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DRESDNER PHILHARMONIE ZUR EINFÜHRUNG Freitag, den 13. März 1970, 20 Uhr Sonnabend, den 14. März 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 7. PHILHARMONISCHES KONZERT^ Dirigent: Heinz Bongartz, Dresden Solist: Pietro Spada, Italien, Klavier Edvard Grieg 1843-1907 Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 16 Allegro molto moderato Adagio Allegro moderato molto e marcato PAUSE Gustav Mahler Sinfonie Nr, 5 cis-Moll 1860-1911 Trauermarsch (In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt) Stürmisch bewegt (Mit größter Vehemenz) Scherzo (Kräftig, nicht zu schnell) Adagietto (Sehr langsam) Rondo — Finale Pietro Spada, russisch-französischer Herkunft, wurde 1937 in Rom geboren, wo er an der Akademie „Santa Cecilia" bei Carlo Zecchi (Klavier) studierte. G. F. Ghedini unterwies ihn in Komposition am Verdi-Konservatorium in Mailand. Seine künstlerische Laufbahn begann bereits mit sechs Jahren, und binnen kurzem trat er nicht nur in seiner Heimat auf, sondern auch im Ausland nahm seine Konzerttätigkeit ständig zu. Ausgedehnte Tourneen führten ihn in den letzten Jahren durch Frankreich, die Schweiz, Belgien, Österreich, Westdeutschland, England, Polen, die UdSSR und CSSR, Monte Carlo und durch Japan. Er musizierte mit namhaften Orchestern dieser Länder unter berühmten Dirigenten wie George Sebastian, William Stein berg, Peter Maag, Anatole Fistoulari, Sir John Barbirolli, Dean Dixon, Carlo Zecchi, Nino Sanzogne, Vittorio Gui, Antal Dorati, Lovro von Matacic u. a. Zahlreiche Radio- und Fern sehstationen in verschiedensten Ländern verpflichteten den jungen Künstler zu Aufnahmen. Seit zwei Jahren wirkt er als Professor für Klavierspiel an der Indiana University (USA). Der zu seiner Zeit auch als Pianist und Dirigent angesehene norwegische Kom ponist Edvard Grieg hatte in seiner Eigenschaft als erster Nationalmusi ker seines Landes keine Vorgänger, keine Tradition, an der er hätte anschlie ßen können. Er war der erste skandinavische Komponist, der die Volksmusik seiner Heimat in die Sphäre der Kunstmusik hob, nicht aber, indem er folklo- ristische Elemente wörtlich zitierte, sondern indem er sein eigenes Schaffen an der charakteristischen Wesensart norwegischer Volksmusik ausrichtete. Am Ende seines Lebens schrieb Grieg einmal: „Künstler wie Bach und Beethoven haben auf den Höhen Kirchen und Tempel errichtet. Ich wollte . . . Wohnstätten für die Menschen bauen, in denen sie sich heimisch und glücklich fühlen ... Ich habe die Volksmusik meines Landes aufgezeichnet. In Stil und Formgebung bin ich ein deutscher Romantiker der Schumann-Schule geblieben. Aber zugleich habe ich den reichen Schatz der Volkslieder meines Landes ausgeschöpft und habe aus dieser bisher noch unerforschten Emanation der nordischen Volksseele eine nationale Kunst zu schaffen versucht.'' Mit seiner bodenständi gen Kunst, seinen schwermütig-lyrischen, aber auch kräftigen Liedern, seinen eigenwilligen, häufig tänzerisch profilierten kleinen Instrumentalformen eroberte Grieg die Gunst der Musikfreunde in aller Welt. Seine immer und im guten Wortsinne volkstümliche Musik ist gekennzeichnet durch eine sinnenhafte Melo dik, eine herbsüße Harmonik, farbig-satte Instrumentation und eine aparte, von skandinavischer Folklore beeinflußte Rhythmik. Unter Edvard Griegs wenigen größeren Kompositionen ragt das 1868, also mit 25 Jahren geschriebene Klavierkonzert a-Moll op. 16 bedeut sam heraus. Der Komponist widmete es dem norwegischen Pianisten Edmund Neupert, der es 1869 in Kristiania erfolgreich uraufführte. Das Beispiel des Schumannschen Klavierkonzerts a-Moll hat maßgeblich die Gestaltung dieses Griegschen Jugendwerkes beeinflußt, das übrigens ebenfalls mottohaft vom Soloinstrument eröffnet wird. Aber auch die virtuose Klaviertechnik Chopins und Liszts mag Anregungen geboten haben. Nicht ohne Grund hat Hans von Bülow Grieg einmal den „Chopin des Nordens" genannt. Nach dem energischen Vor spruch stellt das Orchester das anfangs rhythmisch-markante, dann in fließende melodische Bewegung übergehende Hauptthema vor, das auch vom Klavier auf gegriffen wird. Der Solist leitet sodann zum lyrischen Seitenthema über, das zu erst in den Celli erklingt; rhapsodisch freizügig, gedrängt ist die Durchführung. Zum pianistischen Höhepunkt des Satzes wird die große Kadenz, in die die Reprise mündet. Das Hauptthema wird hier prächtig ausgeschmückt. In der kur zen Coda erklingt nochmals das Einleitungsmotto. Echten Griegschen Personal stil bietet der zweite Satz (Adagio) mit seiner ruhig strömenden Des-Dur-Me lodie, die gedämpfte Streicher vortragen, bis sie der Solist aufgreift und zu einer imposanten Steigerung führt. Nur durch eine Fermate getrennt, schließt sich das Finale an. Norwegische Volkstanzrhythmen bestimmen das Haupt thema. Einer energiegeladenen Kadenz folgt eine stürmische Stretta. Dann wird der Satz mit dem lyrischen Seitenthema in jubelnder Ausdruckssteigerung gekrönt und beschlossen. Während GustavMahlerin seinen Sinfonien Nr. 2-4 neben dem Orchester apparat die menschliche Stimme — soiistisch oder auch chorisch verwendet — bedeutungsvoll eingesetzt hatte, legte er seine drei nächsten sinfonischen Werke, die 5., 6. und 7. Sinfonie, wieder rein instrumental an. Der Komponist selbst war der Meinung, daß er mit seiner 1901 begonnenen, ein Jahr später (kurz nach seiner Heirat) abgeschlossenen und am 18. Oktober 1904 in Köln uraufgeführten 5. Sinfonie cis-Moll eine ganz neue Schaffensperiode begonnen habe;