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DRESDNER PHILHARMONIE Donnerstag, den 25. Dezember 1969, 20 Uhr Freitag, den 26. Dezember 1969, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. AUSSERORDENTLICHES KONZECT Dirigent: Lothar Seyfarth Solistin: Yaeko Yamane, Japan, Klavier Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur KV 271 Allegro Andantino Presto — Menuetto — Presto PAUSE Fryderyk Chopin 1810-1849 Konzert für Klavier und Orchester e-Moll op. 11 Allegro maestoso Romanze Rondo (Vivace) Franz Liszt 1811-1886 Les Preludes Sinfonische Dichtung nach Lamartine tum der schöpferischen Phantasie Chopins entfaltet sich im Klavierpart. Ein zauberhaftes Klangbild stellt der zweite Satz, eine Romanze, dar mit typischem Nocturne-Charakter. Der Komponist schrieb über diesen Satz, daß seine Stim mung „romanzenhaft, ruhig und melancholisch“ sei, daß er „den teuren An blick des Fleckens Erde vor uns erstehen lassen soll, wo tausend liebe Erinnerun gen sind ... So ein Hinträumen von einer herrlichen Stunde im Frühling, beim Mondenschein." Dem Rondofinale (Vivace) gibt der Rhythmus des feurigen pol nischen Volkstanzes Krakowiak sein sprühendes Gepräge. Virtuose Passagen und Läufe des Solisten führen am Schluß des Konzerts zu einem wahren brillan ten Feuerwerk, zu tänzerischer Entfesselung — konsequenter Gipfelpunkt eines aus gärender, jugendlicher Leidenschaftlichkeit heraus geborenen Werkes, das die erste Schaffensperiode des polnischen Meisters beschloß. Franz Liszts sinfonische Dichtung „Les Preludes“ wurde im Jahre 1845 entworfen und 1854 in Weimar uraufgeführt, wo der Komponist in der Zeit von 1848 bis 1861, nachdem er sich von seinen großen Reisen als Klaviervirtuose zurückgezogen hatte, als einflußreicher Lehrer und Förderer einer neuen Gene ration von Pianisten und Komponisten lebte und wirkte. Vieles in der Musik dieser bedeutenden, weithin wirkenden und ihrer Epoche unendlich viele Anre gungen vermittelnden Persönlichkeit erscheint uns heute recht zeitgebunden und in seiner Wirkung ferner gerückt — doch darf nicht verkannt werden, daß Liszt trotz starker Betonung des virtuosen Elements, trotz der großen, uns häufig etwas äußerlich-pathetisch anmutenden Klanggebärde stets bestrebt war, seinen Wer ken einen geistigen Gehalt zu geben. Ebenso bedeutend wie auf dem Gebiete der Klaviermusik war Liszt in der Orchestermusik. Die Bestrebungen Hector Berlioz' fortsetzend, gelangte er in seinen sinfonischen Dichtungen zu einem neuen Typus der Programmsinfonie, jenseits aller erstarrten Formen. Mit der von ihm geschaffenen Gattung der sinfonischen Dichtung, die in Richard Strauss ihren genialen Vollender fand, hat er einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Orchestermusik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und noch darüber hinaus ausgeübt. Nicht nur in Deutschland bildete sich eine regelrechte Liszt- Schule, sondern auch in Frankreich, in der Tschechoslowakei, in Rußland, ja selbst in England und in Amerika. Die sinfonische Dichtung „Les Preludes" ist, obwohl ihr in der Mehrzahl stehen der Titel „Vorspiele“ verheißt, ein einsätziges Orchesterwerk, über das der unga rische Musikwissenschaftler Zoltän Gärdonyi einmal folgendes geschrieben hat: „Zur Erklärung des Inhalts verwendete Liszt eine umfangreiche .Meditation' des französischen Dichters Lamartine. Dieses Gedicht enthält eine eigenartige Be trachtung des Menschenlebens. ,Was ist unser Leben anders als eine Reihen folge von Präludien zu jenem unbekannten Gesang, dessen erste und feierliche Note der Tod anstimmt?' — heißt es in Liszts Erläuterung zu seiner Komposition. Aber das Werk ist alles andere als ein Vorspiel zum Tode. Es schildert das wechselvolle Leben eines heroischen Menschen und schließt sieghaft triumphie rend. — Nach einer tastenden langsamen Einleitung erklingt das Hauptthema zuerst in pathetisch feierlichem Ton. Dieses heroische Thema nimmt dann eine weichere, sehnsuchtsvolle Gestalt an. Ein selig wogendes Thema erzählt von schwärmerischen Liebesträumen. Nach Abschluß dieses lyrisch-schwelgerischen Teils entwickelt sich eine leidenschaftlich kämpferische, stürmisch bewegte Durch führung mit einem energischen Fanfarenmotiv, das aus dem heldischen Haupt thema gebildet ist. Der Mittelteil ist ein Allegretto pastorale mit einem lieblichen Thema, das der Freude des Menschen an der Natur Ausdruck gibt. Im glanz vollen triumphalen Schlußteil der .Preludes' erfahren die beiden Hauptthemen, das energische Heldenthema und das lyrische Liebesthema, ein marschartige Umformung ins Sieghafte. Immer strahlender wird der großartige Melodien strom, bis das Werk mit dem heroischen Fanfarenthema schließt, mit dem es auch begann." Dr - Dieter Härtwig