusik des zweiten Satzes. Zum ersten Male voll ausgeprägt ist Beethovens Scherzotyp im dritten Satz der „Eroica" mit seinen hartnäckigen Wiederholungen und dämonischen Steigerun gen, die im Trio durch romantischen Hörnerklang unterbrochen werden. Klassische Variationsform und barocke Kontrapunktik bestimmen schließlich die ungewöhn liche Anlage des Finales mit seinem tänzerisch-sieghaften Ausklang. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: Donnerstag, den 19. März 1970, 20 Uhr, Kulturpalast 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: wird noch bekanntgegeben Werke von Thiele, Brahms und Tschaikowski (Klavierkonzert b-Moll) Freier Kartenverk. Sonnabend, den 28. März 1970, 20 Uhr, Kulturpalast 9. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirgent: Lothar Seyfarth Solistin: Annerose Schmidt, Leipzig, Klavier Werke von Tittel, Mozart und Brahms Freitag, den 3. April 1970, 20 Uhr, Kulturpalast Einführungsvortrag 19 Uhr, Dr. Dieter Härtwig 4. KONZERT IM ANRECHT C Werke von Beethoven, Prokofjew und Dvorak Sonnabend, den 4. April 1970, 20 Uhr, Kulturpalast Einführungsvortrag 19 Uhr, Dr. Dieter Härtwig 7. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solistin: Renate Schorler, Erfurt, Klavier Werke von Beethoven und Prokofjew Freier Kartenverkauf Anrecht C Anrecht B (•Nlhamnoni Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1969/70 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: veb polydruck - Werk III Pirna 111-25-12 1,5 ItG 009-20-70 6. ZYKLUS-KONZERT 1969/70