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tung besitzt das 6/8-Thema der ersten Violinen, mit dem der letzte Satz anhebt. Robustere, leidenschaftlichere Töne werden sodann im Mittelteil angeschlagen. In gelöster Stimmung schließt das Stück ab. Wolfgang Amadeus Mozart schrieb im Jahre 1775 eine Gruppe von fünf Violin konzerten, von denen das letzte, (A-Dur, KV 219) heute erklingt. Zu jener Zeit war der 19jährige als Konzertmeister im Hoforchester des Salzburger Erzbi schofs angestellt und schrieb daher diese Konzerte vermutlich für den eigenen Gebrauch, da man von ihm natürlich auch solistische Leistungen auf seinem Dienstinstrument verlangte. Obwohl Mozart schon als Kind gut Geige spielte, wandte er sein Interesse späterhin doch mehr und mehr dem Klavier zu, für das er auch kennzeichnenderweise bis zu seinem Lebensende immer bedeuten dere Konzerte schuf, während uns an Violinkonzerten nur diese frühen Werke vorliegen (zwei weitere Konzerte blieben in ihrer Echtheit umstritten). Die Violin konzerte zeigen die Bekanntschaft des jungen Musikers mit den Schöpfungen italienischer Meister wie Boccherini, aber ebenso den Einfluß Johann Christian Bachs und der französischen Violinisten. Die beiden ersten Konzerte erscheinen in vielen Zügen noch als recht konventionelle Zeugnisse einer eleganten höfi schen Kunstübung und sind heute weniger bekannt, in den drei letzten jedoch (G-Dur, D-Dur, A-Dur) wird bereits inhaltlich wie formal eine wesentliche Ver tiefung und Bereicherung spürbar. Bei weitgehendem Verzicht auf äußerliche Virtuosenkünste wirken diese Werke besonders durch ihre jugendliche Unmittel barkeit und Anmut durch ihre innige, beseelte Melodik. Das A-Dur-Violinkonzert beginnt mit einem fröhlichem Allegro. Nach dem einleitenden rauschenden Tutti wird zunächst ein halb rezitativischer Ada gioteil des Solisten eingeschoben — eine ungewöhnliche formale Anlage, ein bereits ganz subjektiver Zug des jungen Komponisten. Den langsamen Mittei satz (Adagio) erfüllt verhaltene, schmerzliche Erregung. Ein von Mozart 1776 für den Geiger Brunetti nachkomponierter zweiter Satz, ein Andante, erreichte, ob wohl es künstlerisch ebenfalls durchaus wertvoll ist, nicht die Einfachheit und den inneren Reichtum dieses Satzes. — Im Finale des Werkes (Tempo di me- nuetto) verbinden sich auf eigenartige Weise Menuettform und Rondoform. Das eingeschaltete Scherzo in a-Moll zeigt deutliche Anklänge an die Volksmusik der Balkanländer und bringt im Kontrast zu dem liebenswürdig-behäbigen Thema des Hauptteils einen wilden Wirbel stampfender Tanzrythmen. Eines der bekanntesten und meistgespielten Violinkonzerte überhaupt ist neben den berühmten Konzerten von Beethoven, Brahms und Tschaikowski das Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Werk — übrigens wie die Schöpfungen der ebengenannten Meister auch Men delssohns einziger Beitrag zu dieser Gattung - entstand in seiner endgültigen Gestalt im Sommer 1844 in Bad Soden, wo der Komponist im Kreise seiner Fa milie heitere, ungetrübte Ferientage verlebte; erste Entwürfe dazu stammen je doch bereits aus dem Jahre 1838. Am 13. März 1845 wurde das Violinkonzert im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung des dänischen Komponisten Niels W. Gade durch den Geiger Ferdinand David uraufgeführt, für den es geschrie ben worden war. Nach der erfolgreichen Uraufführung schrieb David an den ihm befreundeten Komponisten einen begeisterten Brief, in dem es u. a. über das Werk hieß: „Es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzertstück zu machen sind, im höchsten Grade, und die Violinspieler können Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe." Bis heute hat sich dieses Urteil nicht ge ändert; vereinigt das unverblaßt gebliebene Konzert, das sich vor allem durch seine harmonische Verbindung von Virtuosität und Kantabilität auszeichnet, doch auch wirklich in schönster Weise alle Vorzüge der Schaffensnatur seines Schöpfers; formale Ausgewogenheit, gedankliche Anmut und jugendliche Frische. Ohne Einleitungstutti beginnt der schwungvolle erste Satz mit dem vom Solisten vorgetragenen gesanglichen Hauptthema von echt violinmäßiger Prägung. Ne ben diesem Thema werden im Verlaufe des von blühender romantischer Poesie erfüllten Satzes noch ein ebenfalls sehr kantabler Seitengedanke und ein lied haftes, ruhiges zweites Thema bedeutsam, das zuerst durch die Bläser über einem Orgelpunkt des Soloinstrumentes erklingt und dann von diesem aufge griffen und weitergeführt wird. — Wie eines der Mendelssohnschen „Lieder ohne Worte" mutet der durch einen liegenbleibenden Ton des Fagotts ange schlossene dreiteilige Mittelsatz an, ein Andante in wiegendem 6/8-Takt. Echt romantischer Elfenzauber wird schließlich im geistsprühenden, prickelnden Fi nale, das in seinem Charakter der kurz vorher vollendeten „Sommernachts- traum"-Musik des Komponisten nahesteht, in überaus poetischer, stimmungs voller Weise heraufbeschworen. In festlichem Glanz beendet dieser besonders virtuose, dabei musikalisch ebenfalls substanzreiche Satz das Werk. Dr. Dieter Härtwig 806 Dresden, Alaunstr. 36-40 clt± 9969/ 90 ni/9/92 JtG 059 31/69