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N S D R E D Sonnabend, den 31. Januar 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden u s K 4. E W O V E B H E E T Dirigent: Kurt Masur Solisten: Walter Hartwich, Dresden, Violine Manfred Reichelt, Dresden, Violoncello Gerhard Berge, Dresden, Klavier Leonoren-Ouvertüre Nr. 2 C-Dur op. 72 Ludwig van Beethoven Adagio — Allegro 1770-1827 Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur op. 56 Allegro PAUSE Sergej Frokofjew Skythische Suite (Ala und Lolli) op. 20 Die Anbetung von Weles und Ala (Allegro feroce) 1891-1953 Tschushbog und der Tanz der bösen Geister (Allegro sostenuto) Die Nacht (Andantino) Lollis Marsch und die Sonnen-Prozession (Tempestoso - Allegro - Andante sostenuto) Largo Rondo alla Polacca ER PHILHARMONIE N - P R O K O F J Walter Hartwich wurde 1932 in Braunau (CSSR) geboren. Er er hielt seine musikalische Ausbildung bei Prof. Gerhard Bosse an den Musikhochschulen Weimar und Leip zig, später bei Prof. György Garay. Nach dem Examen war er vier Jahre beim Staatlichen Sinfonieorchester Halle und drei Jahre beim Rund funksinfonieorchester Leipzig als Konzertmeister tätig. Seit September 1962 wirkt er als 1. Konzertmeister der Dresdner Philharmonie. Seit 1966 ist er außerdem als Lehrbeauf tragter an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" in Dresden tätig. 1967 wurde er mit dem Titel Kammervirtuos ausgezeichnet. Er gastierte bei zahlreichen Orchestern der DDR und veranstaltete Duo- Abende mit Prof. Gerhard Berge. Manfred Reichelt wurde im Jahre 1935 in Rochlitz geboren. Von 1954 bis 1959 studierte er an der Musikhochschule Weimar, insbeson dere bei Prof. Neumann. In den Jahren 1959 bis 1961 war er Solocellist am Rundfunkorchester Leipzig. Seit 1961 wirkt er in gleicher Funktion an der Dresdner Philharmonie und entfaltete eine rege solistische Tätigkeit bei vielen Orche stern der DDR. 1967 wurde er zum Kammer virtuosen ernannt. Außerdem ist er als Lehr beauftragter an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" tätig. Prof. Gerhard Berge, 1926 in Leipzig geboren, studierte an der Musikhochschule sei ner Heimatstadt, u. a. bei Rudolf Fischer. Nach Dozententätigkeit an der Leipziger und Hallen ser Musikhochschule lehrt er seit 1955 an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" in Dresden, seit 1961 als Leiter der Abteilung Klavier. Seine solistische Laufbahn begann er 1948. Seitdem unternahm er zahlreiche Konzert reisen ins In- und Ausland (u. a. nach Po'en, Belgien, Bulgarien, in die Sowjetunion, CSSR, nach Ungarn und nach Finnland). Gerhard Berge ist auch Leiter des „Dresdner Trios", das wiederholt in der „Stunde der Musik" konzer tierte. Der Künstler machte sich insbesondere als Interpret zeitgenössischer Klaviermusik einen Namen. 1960 wurde er zum Sekretär des natio nalen Chopin-Komitees der DDR berufen. ZUR EINFÜHRUNG DieLeonoren-Ouvertüre Nr. 2 C-Dur op. 7 2 wurde bei der Urauf führung der Erstfassung von Beethovens Oper „Fidelio'' am 20. November 1805 in Wien gespielt. Sie „ist wesentlich schwerer, gehaltvoller, großartiger als die erste. Verglichen mit der noch glänzenderen, meistgespielten dritten Leonoren- Ouvertüre wirkt sie zwar weniger ausgefeilt, aber auch fast noch wuchtiger und urtümlicher als diese. Schon sehr ähnlich wie dort wird der Ideengehalt der Oper mit realistischer Bildhaftigkeit in konkreter sinfonischer Gestaltung dargestellt: Kerkerszene, Leonores Heroismus, das rettende Trompetensignal, der Jubel der Befreiten und die Siegessinfonie. Das Thema der Florestan-Vision: ,In des Lebens Frühlingstagen' bestimmt die Adagio-Einleitung. Sodann wird die unheimliche Gestalt Pizarros in chromatisch verschlungenen Legatomotiven der Streicher ange deutet. Doch aus dunkler Klage bricht ein heller Hoffnungsstrahl hervor: Gebro chene Dreiklangtriolen der Flöten im Wechselspiel mit den Geigen umranken das klagende Florestan-Motiv. Sie lösen mächtig anschwellende Kraftströme aus. Die anfangs aussichtslos erscheinende Situation ist durchbrochen von den beleben den Impulsen eines zuversichtlichen Glaubens an die Rettung. Und wirklich steigt aus dem Dunkel, immer heller und größer werdend, die ersehnte Gestalt auf, das edle Thema der Befreierin Leonore. Ganz leise setzen die Violoncelli zu Beginn des Allegro-Teiles mit einer lichten, den C-Dur-Dreiklang umfassenden Melodie ein, die, sieghafte Kraft entwickelnd, bis zum voll aufstrahlenden Glanz des gan zen Orchesters emporgeführt wird. Beethoven enthüllt uns das leuchtende Bild der Heldin und die Idee ihres Kampfes. Aus dem energischen Allegro-Strom tönt sieghafte Kraft, freudiger Lebensmut, der einen Pizarro zu entlarven und Kerker zu sprengen vermag. Wir erleben einen ebenso harten wie enthusiastisch geführ ten Kampf, der fast ausschließlich vom Leonoren-Thema bestritten wird. Auf dem Höhepunkt des heftigen Zusammenpralls mit dem Gegner erschallt das Trom petensignal, das Rettung verheißt. Der zweite, nähere Trompetenruf löst erwar tungsvolle Stille aus, in der nur kurze, rhythmisch pochende Hörnermotive zu ver nehmen sind. Sodann singen die Holzbläser im langsamen Zeitmaß zart das Florestan-Thema. Und nun bricht aus der Pianissimo-Spannung ein unbeschreib licher Jubel auf. Wie vom Rinnsal bis zum Katarakt anschwellend wächst zunächst in blitzend abwärts stürzenden Skalen der Violinen, zu denen sich nach und nach die anderen Streicher und Holzbläser gesellen, der Freudenstrom bis zum rei ßenden Presto und trägt das triumphierende Leonoren-Thema im strahlenden C-Dur-Glanz des ganzen Orchesters. Der Sieg ist errungen. .Namenlose Freude' und .übergroße Lust' durchströmen begeistert den Schlußteil der sinfonischen Ouvertüre. Er gipfelt in einem triumphalen Geschwindmarsch der Hörner und Holzbläser, der echt Beethovenisch von enthusiastischem Schwung und feurigem Rhythmus der französischen Revolutionsmusik durchglüht ist” (K. Schönewolf). Zu den seltener zur Aufführung gelangenden Werken Beethovens gehört das Tripelkonzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur op. 56, das schon durch seine Besetzung eine Sonder stellung im Schaffen des Meisters einnimmt und ohne Zweifel eine stärkere Be rücksichtigung verdiente. In den Jahren 1803 04 geschrieben (der Entstehungszeit von so gewaltigen Werken wie der „Eroica" und „Fidelio“), zeigt das erst 1807 im Druck erschienene und im Mai 1808 erstmalig öffentlich gespielte Tripelkonzert den Komponisten einmal von einer ganz anderen, unbeschwert-unkomplizierten, liebenswürdigen Seite. Das heiter-gefühlvolle Werk - dem Genre des „Konzer tanten" zugehörig, einer seinerzeit sehr beliebten Art des Konzertierens, bei der mehrere Soloinstrumente gemeinsam mit dem Orchester musizieren - will keine tieferen Probleme oder Ideengehalte vermitteln, sondern den Hörer durch eine Fülle schöner, edler und melodiöser Musik im besten Sinne des Wortes unterhal ten. Bei der Behandlung der drei Soloinstrumente ist eine insgesamt technisch etwas anspruchsvollere und differenzierte Anlage der beiden Streicherpartien zu bemerken — ein Umstand, der daraus zu erklären ist, daß Beethoven für deren