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D R E S D N E Ludwig van Beethoven 1770-1827 Sergej Prokofjew 1891-1953 R PHILHARMONIE Sonnabend, den 13. Dezember 1969, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 3. ZYKLUS-KONZERT BEETHOVEN - PROKOFJEW Dirigent: Kurt Masur Solist: Jean Bernard Pommier, Frankreich, Klavier Leonore-Ouvertüre Nr. 1 C-Dur op. 138 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 19 Allegro con brio Adagio Rondo PAUSE Sinfonie Nr. 5 op. 100 Andante Allegro marcato Adagio Allegro giocoso JEAN BERNARD POMMIER, Sohn einer Musikerfamilie, wurde 1944 in Beziers (Südfrankreich) geboren. Bereits im Alter von sieben Jahren gab er sein erstes Konzert. Nach Unterricht bei Ives Nat bezog er 1958 das Pariser Konservatorium, das er nach zweijährigem Studium bei Pierre Sancan mit einem 1. Preis verließ. 1960 gewann er bei einem Inter nationalen Wettbewerb in Westberlin ebenfalls den 1. Preis. Beim Internationalen Tschai- kowski-Wettbewerb in Moskau 1962 erreichte er die dritte Runde und erhielt das erste Ehrendiplom. Konzerte in der UdSSR schlossen sich diesem Erfolg an. Auslandsgastspiele führten den Künstler in den letzten Jahren nach England, Belgien, der Schweiz, nach Holland, Dänemark und der VR Bulgarien. Für die Schallplattenfirma „His Master’s Voice“ produ zierte Jean Bernard Pommier mehrere Schallplatten. Bei der Dresdner Philharmonie war er erstmalig im Jahre 1968 zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Als 1832 der Verleger Haslinger die in Beethovens Nachlaß aufgefundene Leonore-Ouvertüre Nr. 1 als Opus 138 der Öffentlichkeit zugäng lich machte, entriß er ein Werk der Vergessenheit, das der Komponist selbst anscheinend dazu verurteilt hatte. Es war die erste (im Jahre 1805 entstandene) der insgesamt vier Ouvertüren, die Beethoven zu seiner einzigen Oper „Fidelio" geschrieben hat. Das Werk war, wie berichtet wird, zu Lebzeiten des Meisters nur ein einziges Mal in privatem Kreis erklungen und wurde nach Diskussionen im Freundeskreis von Beethoven wieder beiseite gelegt, der nun „selbst kein rechtes Vertrauen dazu hatte" und an anderen Lösungen arbeitete. Während im Theater jetzt allgemein die im zeitüblichen Ouvertürenton gehaltene E-Dur- Ouvertüre aus dem Jahre 1814, die sogenannte „Fidelio"-Ouvertüre, gespielt wird, handelt es sich bei den drei anderen (nach dem ursprünglichen Namen der Oper als „Leonore"-Ouvertüre bezeichnet) um Kompositionen, die ihrem Charakter nach eher selbständige, sinfonisch angelegte Konzertstücke als Ein leitungsmusiken darstellen. Die Leonore-Ouvertüre Nr. 1, die noch nicht ganz die Größe und dramatische Wucht von Nr. 2 und besonders Nr. 3 besitzt, aber gleichwohl keinesfalls gering einzuschätzen ist, gibt einen allgemeinen programmatischen Grundriß des Geschehens der Befreiungsoper. Nach einer verhaltenen Einleitung (Andante con moto) erklingt im Allegro-Teil das stolze, die edle Frauengestalt Leonores symbolisierende Hauptthema, aus dem Ent schlossenheit und Glaube an den Sieg sprechen. Das düstere Gegenthema charakterisiert den Despoten Pizarro; aus dem Konflikt der beiden Themen entwickelt sich die dramatische Auseinandersetzung, der Kampf der Gegner. Wie eine Mahnung erklingt in einem langsamen Mittelteil das etwas abge wandelte Thema des leidenden Gefangenen Florestan aus seiner Arie „In des Lebens Frühlingstagen". Im wieder einsetzenden Allegro erringt schließlich das voll aufklingende Leonore-Thema den Sieg, der in einer triumphierenden Coda jubelnd gefeiert wird, es bricht jedoch in einer überraschenden Schluß wendung, von überwältigendem Glücksgefühl gleichsam erschöpft, zusammen und erlischt. Beethovens 2. Klavierkonzert B-Dur op. 19, zarter und spar samer instrumentiert als das erste und nach eigener Aussage des Komponisten noch vor diesem komponiert, erklang zum ersten Male wahrscheinlich in einer der Wiener Akademien des Meisters im Jahre 1795. Drei Jahre später überar beitete er das Werk — wie auch das erste Konzert — und spielte beidej Schöpfungen 1798 in Prag. Der offensichtlich zunächst mehr improvisierte Solo part des B-Dur-Konzertes wurde erst für die Drucklegung 1801 endgültig fixiert. Der Charakter des Werkes ist lyrischer, gedämpfter als der des ersten Konzerts. Doch tritt im Gesamtverlauf neben die Sensibilität auch die Vitalität des Ausdrucks. Chromatische Wendungen in den ersten beiden Sätzen erinnern an Mozart. Das B-Dur-Hauptthema, mit dem die ausgedehnte Orchestereinleitung des ersten Satzes (Allegro con brio) beginnt, wird aus einer energisch-markanten und einer - gegensätzlichen — gesangvoll-melodischen Motivgruppe gebildet. Der lyrischen Entwicklung des Satzes, die dabei auf kraftvolle, virtuos-figurative Partien nicht verzichtet, dient auch das cantable zweite Thema in Des-Dur. - Im zweiten, reich figurierten Satz, träumerisch-poetische Adagio-Variationen, stellen zunächst die Streicher das etwas zerklüftete Hauptthema vor, das dann vom Solisten übernommen und abgewandelt wird. Das Orchester greift gegen