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KONGRESS Claude Debussy 1862-1918 Ottorino Respighi 1879-1936 Sergej Prokofjew 1891-1953 SAAL DEUTSCHES H YG I ENE-MUSEUM Freitag, den 6. Juni 1969, 19.30 Uhr Sonnabend, den 7. Juni 1969, 19.30 Uhr Nachholung MUSIK UND IDEE Dirigent: Kurt Masur Solist: Walter Hartwich, Dresden, Violine Prelude ä l'apres-midi d'un faun (Vorspiel zum Nach mittag eines Fauns) Concerto gregoriano für Violine und Orchester Andante tranquillo Andante espressivo e sostenuto Finale (Alleluja; Allegro energico) PAUSE Sinfonische Fragmente aus Julia" dem Ballett „Romeo und Montagues und Capulets Julia als Kind Menuett Masken Romeo und Julia (Balkonszene) Pater Lorenzo Tod des Tybalt Romeo und Julias Abschied Romeo an Julias Grab Hartwich wurde 1932 in Braunau (CSSR) geboren. Er erhielt seine musikalische W ° -l'/nq b ei Prof. Gerhard Bosse an den Musikhochschulen Weimar und Leipzig, später bei JroLGyörgy Garay. Nach dem Examen war er vier Jahre beim Staatlichen Sinfonieorchester Halle und drei Jahre beim Rundfunksinfonieorchester Leipzig als Konzertmeister tätig. Seit September 1962 wirkt er als 1. Konzertmeister der Dresdner Philharmonie. ZUR EINFÜHRUNG „Er war der unvergleichliche Maler des Geheimnisvollen, des Verschwiegenen, des Unwägbaren — ihm gelang die Übertragung von Eindrücken, deren Mit teilung vor ihm wohl keiner so getroffen." Dies schrieb einmal H. Prunieres, der französische Musikologe, über Claude Debussy, den Begründer und un übertroffenen Meister des musikalischen Impressionismus. Mit den Worten des Komponisten Robert Oboussier sei fortgefahren: „Er löste die abstrakte Archi tektonik der traditionellen Form auf und setzte an ihre Stelle das Bild einer klangoptischen Vorstellung . . . Wo immer wir seinem Klang begegnen, berührt uns seine Helligkeit und Schwerelosigkeit, jene clarte, die seiner Musik ihr un verkennbar französisches Gepräge gibt." „Man lauscht nicht auf die tausend Geräusche der Natur, die uns umgeben, man ist nicht geöffnet gegenüber dieser so verschiedenartigen Musik, die uns die Natur in einer solchen Fülle darbietet. Diese Musik umgibt uns, und wir haben mitten in ihr bis heute gelebt, ohne davon Kenntnis zu nehmen. Hier ist nach meiner Meinung der neue Weg . . Dergestalt erläuterte Debussy das Wesen seiner Musik, die also empfangens Eindrücke, Impressionen, wiedergeben will. Das, was den französischen Meiste^ am stärksten fesselte, war das Unbegreifbare, das Atmosphärische der Dinge, etwa Wechsel und Kontrast von Licht, Farben und Geräuschen, kurz „der ferne Widerhall der Natur". Wahrhaftigkeit kennzeichnet Debussys Stil, von dem der Komponist selbst sagte: „Ich habe ganz einfach meine Natur und mein Tempe rament sprechen lassen." Wie die impressionistischen Maler die feinen Linien zugunsten der Farbe zurücktreten ließen, gab Debussy die formale Symmetrik im Musikalischen auf und verabsolutierte die Farbwerte der Klänge, kombinierte die Klänge der Orchesterpalette nicht mehr grammatikalisch-logisch, sondern nach seinem klangmalerischen Instinkt. Debussys Musik wendet sich zunächst weniger an den Verstand als vielmehr an die Empfindungswelt des Hörers, übermäßige Dreiklänge, Septimen- und Nonenakkorde, Quarten- und Quinten parallelen, die Verwendung der exotischen Ganztonskala — das ist Debussys Handwerkszeug. Das Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns ist Debussys be rühmtestes Orchesterwerk. Diese schon 1892 geschriebene und 1894 in Paris höchst erfolgreich uraufgeführte sinfonische Dichtung sollte ursprünglich ein Flötenkonzert werden. Aber während der Komposition änderte Debussy seinen Plan und gab dem einsätzigen Werk das nun bekannte Programm, das Thomas Mann in seinem Roman „Der Zauberberg" mit dichterischem Feingefühl wieder gegeben hat. Er schreibt: „Rücklings lag er auf einer mit bunten Sternblumen besäten, von Sonne beglänzten Wiese, einen kleinen Erdhügel unter dem Kopf, das eine Bein etwas hochgezogen, das andere darübergelegt, — wobei es jedoch Bocksbeine waren, die er kreuzte. Seine Hände fingerten, nur zu seinem eigenen Vergnügen, da die Einsamkeit über der Wiese vollkommen war, an einem klei nen Holzgebläse, das er im Munde hielt, einer Klarinette oder Schalmei, der er friedlich-nasale Töne entlockte, einen nach dem anderen, wie sie eben kommet wollten, aber doch in geglücktem Reigen, und so stieg das sorglose Genäse? zum tiefblauen Himmel auf, unter dem das feine, leicht vom Winde bewegte Blätterwerk einzeln stehender Birken und Eschen in der Sonne flimmerte. Doch war sein beschauliches und unverantwortlich-halbmelodisches Dudeln nicht lange die einzige Stimme der Einsamkeit. Das Summen der Insekten in der sommerheißen Luft über dem Grase, der Sonnenschein selbst, der leichte Wind, das Schwanken der Wipfel, das Glitzern des Blätterwerkes, - der ganze sanft bewegte Sommerfriede umher wurde gemischter Klang, der seinem einfältigen Schalmeien eine immer wechselnde und immer überraschend gewählte harmo nische Deutung gab. Die symphonische Begleitung trat manchmal zurück und verstummte, aber Hans mit den Bocksbeinen blies fort und lockte mit der naiven Eintönigkeit seines Spiels den ausgesucht kolorierten Klangzauber der Natur wieder hervor, — welcher endlich nach einem abermaligen Aussetzen, in süßer Selbstübersteigerung, durch Hinzutritt immer neuer und höherer Instrumental stimmen, die rasch nacheinander einfielen, alle verfügbare, bis dahin gesparte