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Fülle gewann, für einen flüchtigen Augenblick, dessen wonnevoll-vollkommenes Genügen aber die Ewigkeit in sich trug. Der junge Faun war sehr glücklich auf seiner Sommerwiese . . . Hier herrschte das Vergessen selbst, der selige Still stand, die Unschuld der Zeitlosigkeit.. Ottorino Respighi, manchmal der Richard Strauss Italiens genannt, war einer der international erfolgreichsten italienischen Komponisten seiner Zeit. Schüler von F. Sarti und G. Martucci an der Musikhochschule in Bologna sowie von Rimski-Korsakow in Petersburg und von Max Bruch in Berlin, wirkte Respighi in den Jahren 1913 bis 1925 als Kompositionslehrer und seit 1923 auch als Direktor am Konservatorium Santa Cecilia in Rom. Danach widmete er sich frei schaffend seinem kompositorischen Werk, das besonders zahlreiche Opern, Ballette (u. a. „Der Zauberladen" nach Musik von Rossini), Kammermusik und sinfonische Arbeiten enthält. In den 30er Jahren führten den Komponisten triumphale Reisen durch ganz Europa, Nord- und Südamerika, bei denen er bedeutendste Musiker seiner Zeit traf und seine wichtigsten Werke aufführen konnte. Auch mit Übertragungen älterer Musik trat Respighi bedeutsam hervor. Seine melodische, schwungvoll-virtuose Musik ist mit Recht als Äußerung eines „vornehmen Eklektizismus" (A. Damerini) bezeichnet worden, die sich vielen Möglichkeiten europäischer Tonkunst angeschlossen hat. Seine stärksten Vorbil der waren wohl Richard Strauss, Claude Debussy und der französische Impres sionismus; auch für Rimski-Korsakow und die alten Kirchentonarten hatte er eine Vorliebe. Respighi schuf einen eigenen Typ der sinfonischen Dichtung von be schreibendem Charakter („Römische Brunnen", „Römische Pinien", „Römische Feste"). Ein gut Teil ihrer Wirkung verdankt Respighis Musik seiner Fähigkeit, meisterhaft, ja raffiniert und mit glänzender Farbigkeit zu instrumentieren. Das Concerto gregoriano für Violine und Orchester entstand im Jahre 1921, wurde am 5. Februar 1922 in Rom uraufgeführt und erlebte seine Dresdner Erstaufführung am 17. März 1926 in einem Sinfoniekonzert der Dresd ner Philharmonie für die Dresdner Volksbühne unter der Leitung von Eduard Mörike. Den Solopart spielte Ibolyka Gyarfas (Budapest). Das dreisätzige Werk orientiert sich in seiner Melodiebildung am gregorianischen Choral, an jener „einstimmigen, instrumentenfreien, weitestgehend diatonisierten und nach den sogenannten Kirchentonarten modal ausgerichteten musikalischen Einkleidung der lateinsprachigen liturgischen Texte der abendländischen katholischen Litur gien" (Stäblein). Die musikgeschichtliche Bedeutung des gregorianischen Chorals (die Bezeichnung resultiert aus der dem Papst Gregor I. um das Jahr 600 zu geschriebenen Neuordnung der Kirchengesänge) ist in der Tatsache zu sehen, daß er die früheste bis heute lebendig gebliebene Musikübung Westeuropas darstellt, von großem Einfluß auf zahlreiche Kompositionsformen und auf die Entwicklung der Mehrstimmigkeit war. Respighi hat in seinem Violinkonzert ge schickt Elemente des gregorianischen Chorales in seinen farbigen Ausdrucksstil einbezogen, über allen drei Sätzen des Werkes liegt eine gewisse Feierlichkeit. Eine Kadenz des Soloinstrumentes bindet den ersten Satz an den zweiten, wäh rend das Finale für sich steht. Der sowjetische Meister Sergej Prokofjew stellte 1936 kurz nach Voll endung seines Balletts „Romeo und Julia", dem Shakespeares Tragödie zugrunde liegt, drei sinfonische Suiten zusammen — er liebte es, seine Bühnen werke auf diese Weise zu popularisieren und sie damit erneut zu erproben. Ge rade diese Suiten haben einen festen Platz in den Konzertsälen der ganzen Welt. Sie werfen ein so schönes, erwärmendes Licht auf die von Shakespeare geschaffenen Figuren: Romeo und Julia, auf ihre glücklich-unglückliche Liebe, daß man auch im Konzertsaal den Verlauf dieser Liebesgeschichte vor Augen hat. Aus den Überschriften ergibt sich für den Hörer ohne weiteres der Zusam menhang mit der Tragödie Shakespeares. Während in den Suiten, wie sie Pro kofjew zusammengestellt hat, nicht die Handlung ihrem Verlauf nach erzählt wird, vielmehr musikalische Gesichtspunkte, vor allem das Prinzip kontrastreicher Gegenüberstellung, für die Zusammenstellung maßgebend waren, haben wir in der sozusagen „Dresdner Fassung" Kurt Masurs eine Dramaturgie vor uns, die uns die Tragödie in großen Zügen miterleben läßt. Zunächst werden uns die beiden feindlichen Geschlechter, „Die Montagues und die Capulets", vorgestellt. Die Musik zeichnet die ganze Aufgeblasenheit, den Hochmut der feudalistischen Gesellschaft. Im Trio (moderato tranquillo) sehen wir die junge mädchenhafte Julia im Tanz mit Paris vorüberschweben. Dann wird uns „Julia als Kind" noch einmal porträtiert: ein lebensfrohes Geschöpf, deren Jugend noch nicht überschattet ist von dem tragischen Verlauf ihres Lebens - ein wohlgelungenes Porträt mit feinen Reizen. Die nächsten beiden Teile, „Menuett" und „Masken", führen uns in die festfreudige Welt des Hauses Capulet, das „Menuett", in Rondoform, spiegelt die Eleganz des Hoflebens wider, wobei in der Instrumentierung die Verwendung des Saxophons bemerkenswert ist. Aus der Überschrift des zweiten Stückes geht deutlich hervor, daß es sich um eine Karnevalsepisode handelt. In der Marschform erinnert es an den berühm ten Marsch aus der Oper „Die Liebe zu den drei Orangen". Romeo und Julia haben sich kennen und lieben gelernt. Ein zartes Notturno stellt die auch oft von Malern gestaltete berühmte Szene dar: Romeo dringt in den Garten der Capulets ein, und Julia erscheint auf dem Balkon. Trefflich werden die beid^ Liebenden in ihrer Eigenart gekennzeichnet, auch in der Instrumentation: Julia-Thema erhält durch Holzbläser und die tiefen Streicher seine Wärme, das männliche Romeo-Thema ist im Gegensatz dazu zunächst der Posaune und dann der Trompete und dem Horn zugeteilt. Schließlich fließen beide Themen inein ander. In Pater Lorenzo finden die beiden den Freund und Helfer, der das Wagnis auf sich nimmt, die Kinder zweier miteinander verfeindeter Adelshäuser zu trauen. Diese Feindschaft kommt auch in dem nächsten Bild, „Der Tod Ty- balts", zum Ausdruck, Tybalt ist Julias Vetter, der Romeos Freund Merkutio im Duell tötet. Romeo rächt seinen Freund, sein Degen durchbohrt Tybalt. Die Schil derung der Duelle wird abgelöst von einem Trauermarsch, der die Trauer der Capulets um den toten Tybalt ausdrückt. Eine Vereinigung Romeos und Julias ist damit erst recht unmöglich gemacht. Unter der Überschrift „Romeo und Julia vor der Trennung" wird noch einmal auf die leidenschaftliche Liebe der jungen Menschen hingewiesen, deren Schicksal sich nun vollendet. „Romeo an Julias Grab" ist eine der erschütterndsten Totenklagen, die je geschrieben wurden. Aber das Thema der Liebe Romeos triumphiert über das Thema der Klage - echte Liebe währt über den Tod hinaus. VORANKÜNDIGUNGEN : 13. und 14. Juni 1969, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr Dr. Dieter Härtwig 10. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solisten: Annelies Burmeister, Berlin, Alt Eberhard Büchner, Berlin, Tenor Werke von Franck, Wagner und Mahler 21. und 22. Juni 1969, jeweils 18 Uhr, Schloßpark Pillnitz 2. SERENADE Gastkonzerte der Staatlichen Philharmonie Russe (VR Bulgarien) Dirigent: Ilja Temkow Solist: Peter Petrow, Klarinette Werke von Mozart und Beethoven Anrecht B Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968 69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig — Die Einführung in die Sinfonischen Fragmente aus „Romeo und Julia" von Prokofjew schrieb Prof. Dr. Karl Laux Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 41469 III 9 5 1,3 569 ItG 009/55/69 »hihamnoni 6. ZYKLUS-KONZERT 1968/69