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Nr. luv Schwester Käthes Tat Roman von Gert Rothberg. 31. Fortsetzung. „Lu host hdsfentlich nicht ein einziges Mal en.ß.ich daran gedacht, allein nach Berlin fahren zu wollen." „Amüsanter wäre es schon gewesen, als zusammen mit deiner altmodischen, lächerlichen, zänkischen Tante," ent fuhr es Elisabeth. Da lächelte Karsten hahnvoll. „Sie ist aber für mich unendlich wertvoll!" Elisabeth sagte nichts mehr, aber die Tränen würg ten sie. — In dieser Zeit ging mit Elisabeth eine große Wand lung vor. Und eine tiefe Neue war in ihr, Käthe so weh getan zu haben. Käthe, die immer lieb und gut zu ihr ge wesen war. Beringhoff! Sie, Elisabeth, liebte ihn noch immer! Und es war doch gänzlich aussichtslos, wer wußte das besser als sie! Dieser Mann wich keinen Schritt vom Wege ab. Der hielt Käthe die Treue. Und Küthes stil les, treues Walten wurde nun belohnt. Käthe hätte sie sicher bei sich ausgenommen, wenn sie, Elisabeth, ihre spie lerische Liebe nicht auf Harald von Beringhoff gerichtet hätte. Nun hatte sie sich auch dieses Asyl verscherzt! Nun stand sie ganz allein! Und alle wollten, daß sie bei ihrem Gat ten blieb! Allein stand sie! Ganz allein! Und — allein trug sie ja auch die Schuld an dem Leben, wie es nun ge kommen war. Weshalb hatte sie ihre Jugend an einen reichen Mann verkauft! Käthe hatte sofort gewußt, was sie zu tun hatte, als das schützende Heim des Vaters aufgegeben wurde und er auf den Anger in die Villa seiner zweiten Frau zog. Nicht eine Minute hatte sie ratlos vor einer Tatsache gesessen, die nicht mehr abzuändern gewesen war. Sie hatte still und unbeirrbar den Weg beschritten, der nun der Weg zu ihrem Glück geworden war. Und Käthe hatte wohl nie mals an ein solches Glück geglaubt, es war sicher völlig überraschend zu ihr gekommen. Elisabeth saß ganz still an diesem Morgen und sah in den Garten hinunter. Und wieder sah sie im Nachbargarten das junge Ehepaar mit dem Kinde. Da senkte Elisabeth tief den Kopf und weinte. Aber in ihrem Herzen war noch immer diese heiße, verlangende Liebe zu Harald von Ve- ringhoff, der doch Käthe gehörte und an den in Liebe zu denken, ein Verrat an Käthe rvari Elisabeth erhob sich. Sah noch einmal in die Gärten hinunter, wo reifendes, herrliches Obst den Herbst ankün digte. Herbst! Lebensherbst! Dann kam der Winter! Und dann kam das Ende! Das Ende? Nein! Nach jedem Winter kam wieder ein neuer Frühling! Voll Sonne und Wärme und Aufer stehung. Und es mußte auch für sie noch einmal eine Aufer stehung kommen! Leise rankte sich die Hoffnung empor, aber sie um rankte nicht mehr Beringhoff. Beringhoff, der Käthe ge- chörte. ZsLopauer La-edlatt «md Anzeige« Seltsam! Elisabeth horchte in sich hinein. Welche Wandlung, welche Läuterung war in diesen letzten Tagen mit ihr vor gegangen, daß sie ohne Schmerz und ohne Haß an Käthe denken konnte? Und impulsiv, wie sie stets gewesen, überlegte Elisabeth nicht lange, sondern nahm sich vor, jetzt gleich zu Käthe zu fahren. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Gleich zwölf Uh». Das war eine gute Zeit. Um diese Zeit bekamen die Krankqn im Stift ihr Essen und danach hatte Käthe ein wenig Zeit, -wenn nicht gerade eine Kranke oder ein Kranker da wärest, die dauernd Wünsche hatten und die Schwestern Hin- urid herjagten. Die jung« Frau kam aus ihrem Ankleidezimmer, «ks Tante Gundula sie gerade noch erwischte: „Na, Lieschen, wohin? Ich habe ein paar Besorgungen und komme gleich mit. Fritz kann uns hinfahren lassen. Es ist heute sehr heiß." Elisabeth wußte nicht, was sie entgegnen sollte. Tante Gundula, doch nun einmal hier, um auf jeden ihrer Schritte aufzupassen. Also mochte sie getrost mitkommen. Vielleicht war es sogar ganz gut, wenn sie dabei war. Aber dann kam keine Aussprache in Frage. Nicht einmal Käthe würde es recht sein, daß diese Tante Fritz Karstens dabei saß und jedes Wort kontrollierte. Doch es war nicht zu ändern. Fritz Karsten konnte sich für sein Geld leisten, was ihm beliebte. Haßte sie ihn?' Elisabeth hatte es sich schon öfters gefragt. Und dann gab sie sich die ehrliche Antwort, daß sie ihn einmal ge haßt hatte. Heute war das unedle Gefühl verschwunden. Sie wäre gern im Guten von ihm gegangen, wenn sie nicht gewußt hätte, daß sie ihm dadurch die letzte Lebens kraft genommen hätte. Sie mußte bei ihm bleiben. Ihr Schicksal war entschieden. ..s' Tante Gundulas grünliche Augen sahen mißtrauisch. Da sagte Elisabeth: „Es ist nett, Tante Gundula, daß du mich begleiten willst. Ich hatte mich allerdings auf einen Spaziergang ge freut, aber Len kann ich ebenso gut im Garten unterneh men, wenn wir wieder daheim sind." Tante Gundulas grünliche Äugen sahen mißgünstig au^ die junge Frau. Aber sie sagte sehr freundlich: „Gut, wir fahren also. Ich unll nur noch mal in die Küche sehen." Elisabeth nickte. Aber sie wußte, daß Tante Gundula jetzt im Herrenzimmer Bescheid sagen würde, wo Fritz Kürsten einige Pläne studierte, die ihm der Architekt vor gelegt hatte und die eine Erweiterung der Fabrikgebäude, betrafen. Tante Gundula saß dann sehr steif im Auto. Aergerlich blickte sie um sich. Es war einfach albern, sie hier warten zu lassen. Die Köchin hatte schon ein paarmal ihr dickes Gesicht an das Küchenfenster gepreßt. Endlich kam Elisabeth. Sie hatte ihrem Mann Lebe wohl gesagt. Und heute dachte sie mitleidig: Eigentlich ist er es ganz allein, der zu leiden hat. Denn er war.stets be weglich und temperamentvoll, und nun dieses langsame Sichfortbewegen! Es muß schrecklich sein. j Sie fuhren durch das Villenviertel und wurden einige Male gegrüßt. Und Elisabeth dachte: Tante Gundula hat^ Sonnabend, de« 11. Mat 191« ! unserem Kaus« doch einen sehr soliden Anstrich gegeben.! Daß man mich immer nur mit ihr sieht, hat meinen gutrit Ruf wiederhergestellt. Ich habe keine Ursache, Fritz etwas nachzutragen. Er hat es gut gemeint. . Ein einzelner Herr stand am Weg. Es hatte den An-, schein, als orientiere er sich über die Straßen oder als such» ser ein Haus. s Elisabeth bemerkte es nicht, wie neben ihr Tante Gundula heftig zusammenzuckte und dem Herrn verstohlen winkte, der nun die Richtung einschlug, die vor ihm dep Wagen genommen hatte. , Tante Gundula sagte plötzlich hastig: „Eigentlich ist es Unsinn, daß ich mit dir zu Käthes komme. Bleib« doch dort zu einem kleinen Plauderstündchen»! Ich hole dich dann wieder ab. Der Wagen mag vor dem Margaretenstift warten. Ich kann die Besorgungen, die iH unbeoingt zu machen habe, hier ganz in der Nähe erledi-r gen, und wir lassen dann deinen Mann nicht gar zu lang» allein." Elisabeth war überrascht, aber auch erleichtert. Es war. doch besser, wenn Tank Gundula nicht mit dabei war^ Käthe sollte alles wissen. Und st« hätte ihr nichts sagen können, wenn die Tante mit den grünen, falschen Augen dabei gewesen wäre. Tante Gundula stieg schnell aus und ging den Weg zurück. Sie gab aber dem Chauffeur mit den Augen noch einen Wink. Und der nickte. Elisabeth hatte die lange Reihe der Fenster im ersten Stock gemustert, ob sie nicht Käthe sehen würde. Doch all« Vorhänge waren zugezogen, weil die Sonne grell die lange Front beschien. Die Wipfel der Bäume im Anstaltsgarten bewegten sich leise und die Rosen dufteten betäubend. Auf den Bänken saßen Männer und Frauen in der einheitlichen Tracht des Stiftes. Eine freundliche Schwester trug ein größeres Kind im Garten spazieren. Und dann stand Elisabeth vor Käthe, die sie aus stil len» schönen Augen anblickts und ruhig fragte: s „Was führt dich her. Lia? Brauchst du mich?" „Ich — wollt« — ich hatte Sehnsucht, ein bißchen mit dir zu plaudern» Käthe. Hast du Zeit für mich?" „Ja, es patzt sHr gut. Ich habe ein Stündchen Zeit. Du bist heut« ganz allein?, > „Ach, du weißt es auch schon, daß man mir eine Aufpas serin gegeben hat? Beruhige dich, Käthe, meine Zucht meisterin hat mich begleitet! Sis hat es nur vorgezogen, einige Besorgungen ohne mich zu machen. Hier bei dir bin ich gut aufgehoben, das weiß sie genau so gut, wie es Fritz weiß." „Ich freu« mich, daß du kamst, Lia." Sie saßen dann in dem kleinen Zimmer, das die jewei lig« Nachtschwester zu benutzen pflegte. „Vergib mir, Käthe, ich war ja wahnsinnig, dir solche Sachen zu sagen! Ich wünsche dir alles Glück!" „Und du?" „Ich habe es so gewollt. Ich hätte damit immer rechnen müssen. Nun muß ich mich damit abfinden. Und — Friß ist wirklich ein guter Kerl. Seine krankhafte Eifersucht muß ich eben ertragen. Ich habe sie hevausgefordert. Und — ich meine, er ist sehr zu bemitleiden." (Fortsetzung folgt.)