Peter I. Tschaikowski: Sinfonie Nr. 2 c-Moll op. 17 Peter Tschaikowski, der große russische Komponist, Schöpfer von „Eugen Onegin“, „Pique Dame“ und anderen bedeutenden Bühnen werken, schuf einschließlich der Programmsinfonie „Manfred“ sieben Sinfonien. Die 2. Sinfonie in c-Moll, op. 17, die nur sehr selten in unseren Konzertsälen zu hören ist, entstand während eines Sommer aufenthaltes in der Ukraine. Tschaikowski wohnte damals auf dem Gut Kamenka bei Kiew, bei der Familie seiner Schwester. Hier fand er Gelegenheit, die Eigenart des ukrainischen Volksliedes zu studie ren. Einflüsse dieser Begegnung mit der ukrainischen Folklore zeigen mehrere in jener Zeit entstandene Kompositionen wie die Oper „Wakula der Schmied“, das 2. Quartett, das Klavierkonzert Nr. 1 und die 2. Sinfonie, die einst von den Zeitgenossen Tschaikowskis mit großer Zustimmung aufgenommen wurde. Als der Komponist sie 1872 im Hause Rimski-Korsakows vortrug, riß ihn „die ganze Gesell schaft“, unter der sich auch Meister wie Mussorgski und Borodin be fanden, „fast in Stücke vor Begeisterung“, wie der Komponist seinem Bruder mitteilte. Der Beifall des Publikums konnte jedoch Tschai kowski nicht davon abhalten, sein Werk 1879 einer ausfeilenden Be arbeitung zu unterziehen. In dieser endgültigen Fassung — besonders der erste Satz wurde einschneidend verändert — erklingt die Sin fonie heute. Den ersten Satz, ein Sonatensatz, eröffnet eine langsame Einleitung (Andante sostenuto), deren thematische Grundlage die ukrainische Version des russischen Volksliedes „Mütterchen Wolga“ bildet. Ein energievoll-stürmisches Hauptthema kennzeichnet das anschlie ßende Allegro vivo. Auch ein schwermütiger Seitengedanke spielt eine gewisse Rolle. Die Themen des Allegroteils und der Einleitung liefern das Material der dramaturgischen Durchführung. Mit dem Volksliedthema der langsamen Einleitung schließt der Satz in ver haltener Stimmung. Der zweite Satz (Andante marziale quasi mode rato) erweist sich als ein grotesker Marsch, dessen Hauptthema Tschaikowski seiner eigenhändig vernichteten Jugendoper „Undine“ entnahm. Auch hier begegnet ein zweiter musikalischer Gedanke, dessen vorwiegend melodische Anlage breit ausgesponnen wird. Dem ariosen Mittelteil liegt wieder ein russisches Lied zugrunde. In sprü hender Bewegung läuft das Scherzo (Allegro molto vivace) vor dem Hörer ab. Für das Trio benutzte Tschaikowski ein ukrainisches Scherzlied. Wie in seiner 1. und 4. Sinfonie stellt sich auch das Finale seiner „Zweiten“ als die farbenprächtige Schilderung eines Volks festes dar. Thematisch wird der Satz in erster Linie von dem ukraini schen Tanzlied „Der Kranich“ getragen, dem sich später ein lyrischer Gedanke hinzugesellt. Ein temperamentvoll dahinwirbelnder Volks tanz krönt die Sinfonie. Dr. Dieter Härtwig