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kleine Blätter" auf eine Melodie, die im wesentlichen schon das „Freudenthema" der Neunten Sinfonie vorwegnahm. 1812 bestand die Absicht, eine Festouvertüre mit Chorgesang über Schillers Freuden-Ode zu schaffen. Die ersten Skizzen zur Neunten Sinfonie stammen aus dem Jahre 1817. Aus dem Jahre darauf informiert eine Tagebucheintragung über den Plan einer Sinfonie mit chorischem Finale. Erst 1822 begann die berühmte Melodie auf die Textworte „Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium" endgültige Gestalt anzunehmen. Langsam reifte nun auch die Chor-Lösung des Finales, das — im Februar 1824 vollendet - schließlich den monumentalen Bau der Sinfonie krönte, einer Sinfonie „auf die Art" wie schon Beethovens Klavierfantasie mit Chor, „jedoch weit größer gehal ten als selbe". Beethovens „Ringen" um die Neunte Sinfonie erklärt auch die sinfonielose elfjährige Pause, die dem Abschluß der achten Sinfonie im Herbst 1812 folgte. Doch zurück zur Werkgeschichte: im Grunde nämlich vereinigte di| „Neunte“ auch noch den Plan einer zehnten Sinfonie, von der bereits Skizzen vorlagen. Das Finale hatte sich Beethoven ursprünglich rein instrumental vor gestellt. Das dafür vorgesehene Thema findet sich im a-Moll-Streichquartett op. 132, auch an eine Fuge über das variierte Thema vom zweiten Satz war gedacht. Man sieht also, daß die Idee der Neunten Sinfonie für ihren Schöpfer nicht von vornherein feststand, sondern daß sie erst während der geistigen und formalen Auseinandersetzungen reifte und Gestalt annahm. Da Worte die Aus sage der Musik konkretisieren, ist diese Idee der „Neunten" untrennbar mit den Schillerschen Versen verbunden, deren Auswahl wiederum bezeichnendes Licht auf die Persönlichkeit des Komponisten, auf dessen humanistische, ethische und religiöse Anschauungen wirft. Die sinfonische Gestaltung des Chorfinales, die Verbindung der vorausgehenden drei instrumentalen Sätze mit dem abschließenden Vokalteil war ein mühevoller Prozeß. Das Rezitativ sollte ursprünglich mit den Textworten „Heute ist ein feier licher Tag . . . dieser sei gefeiert mit Gesang" beginnen. Dann dachte Beethoven an die Worte: „Laßt uns das Lied des unsterblichen Schiller singen!“ Endlich wurde die textliche Lösung des Baß-Solos gefunden: „O Freunde, nicht diese Töne, sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere." x Als Beethoven die „Neunte" vollendet hatte, herrschte in Österreich, naturgemäß besonders stark in Wien, noch immer die bedrückende politische Atmosphäre, der „verzweiflungsvolle Zustand“ nach dem Wiener Kongreß. Seit der achten Sinfonie waren für Beethoven elf Jahre bitterer Enttäuschung persönlicher Art vergangen, Enttäuschung aber auch über die reaktionäre Großbourgeoisie, die die revolutionären Ideale verraten hatte. Aber trotz der Unterdrückung aller demokratischen Regungen durch Metternichs System hatte der völlig ertaubte Meister während der Arbeit an der „Neunten" neuen künstlerischen Elan gewonnen. Dennoch hielt er die bedrückende politische Situation in Wien nicht für eine Uraufführung seiner „Neunten" geeignet und dachte zunächst an eine Berliner Uraufführungsstätte. Vaterländisch gesinnte Wiener Kunstfreunde konnten Beethoven jedoch von dieser Absicht abbringen. So wurde an dem denkwürdigen 7. Mai 1824 im Kärntnertortheater zu Wien die „Große Sinfonie mit im Finale eintretenden Solo- und Chorstimmen auf Schillers Lied ,An die Freude"' uraufgeführt. Eine begeisterte Zuhörermenge feierte den Meister stürmisch. Die bis dahin noch nie erlebte Klanglichkeit, der organische, gedankentiefe Bau, der humanistische Inhalt der in ihrer Größe und ihrem Plan ungewöhnlich anspruchsvollen Sinfonie war spontan verstanden worden. Seit diesem Tage wurde die Neunte Sinfonie Besitz der deutschen Nation, ja, der gesamten Menschheit. Wenn wir heute in den Interpretationen des Werkes seine allgemein menschliche Botschaft betonen, dann entspricht das zutiefst dem Anliegen des Demokraten Beethoven, der in Schillers Versen den Ausdruck des Humanen, seiner welt anschaulichen Gedanken sah. So stellt sich uns die Sinfonie dar als die Summe der Beethovenschen Lebenserfahrungen, seiner Philosophie und seiner künst lerischen Ideen. Das Motto, das man auch der fünften Sinfonie Beethovens voranzustellen gewohnt ist: „Per aspera ad astra“ (durch Nacht zum Licht), hat für die „Neunte" mehr als symbolische Bedeutung. Der Sieg der aus der Finsternis zum Licht strebenden Kräfte, das Erreichen des Zieles nach erschüttern dem Kampf, wird im Chorfinale mit dithyrambischem Freudentaumel besungen: „mit dem Schillerschen Gleichnis von einer zukünftigen Gesellschaft, in der die Forderung der Französischen Revolution nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlich keit aller Menschen erfüllt wird, in der wirklich Freude herrschen kann" (Karl Schönwolf). Wie eine gewaltige Kuppel überspannt das mitreißende Chorfinale, das die revolutionär-demokratische Idee des Werkes durch Worte verdeutlicht, den mächtigen sinfonischen Bau des Ganzen. Die einzelnen Sätze der „Neunten“ weisen — im Vergleich zu den früheren Sinfonien — ins Riesige gesteigerte Ausmaße auf. Beethovens großartigstes Bekenntniswerk ruft in seiner starken ethischen Haltung die Menschen zur Besinnung auf ihre höchsten Ideale auf. Schildert der erste Satz den „verzweiflungsvollen Zustand" einer freudlosen Welt, die im energischen Kampf verändert werden muß, so ist im folgenden Scherzo, das entgegen der Tradition dem Adagio vorausgeht, ein derb-fröhliches, hastendes Leben dargestellt, dessen bis zum Zerreißen gespannte Erregtheit jedoch noch keine befreiende Aufhellung bringen kann. Was im Adagio dann als eine „Vision von Glück und Frieden" klangliche Gestalt gewinnt, wird im Finale erreicht: „Heute ist ein feierlicher Tag • ■ ■ dieser sei gefeiert mit Gesang , wie es im ursprünglichen Text lauten sollte. Die brüderlich vereinte Menschheit besingt überschwenglich jubelnd die schwer errungene Freude in einer Welt, die ihr gehört. Dr. Dieter Härtwig